Photovoltaik ist besser als Kernkraft … auf dem Mars

Die Reise zu den Sternen hat einen neuen Energieversorger: Laut einer Analyse kalifornischer Wissenschaftler ist Kernkraft nicht länger die einzige Option für bemannte Missionen zum Mond, Mars und darüber hinaus. Wenn jedes Gramm zählt und Geld keine Rolle spielt, kann Photovoltaik praktischer sein.
Künstlerische Darstellung einer bemannten Station auf dem Mars mit Photovoltaik.
Künstlerische Darstellung einer bemannten Marsstation mit Photovoltaik.Foto: iStock
Von 25. Mai 2022

Bislang galten Kernreaktoren als die beste Wahl zur Versorgung einer außerirdischen Siedlung der Menschheit. Mit ihrer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Frontiers in Astronomy and Space Sciences“ beendeten die Hauptautoren, beide Doktoranden der Universität von Kalifornien in Berkeley, nach eigenen Angaben eine Wette.

Aaron Berliner, der einen Abschluss in Nukleartechnik anstrebt, sprach von einer glücklichen Niederlage gegen seinen Kollegen Anthony Abel, der sich mit Innovationen in der Photovoltaik beschäftigte. Schließlich hätten Fortschritte bei Solarzellen die Würfel neu gemischt, sodass sie in einigen wenigen Fällen besser geeignet seien als Kernspaltung. Inwieweit dies Rückschlüsse auf die Energieversorgung der Erde zulässt, bleibt jedoch offen.

In 900 Tagen zum Mars und zurück

In den letzten zehn Jahren sind kleine Kernreaktoren so weit fortgeschritten, dass die NASA sie als sichere, effiziente und reichhaltige Energiequelle und als Schlüssel für künftige Missionen betrachtet. Solarenergie hingegen muss gespeichert werden, denn die Nächte auf dem Mars dauern etwa genauso lange wie auf der Erde. Hinzu kommt, dass der rote Staub die Stromproduktion reduzieren oder komplett zum Erliegen bringen kann. So musste der Opportunity-Rover 2019 nach einem massiven Staubsturm seinen Betrieb einstellen. Für eine menschliche Siedlung auf dem Mars würde ein längerer Ausfall der Energieversorgung das Ende der Mission bedeuten.

Sowohl Kernenergie als auch Solarzellen eint jedoch ein weiteres Problem: das Gewicht. Alle Materialien müssen von der Erde zum Mars transportiert werden. Das kann pro Kilogramm Fracht schnell Hunderttausende Euro kosten. Und das maximale Startgewicht der Rakete ist begrenzt.

Der hohe Wirkungsgrad, das geringe Gewicht und die Flexibilität der neuesten Solarzellentechnologie bedeuten, dass die Photovoltaik den gesamten Strombedarf für eine ausgedehnte Marsmission oder sogar eine dauerhafte Siedlung auf dem Mars liefern könnte, fassen Aaron und Berliner ihre Ergebnisse zusammen. Sie verglichen dabei verschiedene Konzepte der Energieerzeugung und Speicherung für eine Marsmission mit sechs Personen und einem 480-tägigen Aufenthalt auf der Marsoberfläche – plus 210 Tage Flugzeit pro Strecke.

„Gelegentliche“ Photovoltaik, „ausdauernde“ Kernenergie

Laut den Autoren könnte eine Rakete zum Mars etwa 100 Tonnen Nutzlast transportieren. Ausgehend davon berechneten sie, wie viel davon für ein Energiesystem zur Nutzung auf der Planetenoberfläche benötigt würde. Überraschenderweise stellten sie fest, dass das Gewicht des Energiesystems im besten Fall weniger als 10 Prozent der gesamten Nutzlast ausmachen würde.

Während das Gewicht der Kernreaktoren konstant ist, benötige die Solarenergie je nach Landeort unterschiedlich viele Solar- und Speichermodule. Letztendlich sei Solarenergie mit der Kernenergie auf fast der Hälfte der Marsoberfläche vergleichbar oder sogar besser. Dazu Berliner:

Die photovoltaische Energieerzeugung […] übertrifft Kernfusionsreaktoren auf 50 Prozent der Planetenoberfläche. […] Das steht in ziemlich scharfem Gegensatz zu dem, was in der Literatur immer wieder vorgeschlagen wird.“

Jedoch trifft dies nur auf einen der drei untersuchten Speicher zu: Photovoltaik in Verbindung mit Wasserstoffelektrolyse und -Speicherung. Sowohl Batteriespeicher als auch die direkte photochemische Erzeugung von Wasserstoff in speziellen Solarzellen „können in Bezug auf die mitgeführte Masse nicht mit der Stromerzeugung aus Kernenergie gleichziehen“.

