„Schwächer als erwartet“: Chinas Ministerpräsident kam mit Charterflugzeug und Frageverbot

Die politische Umstrukturierung in China zur kommunistischen Monarchie ist in vollem Gange, wie man dieser Tage an der Europareise von Premierminister Li Qiang sehen konnte. Eine Analyse.
Titelbild
Chinas Ministerpräsident Li Qiang (l.) und Xi Jinping (r.) vor dem Nationalen Volkskongress am 11. März 2023 in Beijing, China.Foto: Lintao Zhang/Getty Images
Von 27. Juni 2023

Eine Pressekonferenz ohne Pressefragen und eine einem Regierungschef unwürdige Anreise. Irgendetwas war seltsam beim chinesischen Staatsbesuch im Juni in Berlin. Die chinesische Epoch Times ging den Hintergründen der Phänomene um Li Qiangs Besuch nach und fand noch mehr heraus.

(K)eine Pressekonferenz

Nach den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen während des Besuchs des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Berlin wurde eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten, die eigentlich keine war. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz und Chinas Premierminister Li Qiang gaben lediglich ihre Erklärungen ab. Mehr gab es aber auch nicht. Unüblicherweise war es den angereisten Journalisten verwehrt worden, Fragen an die beiden Regierungschefs zu stellen.

Ein deutscher Regierungssprecher erklärte, die chinesische Seite habe deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sei, Fragen zu beantworten. Man deutete an, dass Li Qiang sich andernfalls nicht mit den Medien treffen werde und der Bundeskanzler allein vor die Medien treten müsste. Oder aber es gebe überhaupt keine Presseerklärung.

Der Sprecher merkte an, dass man keine dieser beiden Alternativen für eine gute Lösung halte. Das ZDF berichtete daraufhin von einer „klaren chinesischen Erpressung: Entweder so, oder es gibt keine Pressekonferenz“, meinte Theo Koll, der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.

Staatsbesuch mit Charterflugzeug

Ebenfalls unüblicherweise war der neue chinesische Premierminister (seit März) bei seinem ersten Auslandsbesuch in Deutschland und Frankreich nicht mit einem Sonderflugzeug aus China, sondern mit einem Charterflug der zivilen Luftfahrt angereist.

Das wurde so auch von den chinesischen Medien berichtet. Demnach habe Chinas Staatssender CCTV in einer Meldung gleich zweimal von einem „gecharterten Flugzeug“ berichtet: „Am Nachmittag des 18. Juni verließ [der chinesische] Premierminister Li Qiang Peking mit einem gecharterten Flugzeug. […] Am Abend des 18. Juni kam Li Qiang mit einem gecharterten Flugzeug auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg an“.

Nach den Vorschriften der chinesischen Regierung seien aber sowohl Xi Jinping als auch Li Qiang berechtigt, mit Sonderflugzeugen zu reisen, berichtet die chinesischsprachige Epoch Times. Nur die anderen fünf Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) müssten mit Charter- oder Shuttle-Flügen reisen.

Nach Recherchen in den bisher veröffentlichten relevanten Berichten der offiziellen Medien der KPC fanden sich keine weiteren Präzedenzfälle, in denen der Ministerpräsident von China mit einem „Charterflug“ zum Staatsbesuch gekommen war. In dem Bericht der Epoch Times wird sogar darauf verwiesen, dass selbst Li Keqiang, der Vorgänger von Li Qiang, noch nach seinem Rücktritt als Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros und vor seinem Rücktritt als Ministerpräsident Chinas noch mit Sonderflugzeugen in verschiedene Länder reiste. Und Li Keqiang hatte während seiner Amtszeit durchaus ernsthaftere Konflikte mit Xi Jinping.

Warum also musste Li Qiang mit einem Charterflug zum Staatsbesuch nach Europa reisen und warum wollte er auf keinen Fall irgendwelche Pressefragen beantworten?

Der rote „Kaiser“ und sein Hofstaat

Am 20. Juni ging Chen Pokong, ehemaliger chinesischer Studentenführer der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre in China, auf seinem YouTube-Kanal auf den Fall Li Qiang ein. Der nach mehrjähriger Haft aus China in die USA verbannte Wirtschaftswissenschaftler und politische Kommentator meinte: „Die Abwertung bedeutet, dass Xi Jinping Li Qiangs Status, obwohl er die Nummer zwei der Führer der Kommunistischen Partei und des Staates ist, deutlich von seinem eigenen unterscheiden will“, so der Chinaexperte.

Li Qiang werde daher nicht wie die früheren Premierminister mit Sonderflügen reisen. Chen Pokong: „Jetzt ist es eine rote Monarchie. Alle Leute darunter sind Minister und müssen Abstand vom Kaiser halten.“

Li Qiang, der ewige Sekretär

Li Qiang ist Mitglied der „Xi-Familie“, also des Xi-Flügels der Partei, und gilt als enger Vertrauter von Xi Jinping. Früher war Li Qiang schon Xi Jinpings Sekretär, als dieser noch Parteichef der Provinz Zhejiang war. Später wurde Li Vize-Parteichef von Zhejiang, Parteichef der Provinz Jiangsu und von Shanghai und schließlich Ministerpräsident.

Nach Ansicht des Chinaexperten werde Li Qiang aber „immer noch wie ein erster Sekretär behandelt“. Und nun wüssten auch die deutschen und französischen Staats- und Regierungschefs sehr genau, worum es bei Li Qiangs Anwesenheit in Europa gegangen sei: „Er war nur ein Angestellter, ein Botenjunge, eine Höflichkeitsbehandlung war ausreichend, deshalb hat Li Qiang also eine so nutzlose Reise nach Europa unternommen.“

Zur Situation der Pressekonferenz mit Premierminister Li Qiang in Berlin sagte Epoch Times-Kolumnist Dr. Zhang Tianliang am 21. Juni: „Dies zeigt, dass Li Qiang sehr unsicher ist und Angst hat, einige heikle Fragen nicht beantworten zu können“, so Zhang. „Der Ministerpräsident müsse abwarten, bis Xi Jinping ihm Anweisungen gebe, bevor er antworten könne.“

Der Chinaexperte sieht in beiden dieser Situationen (Charterflugzeug und Frageverbot) in Deutschland „ein sehr ungewöhnliches Phänomen für die politischen Aktivitäten der KPC“. „Li Qiang sieht schwächer aus als erwartet. Man kann sagen, dass Li Qiang seit der Machtergreifung der KPC der schwächste aller Premierminister ist, und er ist so schwach, dass seine Situation sogar noch schlimmer ist als seine Vorgänger Wen Jiabao und Li Keqiang.“



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