Nach fragwürdigem Tod des ehemaligen Premiers: Chinas Parteikader zeigen Xi Jinping die kalte Schulter

Der ehemalige chinesische Ministerpräsident Li Keqiang starb am 27. Oktober an einem angeblichen Herzinfarkt. Viele fragen sich, ob sein plötzlicher Tod das Ergebnis eines internen Kampfes innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas war.
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Viele Chinesen trauerten mit Blumengrüßen. Die Parteigrößen und -prinzen aber blieben dem offiziellen Begräbnis ihres ehemaligen Premiers fern. Aus Protest besuchten sie ein rangniederes Begräbnis.Foto: STR/AFP via Getty Images
Von 18. November 2023

Mehrere pensionierte Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) blieben der Beerdigung des ehemaligen Premiers Li Keqiang am Donnerstag, dem 2. November fern. Einige Tage später legten diese Parteigrößen jedoch bei einem anderen Begräbnis für einen Provinzkader Blumenkränze nieder. Dieses Verhalten lässt sich als Signal der Unzufriedenheit über den Umgang der Behörden mit Lis Tod interpretieren.

Politische Analysten gehen davon aus, dass Lis plötzlicher Tod zum Auslöser dieses Verhaltens geworden ist. Der Umgang der Behörden mit seinem Tod und seiner Beerdigung habe die Unzufriedenheit der politischen Ältesten und der Parteiprinzen (Kinder von prominenten Gründungsmitgliedern der KPC) geweckt.

Der interne Kampf zwischen dem obersten Führer der KPC, Xi Jinping, und den Gruppen der politischen Senioren und Parteiprinzen eskaliert und wird immer deutlicher sichtbar.

Lokales Begräbnis, ein Besuch, der Zeichen setzt

Am 8. November fand in Guiyang, in der Provinz Guizhou im Südwesten Chinas eine weitere Beerdigung statt. Es war die Verabschiedung Zhang Yuhuans. Er war der ehemalige Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des dortigen Volkskongresses.

In Fernsehberichten wurden die Namen von KPC-Funktionären im Ruhestand wie Hu Jintao, Wen Jiabao, Zhang Dejiang, Li Zhanshu, Li Lanqing, Wang Qishan und anderen verlesen, und die Kamera zeigte die von jedem von ihnen überreichten Blumenkränze. Dies steht in krassem Gegensatz zu der Szene bei der offiziellen Beerdigung von Li, bei der alle Funktionäre im Ruhestand abwesend waren.

Lu Tianming, ein in den USA ansässiger Kommentator, sagte The Epoch Times am 11. November, dass die Ältesten der Partei die Gelegenheit nutzten, um ihre Haltung zu zeigen und ihre Unzufriedenheit auszudrücken.

Trotz seines relativ niedrigen Ranges fanden sich hochrangige Persönlichkeiten auf seinem Begräbnis ein, die unter normalen Umständen nie dort erschienen wären. Dies schuf einen starken Kontrast.

„Als eine so hochrangige Person wie Li Keqiang verstarb, hätten diese politischen Ältesten persönlich an der Beerdigung teilnehmen müssen, aber keiner von ihnen ging hin, was eine bestimmte Haltung zeigt. Sie haben sich bewusst dafür entschieden, nicht teilzunehmen, weil sie mit Li Keqiangs Tod und der Art und Weise, wie die Behörden mit den Folgen umgegangen sind, unzufrieden waren“, so Lu.

„Und die Tatsache, dass ihre Namen im Bericht über das offizielle Begräbnis von Zhang Yuhuan auftauchten, der eines normalen Todes starb, zeigt, dass sie eine konträre Haltung einnehmen wollten. In Wirklichkeit spielt es keine Rolle, wer der Verstorbene ist. Sie wollen diesen Vorfall nur nutzen, um ihre Haltung zum Ausdruck zu bringen.“

Xi bei Prinzentreffen abwesend

Kurz nach der Beerdigung von Li versammelten sich am Abend des 6. November eine Reihe führender Persönlichkeiten aus dem Kreis der Parteiprinzen in Peking, um des 125. Geburtstages des ehemaligen chinesischen Vorsitzenden Liu Shaoqi zu gedenken.

Xi, der fünf Jahre zuvor an dem Symposium teilnahm und eine Rede zum 120. Geburtstag von Liu hielt, erschien dieses Mal jedoch nicht. Die Öffentlichkeit reagierte besorgt auf sein Fernbleiben.