Photovoltaik wäre demnach die beste Wahl, wenn der geplante Siedlungsplatz in Äquatornähe liegt. Während die NASA-Rover Opportunity (Gelegenheit) und Curiosity (Neugier) also durchaus in der Lage sein sollten, im Rahmen einer nahen Siedlung ausschließlich solar zu operieren, wäre eine Siedlung nahe des jüngsten Rovers Perseverance (Ausdauer) im Jezero-Krater eher auf nukleare Energiequellen angewiesen.

Zudem gehen die Forscher lediglich von „einem vollen Betriebstag mit Reserveleistung“ aus. Bedeckt ein Staubsturm die Solarmodule mehr als 24 Stunden, hätten die Astronauten am Äquator ein Problem.

In Äquatornähe ist Photovoltaik leichter als Kernkraft (9,5 t)

Gewicht der benötigten Solar-, Elektrolyse und Speichermodule für eine Siedlung auf dem Mars. Das Minimum liegt bei 8,3 Tonnen in Äquatornähe. Innerhalb der gestrichelten Linien ist Photovoltaik leichter als Kernkraft (9,5 t). Foto: Abel, Berliner et al. (2022); doi.org/10.3389/fspas.2022.868519 (cc-by 4.0), Übersetzung: ts/Epoch Times

Längere Missionen haben einen höheren Energiebedarf

In der Vergangenheit haben sich die Schätzungen der NASA zum Energiebedarf von Astronauten auf dem Mars im Allgemeinen auf kurze Aufenthalte konzentriert, die keine energieintensiven Prozesse erfordern. Doch spätestens seit die NASA, Elon Musk (SpaceX) und Jeff Bezos (Blue Origin) Ideen langfristiger, außerplanetarischer Siedlungen diskutieren, müssen auch größere und zuverlässigere Energiequellen in Betracht gezogen werden.

Menschen auf dem Mars müssen die einzigen verfügbaren Rohstoffe – Wassereis, atmosphärische Gase, den Marsboden und Sonnenlicht – nutzen, um alles herzustellen, was sie zum Überleben brauchen, einschließlich Nahrung, Medizin, Treibstoff und Baumaterialien, so Abel und Berliner.

Die beiden Forscher stellten jedoch fest, dass es unmöglich war, die Praktikabilität vieler mikrobieller Herstellungsverfahren zu beurteilen, ohne zu wissen, wie viel Energie für eine längere Mission zur Verfügung stehen würde. Also entwickelten sie ein Modell mit dem wahrscheinlichen Energiebedarf z. B. für die Aufrechterhaltung des Lebensraums – einschließlich Temperatur- und Druckkontrolle –, die Düngemittelproduktion für die Landwirtschaft, die Methanproduktion für den Raketentreibstoff für die Rückkehr zur Erde und die Biokunststoffproduktion für die Herstellung von Ersatzteilen.

Und Photovoltaik auf der Erde?

Berliner, der einen Abschluss in Nukleartechnik anstrebt, ging mit einer Vorliebe für Kernenergie an das Projekt heran, während Abel, der sich mit Innovationen in der Photovoltaik beschäftigte, eher für die Solarenergie war.

„Ich habe das Gefühl, dass diese Arbeit aus einer gesunden wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Meinungsverschiedenheit über die Vorzüge der Kernkraft gegenüber der Solarenergie entstanden ist und dass wir mit dieser Arbeit eigentlich nur versuchen, eine Wette abzuschließen“, sagte Berliner. „Ich glaube, ich habe diese Wette verloren, wenn man die Veröffentlichung betrachtet. Aber es ist ein glücklicher Verlust, ganz sicher.“

Abel ergänzte, dass die Photovoltaik heute bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Elektrizität sehr effizient ist, auch wenn die leistungsstärksten Modelle noch teuer sind. Die wichtigste Neuerung ist jedoch ein leichtes und flexibles Solarpanel, das die Lagerung auf der abgehenden Rakete erleichtert und die Transportkosten senkt.

Die Silizium-Paneele, die Sie auf Ihrem Dach haben, mit Stahlkonstruktion, Glasrückwand usw., können mit der neuen und verbesserten Kernkraft [Anm. d. Red.: Kernspaltung] nicht konkurrieren, aber neuere, leichte, flexible Paneele ändern diese Diskussion ganz plötzlich“, sagte Abel.

Zumindest auf dem Mars – und ohne Kühlschrank-großen Kernfusionsreaktoren, an denen die NASA ebenfalls forscht

(Mit Material der University of California, Berkeley)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 45, vom 21. Mai 2022.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion