Der allererste Oldtimer

Den Autor packte die Sammlerleidenschaft: Ein R4, Baujahr 1967, sollte es sein. Selbst in Frankreich erworben. Ein Erfahrungsbericht.
Oldtimer
Ein Oldtimer hat viele Vorteile: Polizisten reagieren begeistert, auch wenn er im Parkverbot steht.Foto: Dirk Engelhardt
Von 3. November 2022

Ich war 48, selber schon bald ein Oldtimer, als ich beschloss, meinen ersten Oldtimer zu kaufen. Der R4, den meine Tante früher fuhr, gefiel mir schon immer sehr gut. Nach der Probefahrt eines gut restaurierten Wagens in Berlin-Moabit stand der Entschluss fest. Ich recherchierte im Internet und sah, dass ein sehr ähnlicher Wagen, Baujahr 1967, in Frankreich einige Tausend Euro weniger kostete. Was ich nicht bedachte, waren die Umstände, solch ein Gefährt von Frankreich nach Berlin zu importieren und es umschreiben zu lassen. Pierre B., der Verkäufer der „Quatrelle“ aus einem Dorf bei Vichy, sprach, wie es bei vielen Franzosen der Fall ist, nur Französisch. Ich kann Französisch, also stellte die Kommunikation per E-Mail kein Hindernis dar. Die Fotos, die Pierre von dem dunkelroten Wagen auf der Seite leboncoin.fr postete, sahen äußerst vielversprechend aus.

Pierre stand also am vereinbarten Tag mit der blankgeputzten, dunkelroten Quatrelle vor dem Bahnhof von Vichy. Ich hatte den Kaufpreis, 5.000 Euro, in bar in der Tasche und fühlte mich deswegen bei der Zugfahrt nicht sehr wohl. Der Wagen sah tatsächlich wie neu aus, die Chromleisten glänzten im Sonnenlicht. Das elegante Lenkrad aus braunem Bakelit passte zum Kupplungsknauf aus dem gleichen Material.

Ich hatte nur eine Hinfahrkarte gelöst und schon fest zugesagt, den Oldtimer zu kaufen. Trotzdem machte ich natürlich eine Probefahrt. Die Gangschaltung mit drei Gängen, die vorne aus dem Armaturenbrett ragte, war ungewohnt, ich verschaltete mich. Der Wagen rollte aber glatt und mit dem typischen leicht röhrenden Geräusch über die Dorfstraßen. Pierre, ein Junggeselle, der im Haus seiner Mutter wohnte, restauriert alte Autos als Hobby. Dennoch, das gestand er mir nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages, musste er ein paar Tränen verdrücken, da er sich an diesen R4 so gewöhnt hatte und ihn bestimmt vermissen würde. Seine Mutter, früher Revuetänzerin in Vichy, ließ durchblicken, dass sie es gerne sähe, wenn ihr Sohn sich doch besser mal mehr um eine Ehefrau als um seine alten Autos kümmern würde.

Der Kaufvertrag war unterzeichnet, das Geld übergeben, als Pierre sagte, er wolle sichergehen und mich bat, mit ihm in die Poststelle im Haus gegenüber zu gehen. Dort überprüfte die Beamtin die Scheine auf Echtheit und gratulierte mir auch noch zum Kauf. Nun stand die Überführungsfahrt nach Berlin an, runde 1.400 Kilometer. Pierre erklärte mir vorher noch, wie ich das Benzin mit dem Bleiersatz aus der Plastikflasche beim Tanken verdünnen müsse.

