„Jeder Spion mit eigener Shopping-Liste“ – ZDF-Doku legt Chinas globale Expansionsstrategie offen

Das Regime in Peking gehört seit Jahr und Tag zu den aggressivsten Akteuren, wenn es um die unautorisierte Aneignung westlichen Know-hows und den Diebstahl von geistigem Eigentum geht. Zudem infiltriert China über wissenschaftliche Kontakte und Konfuzius-Institute westliche Akademien, Regimegegner werden weltweit verfolgt. Das ZDF brachte dazu jüngst eine Dokumentation.
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„1000 Talente“ gegen die technologische Stagnation - Im Kampf um die wirtschaftliche Weltmacht schreckt die KPCh auch vor Industriespionage und Folter nicht zurück.Foto: iStock
Von 30. September 2019

In einer bemerkenswerten Dokumentation mit dem Titel „Rote Spitzel – China und die Industriespionage“ hat sich das ZDF eines Themas angenommen, das auf politischer und medialer Ebene in Europa bislang nicht zu den meistbeachteten gehört hat – nämlich der gezielten Strategie des kommunistischen Regimes in Peking zur Aneignung westlicher Technologien bei gleichzeitiger Infiltration westlicher Gesellschaften.

„1000 Talente“ gegen die technologische Stagnation

Gleich zu Beginn kommt die Rede auf das Grundanliegen der chinesischen Führung, Schlüsseltechnologien auszumachen, die man ins Land holen will, und alle erdenklichen Mittel, unter anderem auch Spionage, zur Beschleunigung der technologischen Aneignung auszuschöpfen.

Gerade im Bereich der Technologie- und Industriespionage schätzt der deutsche Verfassungsschutz China als Feind Nummer eins ein. Für seine Bemühungen habe China schier unbegrenzte materielle und personelle Ressourcen zu Verfügung.

Weltweit gesehen ist das Land Wirtschaftsmacht Nummer zwei. Um Nummer eins zu werden, hat das Regime aber das größte Spionagenetz auf globaler Ebene aufgebaut. Oft vollzieht sich das Bemühen, den Fuß in die Türe führender westlicher Technologieeinrichtungen zu bekommen, auch ganz offen. Etwa wenn Universitäten der Militärs mit westlichen Forschungsstätten zusammenarbeiten, um Technologien weiterzuentwickeln.

Chinas Regime will zudem vielversprechende Forscher ins eigene Land locken. Das Programm „1000 Talente“ soll ausländische Experten gewinnen, nachdem der technologische Fortschritt im Reich der Mitte zuletzt ins Stocken geraten war. Im Rahmen des Projekts will man mindestens 2000 namhafte ausländische Wissenschaftler innerhalb von zehn Jahren dazu bewegen, ihren Forschungsschwerpunkt nach China zu verlagern.

Ex-Geheimdienstler: „Wir waren naiv“

Dabei setzt die kommunistische Führung auf das Versprechen, man wolle „Wissenschaft gemeinsam voranbringen“. Chinesische Studenten an der führenden Forschungseinrichtung ENSAE Paris sagen aber auch ganz deutlich. „Wir arbeiten für die Wissenschaft und unser Land.“ – Dieses Bekenntnis umfasst auch die Bereitschaft, das angeeignete Wissen der eigenen Regierung zur Verfügung zu stellen, beispielsweise für die Entwicklung der Militärtechnologie.

Der Unternehmer und langjährige führende Berater des französischen Auslandsgeheimdienstes, Alain Juillet, beklagt, man wäre aufseiten des Westens „naiv“ gewesen, hätte es verabsäumt, schutzwürdige Interessen zu schützen. Dies zeigte sich bereits Ende der 1990er Jahre, als Peking Technologieführer aus Japan, Deutschland und Frankreich eingeladen hatte, an seinem Hochgeschwindigkeitsprojekt mitzuwirken. Verträge seien dabei keine unterzeichnet worden. Das Regime habe es aber verstanden, im Zuge der Verhandlungen und ersten Testläufe an wichtiges Know-how zu gelangen.

