Forscher: „22 Menschen reichen für eine Siedlung auf dem Mars“

Eine neue Studie legt offen, wie sich Datenforscher die Besiedlung auf dem Roten Planeten vorstellen. Demnach sollen bereits 22 Menschen für ein funktionierendes Leben auf dem Mars ausreichen – wenn sie die „richtigen Persönlichkeiten“ mitbringen.
Wie sich Forscher die Besiedlung des Mars vorstellen
Der Traum vom Leben auf dem roten Planeten ist so alt wie seine Erforschung.Foto: iStock
Von 9. September 2023

Was braucht es, um eine funktionierende Siedlung auf dem Mars zu errichten und ein erfolgversprechendes Leben auf ihm zu führen? Diese Fragen stellen sich Forscher und Astrofans, seit erstmals der Gedanke einer Marskolonisation aufgekommen ist.

Dass der Rote Planet sich durchaus für ein Leben fernab der Erde eignet, sehen viele Wissenschaftler bereits als bewiesen an. So verfügt der Mars über ein großes Reservoir von Wassereis sowie eine dünne Atmosphäre, die einen bedingten Schutz vor Sonnenstrahlung und kosmischer Strahlung bietet. Außerdem dauert ein Marstag rund 24 Stunden, 39 Minuten und 35 Sekunden (Erde: 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden) und besitzt aufgrund der Achsenneigung wie die Erde Jahreszeiten – auch wenn diese fast doppelt so lang sind.

Doch wie soll die Versorgung mit Essen oder Strom erfolgen, welche Menschen eignen sich für ein Leben auf dem Mars und was soll das Ziel sein? Diese Fragen versuchten Forscher um Edgar Arguello, Datenwissenschaftler der George Mason University, in ihrer Studie zu beantworten. Hierfür verwendeten die Wissenschaftler unter anderem die sogenannte agentenbasierte Modellierung (ABM).

In ihrem Modell simulieren die Forscher eine Lebensraumumgebung für Menschen auf dem Mars, deren Haupttätigkeit es ist, Mineralien abzubauen und zur Erde zu schicken.

Infrastruktur und Stromversorgung

„Die Errichtung einer menschlichen Siedlung auf dem Mars ist ein unglaublich komplexes technisches Problem“, so die Forscher in ihrer Studie. Das „Planspiel“ startet mit einem Zeitpunkt, in dem bereits eine Marssiedlung mit entsprechenden Wohn- und Wirtschaftsgebäuden errichtet wurde. Wie diese genau aussehen, lassen die Forscher in ihrer Studie offen.

Derartige Überlegungen stellten bereits Wissenschaftler der Universität Bremen im Rahmen ihres Forschungsprojektes „Humans on Mars“ an. So entwickelten sie das Konzept einer Raumstation aus mehreren zylinderförmigen Modulen, welche Schlaf-, Arbeits- und Freizeiträume sowie Luftschleusen enthielten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zugriff auf Energiequellen, wobei hier der Fokus mehr auf Kernenergie und weniger auf Solarenergie liegt. „Die Solarenergie ist durch die Tageslichtstunden, die jahreszeitlichen Schwankungen und die Staubansammlung auf den Solarzellen begrenzt. Wir haben uns dafür entschieden, unsere Kolonie nach dem nuklearen Generator zu modellieren, den die NASA 2011 für den Perseverance-Rover eingesetzt hat“, erklären die Forscher.

Dieser Generator soll so die konstante und überlebenswichtige Stromversorgung für die Bevölkerung auf dem Mars gewährleisten. Insgesamt ist eine Laufzeit von mindestens 14 Jahren vorgesehen – siebenmal länger als beim Perseverance-Rover. Die kleinen leichten Spaltreaktoren können laut NASA bis zu 10 Kilowatt elektrische Leistung liefern, was ausreiche, um mehrere Haushalte gleichzeitig mit Strom zu versorgen. Bis Ende der 2020er-Jahre will die NASA eines dieser Systeme mit gering angereichertem Uran auf den Mond bringen und testen.

Lebensbereiche wie Abfallentsorgung oder Recycling blieben im Rahmen dieser Studie zunächst außen vor und sollen in zukünftigen Arbeiten näher beleuchtet werden. Auch der eigentliche Bau der Marsstation war nicht Gegenstand der Forschung.

Luft, Wasser und Nahrung

Als weitere wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft nehmen Arguello und seine Kollegen an, dass die Bewohner Luft und Wasser vor Ort produzieren können. „Die unwirtliche Natur der Marsumgebung erfordert, dass jeder Lebensraum weitgehend selbstversorgend ist. Abgesehen von der Gewinnung einiger weniger grundlegender Mineralien und Wasser werden die Siedler von der Versorgung durch die Erde und der Auffüllung des Bedarfs mit technischen Mitteln abhängig sein“, so die Forscher.

Wie viele Ressourcen und Kapazitäten ein Mensch im Weltall braucht, zeigen die Erfahrungen der Internationalen Raumstation (ISS). So gibt die NASA an, dass ein einzelner ISS-Bewohner in einer Woche 5,88 Kilogramm Luft, 28 Liter Wasser und 10,5 Kilogramm Nahrung verbraucht. Da es noch keine überzeugende Methode für die Produktion von Nahrungsmitteln in der Schwerelosigkeit gibt, gehen die Forscher davon aus, dass die Marsbewohner zunächst auf irdische Nahrungslieferungen angewiesen sein werden.

