„Weiße Handschuhe“ – Die Geldwäscher der kommunistischen Kader

Seit Jahrzehnten schöpfen viele KP-Funktionäre aus dem Vermögen des chinesischen Volkes in ihre eigenen Taschen. Oft gibt es deshalb auch Streit unter den Haifischen. Der Machtkampf wird immer schlimmer.
Von 30. Juli 2020

Anfang Juli kündigten die chinesischen Aufsichtsbehörden unter Berufung auf Verstöße gegen die Finanzregeln an, dass sie neun Finanzinstitute übernehmen werden.

Dabei handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Geschichte, bei der die Regierung den Markt von gestrauchelten Teilnehmern reinigt. Die betroffene Dachgesellschaft der neun Firmen, „Tomorrow Holdings“, ist kein gewöhnliches Privatunternehmen.

Machtkampf innerhalb der KP Chinas

Die Übernahme durch die Behörden bedeutet laut China-Kommentatoren die Eskalation im Machtkampf verschiedener Fraktionen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas. Sie zeigt, wie tief der kommunistische Führer Xi Jinping in einer Krise steckt.

In einem seltenen Fall öffentlichen Aufbegehrens gegen die offiziellen Maßnahmen schimpfte „Tomorrow Holdings“ in den sozialen Medien über die Regulierungsbehörden. Dabei stellte das Unternehmen das Motiv der Übernahme infrage und äußerte den Vorwurf des „Handels mit Geld und Macht“. Der Post wurde rasch wieder gelöscht.

Ein Kommentator für China-Angelegenheiten meinte, dass Fälle, in denen Privatunternehmen Behörden öffentlich beschuldigen, in China äußerst selten sind. Tang Jingyuan, China-Analytiker sagt:

Die Entscheidung dein Unternehmen zu übernehmen, wird von der Partei getroffen. Wenn du versuchst gegen die Entscheidung Berufung einzulegen, unterliegt die für die Berufung zuständige Institution ebenfalls der Partei. Deshalb leisten die Menschen unter dem System der KPC oft überhaupt keinen Widerstand. Weil sie wissen, dass jeder Widerstand zwecklos ist.“

Xiao Jianhuas Tomorrow-Group

Der China-Experte verwies auf ein verborgenes Detail:

Die Tatsache, dass die ‚Tomorrow Group‘ es wagt, dies zu tun, bedeutet, dass möglicherweise stärkere Kräfte dahinter stehen.“

Der Gründer der „Tomorrow-Group“ heißt Xiao Jianhua, der 48-Jährige ist einer der reichsten Chinesen. 2017 geriet Xiao international in die Schlagzeilen, als er in Hongkong von chinesischen Sicherheitsbeamten aus einem Hotel entführt wurde. Xiao wurde in einem Rollstuhl gefesselt und mit verdecktem Kopf nach China gebracht.

Der Vorfall sorgte seinerzeit für negative Presse für das chinesische Regime. Bevor das Nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet wurde, war es Festlandsbeamten offiziell nicht gestattet, in der halbautonomen Region zu operieren.

Einem Reuters-Report zufolge drängte Peking 2019 unter anderem auch deshalb auf das Auslieferungsgesetz für Hongkong, um solche Peinlichkeiten zu vermeiden. Das Gesetz hätte die Auslieferung von Hongkong nach China ermöglicht, das Problem in Hongkong operierender China-Beamter wäre gelöst. Der Plan löste Proteste von Millionen Hongkongern in den Straßen der Stadt aus.

Wer ist Xiao Jianhua, und warum ist er so wichtig, dass Peking in Hongkong einen so drastischen Schritt unternahm, um Menschen wie ihn zu verhaften?

Sensibler Finanzsektor

Xiao’s „Tomorrow Group“ baute hauptsächlich auf der Finanzindustrie auf, einem stark eingeschränkten, extrem kostspielig zu betretenden und weitgehend staatlich dominierten Sektor in China.

Um zum Beispiel eine Privatbank in China zu eröffnen, muss man mindestens 300 Millionen Dollar, also 2,1 Milliarden chinesische Yuan, als Stammkapital haben. Und das beinhaltet nicht die Gebühr von zig Millionen Dollar für die Beantragung einer Finanzlizenz.

Obwohl er aus bescheidenen Verhältnissen stammte, war Xiao in seinen 40er Jahren in der Lage, ein Geschäftsimperium mit über 17 Banken, 9 Versicherungsgesellschaften und einer Vielzahl von Investmentunternehmen, Trusts und Fonds zu kontrollieren.

Die von „Tomorrow Holdings“ kontrollierten Finanzinstitute verfügen über ein Vermögen von über 400 Milliarden Dollar.

Chinas „Weiße Handschuhe“

Aber das ist nicht alles sein Vermögen. Das meiste gehört den Elite-Familien der Kommunistischen Partei. Tang Jingyuan, China-Analytiker, bestätigt:

Er ist wie eine Haushälterin, ein Agent – auf dem chinesischen Festland nennt man solche Leute die ‚weißen Handschuhe‘.“

Offiziell dürfen Chinas kommunistische Funktionäre und ihre Verwandten keine Geschäfte machen. In den 60er oder 70er Jahren spielte das keine große Rolle, da das ganze Land ohnehin verarmt war. Aber seit das Regime in den 1980er Jahren mit Reformen und der Öffnung begann, erkannten die Beamten, dass sie, obwohl sie viel Macht hatten, diese nicht in Reichtum umsetzen konnten. Tang Jingyuan weiter:

So finden die Beamten und ihre direkten Verwandten eine vertrauenswürdige Person, die in ihrem Namen handelt, Firmen eröffnet und Geschäfte tätigt und sich um die Geschäftsbeziehungen kümmert.“

Laut Tang war dies der Zeitpunkt, an dem Politik und Wirtschaft verschmolzen.