Bereits der 15-Jahres-Plan des Regimes in Peking aus dem Jahr 2006 habe erkennen lassen, dass das Konzept der „Re-Innovation“ darauf gerichtet war, gestohlenes Know-how über einen Umweg reinzuwaschen. Man habe auf gestohlene Innovationen einfach Patente gewährt, die nur für den chinesischen Markt galten. Andere Länder, deren Unternehmen den Markteintritt in China beabsichtigten, mussten diese jedoch akzeptieren – andernfalls Peking ihnen diesen verwehrt hätte.

Wie sich Airbus über den Tisch ziehen ließ

Bekanntschaft mit dieser Praxis habe auch Airbus machen müssen. Von den europäischen Vorzeigeunternehmen habe das Regime mehrere hundert Flugzeuge gekauft und wird auch bis auf Weiteres 50 Prozent seines Bedarfes von dort decken. Bedingung für das Zustandekommen des Geschäfts war allerdings, dass die Endmontage der nachgefragten A320-Modelle in China stattfindet.

Wie es der Zufall so will, verschwand dabei eine ganze Maschine, die zur Wartung vorgesehen war, erst spurlos und tauchte später wie durch ein Wunder auf einem Rollfeld wieder auf. Ein weiterer Zufall wollte, dass das einheimische chinesische Modell Comac C919 schon wenig später auf einem völlig neuen technologischen Standard war und scheinbar in kürzester Zeit in der Lage war, technologischen Rückstand zu überwinden. Böse Zungen behaupten, die A320 wäre, bevor sie wieder aufgetaucht war, in aller Ruhe von chinesischen Ingenieuren in ihre Einzelteile zerlegt und anschließend wieder zusammengebaut.

Juillet beklagt, dass Frankreich, das 1964 als erstes westliches Land die VR China anerkannt kannte, spätestens seit 2010 über Pekings Ambitionen bezüglich der widerrechtlichen Aneignung von Luftfahrttechnologie informiert gewesen wäre, dennoch aber untätig geblieben sei. Dabei habe sich damals schon abgezeichnet, dass China alle Register gezogen hätte, um mit geringstmöglichen Kosten eine maximale Aneignung von Know-how zu erreichen. Das reicht von ominösen „Probeflügen“ über hübsche (erotische) Honigfallen, vermeintliche „Praktikanten“ bis hin zum Einsatz von Spyware.

Auch in Deutschland seien, auch wenn das ZDF der Regierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel größere Aufmerksamkeit bezüglich des Problems attestiert, chinesische Nachrichtendienste präsent. Der „Spiegel“ widmete diesem Phänomen bereits Mitte der 2000er Jahre ein Titelthema.

Deutsche Nachrichtendienste schätzen die jährlichen Schäden durch Industriespionage im eigenen Land auf 50 Milliarden Euro. In den USA zeige sich ein ähnliches Phänomen. Dort seien es zudem Millionen an Arbeitsplätzen, die durch die chinesischen Bemühungen – bei Bedarf auch unautorisierten Know-how-Transfers – in Gefahr gerieten.

Chinesische Armee hinter Hackerangriffen

In 80 Prozent der Fälle nachgewiesener Industriespionage seien es chinesische Auftraggeber, die hinter den Bemühungen steckten, erklärt Dmitri Alperovitch, der CTO (Chief Technical Officer) des Cybersecurity-Dienstleisters CrowdStrike. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „Problem, das die Sicherheit unseres Landes bedroht“.

Nicht nur Behörden seien im Visier der chinesischen Angreifer, sondern auch Privatpersonen und Unternehmen. Ein besonders skandalöser Fall ereignete sich im Zusammenhang mit dem Unternehmen American Superconductor (AMSC). Das vom MIT gegründete Unternehmen stellt unter anderem elektronische Bauteile für Windturbinen her und ist auch in Österreich mit einer Außenstelle vertreten.