Auch der schöne Rücken des französischen R4 kann entzücken. Foto: Dirk Engelhardt

Gelbe Scheinwerfer

Ich nahm mir die Strecke in drei Etappen vor. Die erste Übernachtung war in Metz, die zweite bei Bad Hersfeld. Und der R4 sollte die gesamte Strecke ohne auch nur einen einzigen Aussetzer schaffen! Ein kleines Problem war mein Navi, das ich mitgebracht hatte – es gab keinen Zigarettenanzünder, um es anzuschließen. So musste ich den Großteil der Strecke „oldschool“ mit der guten alten Landkarte navigieren. In Frankreich fuhr ich vorwiegend Landstraßen, die zur Geschwindigkeit des Wagens, der im dritten Gang gut 100 km/h erreichte, besser passten als Autobahnen. Hier fielen auch das schwarze Nummernschild und die gelben Lichter, die der Wagen hatte, nicht auf. Den französischen TÜV hatte der Oldtimer ebenfalls bestanden.

In der Altstadt von Metz war es schwierig, einen Parkplatz zu bekommen. Ich war gerade dabei, in eine Lücke im Parkverbot zu manövrieren, als ein Polizeiwagen neben mir hielt. Ich war schon dabei, innerlich zu fluchen, doch die beiden jungen Polizisten wollten mir nur mitteilen, wie begeistert sie von dem Wagen seien, und fragten, wie alt er sei. Ob ich teilweise im Parkverbot stünde, interessierte sie gar nicht. Solche ähnlichen Situationen sollten mir noch öfters passieren – ein Vorteil dieses schönen Oldtimers! Der zweite Tag brachte mich bis Bad Hersfeld. An einer Abfahrt der A4 nahm ich das erste Hotel, das ich fand, und landete im „Waldschlösschen“. Es lag zwar weder am Wald noch ähnelte es auch nur entfernt einem Schlösschen, dafür blickte man auf den Monte Kali, einen gewaltigen Berg aus Abraum. Auch schön!

In Berlin dann zum TÜV und zur Versicherung. Der TÜV stellt eine ganze Liste zusammen an Dingen, die für die Zulassung in Deutschland modifiziert werden müssten. So sollte eine Warnblinkanlage eingebaut werden, die Scheibenwischer repariert, Bremsen verstärkt, das Abblendlicht vom Fernlicht getrennt und neu eingestellt werden. Zum Glück gibt es eine Fachwerkstatt für alte französische Automobile, die dies in vier Wochen erledigte. Keine billige Angelegenheit – allein der Ausbau des Armaturenbretts, um den Scheibenwischermotor einzubauen, schlug sich mit 250 Euro auf der Rechnung nieder.

„Oldschool“ durch und durch: Ein Navigationsgerät kann hier nicht angeschlossen werden – eine Landkarte muss herhalten. Foto: Dirk Engelhardt

Versicherungspech

Bei der Versicherung hatte ich anfangs kein Glück: Die Versicherung, die mir ein Makler empfahl, teilte mir nach Versicherungsabschluss (!) mit, dass sie keine Oldtimer versichert. Für den ersten Monat berechnete sie trotzdem 80 Euro! Bei der Allianz, bei der ich es dann schaffte, den Wagen zu versichern, waren es im Jahr 340 Euro. Der R4, der die lange Strecke von Frankreich nach Berlin so willig gerollt ist, sollte in den kommenden Monaten oft in der Werkstatt stehen. Erst war es eine neue Batterie, die eingebaut werden musste, dann entdeckte ich morgens unter dem Auto eine Benzinlache – der Tank war undicht und musste ersetzt werden. Die Werkstatt empfahl, den neuen Tank gleich von innen zu isolieren, damit so etwas nicht so schnell wieder passiert. Dann kamen Aussetzer, mit denen die Werkstatt anfänglich überfordert war – auch eine zweimalige Reinigung des Vergasers brachte keine Verbesserung. Also noch eine kostspielige Reparatur der Zündanlage und des Verteilers.

Jetzt, im Moment, läuft alles wie geschmiert. Doch ich merkte schnell: Das Halten einer alten Dame ist mit viel Aufwand und liebevoller Pflege verbunden.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 68, vom 29. Oktober 2022.



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