Ersten Schätzungen zufolge könnten externe Lebensmittellieferungen im Schnitt halbjährlich erfolgen. Diese Häufigkeit könnte sich wie der Umfang beziehungsweise das Ausmaß der Lieferung ändern, wenn der Anbau eigener Nahrungsmittel auf dem Mars funktionieren würde. Darin einberechnet sind Reserven für den Fall, dass eine Lieferung nicht am Ziel ankommt.

Der richtige Charakter entscheidet über Erfolg

Weiterhin überlegten die Forscher um Arguello, welche Persönlichkeitstypen in der isolierten und feindlichen Umgebung auf dem Mars die größten Überlebenschancen haben. Hierzu berücksichtigten sie Studien über Personengruppen wie Soldaten oder Arktisforscher, die häufig unter extremen Bedingungen arbeiten und leben. „Die technische Raffinesse, die für ein dauerhaftes Überleben bei U-Boot-Einsätzen erforderlich ist, in Verbindung mit der Isolation und deren Risiken, machen diese Unternehmungen zu guten Vorbildern“, schreiben die Forscher.

Doch auch die geistige Einstellung scheint ein wichtiger Faktor zu sein. „Eigenschaften wie eine starke Leistungsmotivation und zwischenmenschliche Orientierung wurden mit einer besseren Bewältigung von Einsätzen in Verbindung gebracht. In einer anderen Studie waren Optimismus und Humor die wichtigsten Bewältigungsstrategien der Besatzung“, so Arguello und seine Kollegen.

Deshalb teilten die Forscher ihre simulierten Marsbewohner in vier Charakterkategorien ein:

  • die sympathische Person: besitzt einen geringen Grad an Wettbewerbsfähigkeit, wenig Aggressivität und braucht keine strenge Routine
  • die soziale Person: besitzt einen mittleren Grad an Wettbewerbsfähigkeit, ist extrovertiert, braucht soziale Interaktion und braucht keine strenge Routine
  • die reizbare Person: besitzt einen mittleren Grad an Wettbewerbsfähigkeit, zwischenmenschliche Wettbewerbsorientierung und braucht strenge Routine
  • die neurotische Person: besitzt ein hohes Maß an Konkurrenzdenken, hat aggressive zwischenmenschliche Eigenschaften und kann sich nicht an Veränderungen anpassen

Anschließend untersuchten die Forscher, welcher Charaktertyp die größten Überlebenschancen hat. Das Ergebnis war eindeutig: In allen Durchläufen überlebten die sympathischen Personen wegen ihrer Anpassungsfähigkeit und positiven Art als einzige die über 28 Jahre andauernde Testzeit. Im Gegensatz dazu scheiterten neurotische Personen wesentlich eher – die beiden anderen Charaktere lagen dazwischen.

22 Menschen reichen aus

Außerdem berechneten die Wissenschaftler, wie viele Personen für eine funktionierende Kolonie auf dem Mars notwendig sind. Ein wichtiger Faktor ist dabei, dass die Bewohner miteinander arbeiten und mindestens zwei Fähigkeiten mitbringen. Welche Fähigkeiten genau notwendig sind, erläutern die Forscher nicht näher.

Unter der Voraussetzung, dass alle Charaktertypen annähernd gleichmäßig vertreten sind, würden 22 Menschen ausreichen, um eine Kolonie aufrechtzuerhalten. Zwar könne die Bevölkerung kurzzeitig unter zehn sinken, jedoch dürfe sich dies innerhalb von 1,5 Jahren nicht wiederholen.

Wie sich die Ausgangslage und Erfolgsquote verändern würde, wenn die Bevölkerung nur aus sympathischen und sozialen Charakteren bestünde, könnte in künftigen Arbeiten untersucht werden, so die Forscher.

Kritik an dieser Rechnung äußerte der französische Raumfahrtforscher Jean-Marc Salotti gegenüber „Live Science“: „22 Menschen reichen nicht aus, um eine voll funktionsfähige und autonome Kolonie auf dem Mars zu errichten und zu erhalten.“ Für Salotti seien mindestens 110 Menschen und damit das Fünffache notwendig. „Der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer autonomen Marskolonie erfordert mehr Menschen mit einer größeren Bandbreite an Kenntnissen und Fähigkeiten, um Herausforderungen zu bewältigen“, so Salotti.

Zwar sei die Idee, Persönlichkeitstypen zu berücksichtigen, sehr gut, allerdings könne ein einfacher Streit oder Konflikt in der Kolonie bereits zu einer Katastrophe führen. Sollte zudem eine langfristige Bevölkerung auf dem Mars aufgebaut werden, dann benötige die Kolonie einen viel größeren Genpool. Andernfalls würde Inzucht zu Krankheiten oder körperlichen und geistigen Missbildungen führen, was die Bevölkerung auf dem Mars zusätzlich schwäche.



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