Das chinesische Unternehmen Sinovel arbeitete mit AMSC zusammen. Erst später wurde bemerkt, dass die Chinesen Raubkopien der AMSC-Software anfertigten und diese über längere Zeit hinweg in Softwarenetze integrierten. Von einem serbischen Ingenieur in Österreich kauften sie den Quellcode für 1,7 Millionen Dollar und zapften so AMSC systematisch technisches Wissen ab. Der Ingenieur erhielt eine relativ geringe Strafe – doch das Unternehmen AMSC hatte Milliardeneinbußen und musste zwei Drittel seiner Belegschaft entlassen.

Seither kam es, so Alperovitch, wiederholt zu Angriffen aus China, wobei als Urheber Akteure wie „Comment Panda“ ausgemacht werden konnten, die der Volksbefreiungsarmee zugerechnet werden können. Im Jahr 2014 wurden dafür fünf Offiziere der „Einheit 61398“ identifiziert und in Abwesenheit in Pennsylvania angeklagt.

Die Einschätzung Alperovitchs könnte eindeutiger nicht sein. Die VR China sei bereits 2001 Teil der WTO geworden, um die daraus resultierenden Vorteile wie Marktzutritt in anderen Ländern auskosten zu können – halte sich aber selbst nicht an deren Regeln.

Talente und „nützliche Idioten“

Zudem sei China, wie ebenfalls Experten das Redaktionsteam hinter der Doku wissen ließen, „Weltmeister der versteckten Propaganda“. Dass die Kommunistische Partei im Jahr 2003 „Harmonie“ als Propagandaparole entdeckte und eine „konfuzianische Wende“, also eine Wiederentdeckung alter traditioneller Werte versprach, sei ein klares strategisches Manöver zur ideologischen Infiltration gewesen. Es war der Startschuss zu einer Entwicklung, die dazu geführt habe, dass es heute weltweit über 500 Konfuzius-Institute gebe.

Dies habe unter anderem die mitgliederstarke exilchinesische Gemeinde in Kanada aufgeschreckt, die bald den Braten rochen und sich aktiv an der Aufdeckung chinesischer Unterwanderungsversuche unter dem Banner dieser Institute beteiligten. Im Jahr 2007 gab es die ersten offiziellen Warnungen von akademischen Räten und Nachrichtendiensten vor den Konfuzius-Instituten, die Talente für die strategische Expansion oder einfach nur sinophile „nützliche Idioten“ suchten. Einige Konfuzius-Institute mussten mittlerweile wegen nachgewiesener nachrichtendienstlicher Arbeit für fremde Mächte schließen.

Neben der Umarmungsstrategie gegenüber westlichen Institutionen gehört jedoch auch die weltweite Repression gegen politische oder weltanschauliche Gegner zu den Schwerpunkten weltweiter chinesischer Spionagetätigkeit. Dabei gilt der Hass der Führung vor allem fünf Bewegungen: Organisierten Exil-Tibetern, demokratischen Kräften in Hongkong und Taiwan, die sich dem Anschluss an den Machtbereich der KP verweigern, muslimischen Uigurenverbänden, die sich gegen die religiöse Repression in Xinjiang wehren und der traditionsorientierten Kultivierungsbewegung Falun Gong.

Dabei gehe das Regime nicht zimperlich vor, bestätigt Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom gegenüber dem ZDF. Die Nachrichtendienste des Regimes fürchten den „bedrohlichen Fisch im Teich und gehen deshalb gegen den gesamten Teich vor“.

Weltweite Jagd auf Falun Gong

Falun Gong war in Ungnade gefallen, weil seine Anhänger der KP den Treueeid verweigerten und sich auch von Verhaftungen nicht beeindrucken ließen. Nachdem zehntausende Anhänger friedlich das Regierungsviertel in Peking umstellten, da sie der Regierung ihre Ansicht erklären wollten, leitete Jiang Zemin 1999 eine beispiellose Vernichtungskampagne gegen die traditionalistische Kultivierungsbewegung ein. Dass Falun Gong mehr Mitglieder in China hatte als die KP selbst, war für diese nicht mehr tragbar.