Lu wies darauf hin, dass fast alle diese Parteiprinzen jetzt auf der Gegenseite von Xi stehen.

„In der Vergangenheit war diese Art der Konfrontation nicht so offensichtlich. Schließlich ist Xi Jinping der Parteivorsitzende, und die Menschen zollen ihm bis zu einem gewissen Grad immer noch Respekt, sodass sie sich nicht offen gegen ihn gestellt haben.“ Zu dieser Zeit habe Xi auch versucht, die Prinzen anzulocken, weshalb er am 120. Geburtstag von Liu Shaoqi teilnahm, sagte Lu.

Auf dem Weg zur Alleinherrschaft

Jetzt sei die Situation aber ganz anders. Nach Beginn seiner dritten Amtszeit habe Xi den Konsens über die Teilung der Macht zwischen den Roten Familien und den verschiedenen Fraktionen aufgekündigt. Er habe sich damit diktatorischer verhalten als alle seine Vorgänger.

Zuvor sei die KPC zwar eine Ein-Parteien-Diktatur gewesen, legte intern aber immer noch Wert auf die sogenannte kollektive Führung. „Aber jetzt ist es fast so, als ob Xi Jinping allein das Sagen hat, und das ist noch diktatorischer, sodass diese Prinzen definitiv unzufrieden mit ihm sind“, sagte Lu.

Zudem habe das Regime in den letzten Jahren einer Wirtschaftskrise durchlaufen. Das habe seine Stabilität beeinträchtigt. Viele der derzeitigen sogenannten Anti-Korruptionskampagnen der Behörden hätten auch die Interessen der Roten Familien der zweiten Generation beeinträchtigt, erläutert Lu und schließt: „Diese werden sicherlich anfangen, sich gegen ihn [Xi] zu stellen.“

Der tagespolitische Kommentator Li Linyi teilte ähnliche Ansichten mit The Epoch Times.

Er erwähnte insbesondere, dass Liu Shaoqis Sohn, Liu Yuan, einen Artikel veröffentlichte, in dem er die Willkür einzelner Personen kritisierte.

„Wenn wir all diese Dinge zusammennehmen, können wir sehen, dass die Prinzen mit der derzeitigen Situation unter der Xi-Regierung sehr unzufrieden sind“, sagte er. „Wenn sie sich also [trotz Meinungsverschiedenheiten] so öffentlichkeitswirksam versammeln, ist das eigentlich eine Geste [gegenüber Xi], auch wenn sie gar nichts sagen“, kommentiert der Analyst.

Interne Konflikte verschärfen sich

Lu wies auch darauf hin, dass Li Keqiang eine Schlüsselperson der Jugendliga der KPC gewesen sei. Auf dem 20. Nationalkongress des Regimes im vergangenen Jahr wurden alle Politiker dieser Fraktion aus dem siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros sowie aus anderen wichtigen Positionen entfernt.

Lu zufolge seien nach der „Auslöschung“ der Jugendliga-Fraktion sogar Pensionäre wie Li Keqiang im internen Kampf gestorben, und die Verbliebenen hätten kein Gefühl der Sicherheit mehr. Darüber hinaus werde weithin angenommen, dass die Ursache von Li Keqiangs Tod fragwürdig sei. Die darauffolgende „überstürzte Einäscherung seines Leichnams durch die Behörden war definitiv ein Fehltritt, der die Abneigung und das Misstrauen der Menschen gegenüber Xi Jinping noch verstärkt“ habe, so Lu.

Er glaubt, dass die Offiziellen, ausgelöst durch Lis mysteriösen Tod, denken, dass es besser wäre, Xi zu stürzen.

„Xi Jinping hat nicht nur die Parteiprinzen angegriffen, sondern auch hochrangige Beamte im Ruhestand und politische Älteste. Abgesehen von den amtierenden Funktionären, die ihm um des Machterhalts willen gehorchen, sind fast alle in seinem Umfeld gegen ihn. Daher wird der interne Kampf in der KPC definitiv immer intensiver“, schließt Lu.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „After Former Chinese Premier’s Suspicious Death, Party Princelings and Elders Begin to Show Defiance to Xi Jinping“. (deutsche Bearbeitung jw)

 



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