Ein Beamter kann seine Macht nutzen, um seine Geschäfte zu verbergen und ihm Wege für seine Geschäfte zu ebnen. Umgekehrt kann er die riesigen Geldsummen, die er verdient, dazu nutzen, seine Macht zu festigen, zu bestechen und höhere Positionen und mehr Macht zu erlangen. Das ist ein Teufelskreis.“

Großer Reichtum auf Volkskosten

Der China-Analytiker sagte, dass Ende der 1990er Jahre und Anfang 2000, als das Regime mit der Wirtschaftsreform begann und staatlich kontrollierte Unternehmen an Privatpersonen übertrug, viele kommunistische Elitefamilien reich wurden, indem sie ihre „weißen Handschuhe“ oder Geldwäscher benutzten, um öffentliche Unternehmen zu einem viel niedrigeren Preis zu kaufen.

Sie brauchen nur sehr wenig Geld auszugeben, um Staatsvermögen, das dutzendfach oder sogar hundertmal mehr wert ist, zu kaufen und es in ihr Privatunternehmen umzuwandeln. Es ist im Grunde genommen eine Art Verteilung von Staatsvermögen.“

Und Xiao Jianhua ist einer dieser „weißen Handschuhe“. Im Jahr 2006 half er Zeng Wei, dem Sohn des damaligen kommunistischen Spitzenfunktionärs Zeng Qinghong, beim Kauf des staatlichen Energieriesen Luneng in Shandong. Das Unternehmen war 73,8 Milliarden Yuan wert, umgerechnet rund 10 Milliarden Dollar. Xiao zahlte nur 3,73 Milliarden Yuan, etwa 500 Millionen Dollar. 70 Milliarden Yuan an nationalem Vermögen verschwanden damit.

Zu den weiteren Geschäften, die Xiao tätigte, gehörte 2009 der Erwerb einer Immobiliengesellschaft im Besitz des Schwiegersohnes von Jia Qinglin, damals Mitglied des mächtigen Ständigen Ausschusses des KP-Politbüros.

Und 2013 kaufte Xiao Anteile an einer Investmentfirma, die von der Schwester und dem Schwager des kommunistischen Führers Xi Jinping gehalten wurden.

Gefährliche Intrigen in Rot-China

Sich in die Politik in China einzumischen, ist ein riskantes Geschäft. 2017, nachdem Xiao entführt und nach China verschleppt worden war, erzählte sein ehemaliger Professor an der Peking-Universität Yuan Hongbing den Medien, dass Xiao sich in Schwierigkeiten gebracht habe, weil er einer der Drahtzieher eines finanziellen Staatsstreichs in den Jahren 2015 war.

China-Beobachter glaubten, dass die finanziellen Turbulenzen von der Jiang Zemin-Fraktion entworfen wurden, um der Legitimität von Xi Jinping zu schaden und ihn auch davon abzuhalten, seine Anti-Korruptions-Kampagne fortzusetzen, die den Geschäften vieler einflussreicher kommunistischer Familien schadet.

Innerhalb eines halben Jahres wurden mehr als 5 Billionen Dollar bei der Kapitalisierung der Aktienmärkte von Shanghai und Shenzhen weggewischt, mehr als das BIP Japans.

Häufig gerieten Aktienbesitzer in die Schlagzeilen der Zeitungen, weil sie Selbstmord begingen. Es war eine große Krise für Xi Jinping.

Chinas kommunistische Elitefamilien

Ein bekannter chinesischer Wirtschaftswissenschaftler schrieb damals auf Weibo, dass „ohne einen lückenlosen Plan … es unmöglich ist, einen solchen finanziellen Coup in so kurzer Zeit zu schaffen, es ist nicht etwas, wozu ausländische Kräfte in der Lage waren“.

Dieser Hintergrund könnte erklären, warum Xiaos Tomorrow-Group es heute wagt, die gegenwärtigen Behörden auf so öffentliche Weise herauszufordern. Tang Jingyuan, China-Analytiker:

Die derzeitigen Behörden wollen diese Vermögenswerte übernehmen. Im Grunde genommen wird das Vermögen bestimmter kommunistischer Elitefamilien beschlagnahmt. Natürlich werden diese Familien zurückschlagen. Sie sind auch eine mächtige Gruppe. Deshalb haben sie eine Warnung an Xi Jinping ausgesprochen. Wagen Sie es nicht, die Grenze zu überschreiten, denn wenn Sie das tun, werden wir auch Ihnen das Leben schwer machen. Wir wissen von einer Menge Ihrer Skandale.“

Tang sagte noch, dass die Machtkämpfe der Partei in der Vergangenheit oft dem zugrunde liegenden Prinzip des „Kämpfens ohne zu brechen“ folgten. Aber jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem Xi, um diese Elitefamilien zu kontrollieren, ihr Geld beschlagnahmt, sodass sich dieses Prinzip möglicherweise ändern wird.

(mit Material von NTD)



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