Direkt dem Politbüro untersteht seither eine eigene Abteilung zur Verfolgung, das sogenannte „Büro 610“ agiert überstaatlich im In- und Ausland im Auftrag des Regimes. Die Aufgabe, so betont Michel Juneau-Katsuya, der Leiter des kanadischen Asien-Pazifik-Büros sei: „Verfolgen, Jagen und Neutralisieren der Anhänger von Falun Gong auf jede nur mögliche Weise.“

Vor allem gehe es gegen jene Mitglieder, die im Ausland leben, weil diese besonders lautstark gegen das chinesische Regime protestieren könnten. Falun Gong sei eine „sehr gefährliche ideologische Konkurrenz, die um jeden Preis beseitigt werden muss“.

Der chinesische Konsul in Toronto bezeichnete sogar öffentlich den kanadischen Pressesprecher von Falun Gong, Joel Chipkar, als „Mitglied eines unheilvollen Kults“, dieser klagte dagegen – und war erfolgreich. Um nicht das Gesicht zu verlieren, kehrte der chinesische Konsul noch vor Ende des Prozesses nach China zurück.

Chipkar äußerte gegenüber dem ZDF:

Wir kennen das Wesen der Kommunistischen Partei Chinas. Seit diese 1949 die Macht übernommen hat, haben sie die chinesische Kultur und den Geist des chinesischen Volkes zerstört. Sie wollen, dass die Menschen die Partei wie einen Gott und die höchste Macht auf Erden verehren. Alles, was dem Volk mehr Macht geben könnte, wird beseitigt. Sie fürchten sich sehr vor einem Machtverlust.“

„Wenn das Büro 610 mit der Gestapo verglichen wird, ist das nicht übertrieben“

In mehr als 80 Ländern soll deshalb jeder Chinese dem Büro 610 die Aktivitäten melden. Das Regime muss aber auch hier Rückschläge einstecken. 2005 quittierte Chen Yonglin, ein früherer australischer Mitarbeiter des Büros 610, nach viereinhalb Jahren seinen Dienst. Er berichtete über Infiltrationen, Beschattungen, das Erfassen von Namen und Daten mutmaßlicher Falun-Gong-Anhänger und ihrer Kontakte. Seine Einschätzung:

Wenn das Büro 610 mit der Gestapo verglichen wird, ist das nicht übertrieben. Es hat alle nur möglichen Mittel eingesetzt, um Falun Gong zu unterdrücken. Zu diesen Methoden gehörte auch die physische und psychische Folter.“

Angesichts einer so großen Bevölkerungsgruppe lasse sich so etwas nur als „Vernichtungspolitik“ bezeichnen.

Yonglin suchte Asyl in Australien , während Canberra mit Peking über umfangreiche Gasverträge verhandelte – und kam damit zu einer ungünstigen Zeit für die Regieung in Canberra. Australiens Behörden verweigerten ihm deshalb „zufällig“ das politische Asyl. Er geht nun davon aus, dass er auf Schritt und Tritt überwacht werde und jederzeit entführt werden könnte. Um sich selbst ein höchstmögliches Maß an Sicherheit zu verschaffen, wandte er sich an die Öffentlichkeit und tritt regelmäßig in den Medien auf.

Chen Yonglin bezweifelt, dass China das Potenzial hat, zur Weltmacht zu werden. Keine Macht könne das werden, so der frühere Staatsbeamte, wenn es sein Volk und die Rechte seiner Menschen unterdrücke.

Daniel Schaeffer, ein französischer General und ehemaliger Militärattaché in Peking, bestätigt, dass China auf Spionage, Repression und Infiltration in allen Lebensbereichen setze. „Es gibt regelrechte Shopping-Listen für alle chinesischen Spione – unabhängig, ob im zivilen oder militärischen Bereich.“

Es gehe „nicht darum, die Chinesen zu ächten“, betont Schaeffer, „aber wir müssen unsere Daten und Technologien schützen“.



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