11 Meter unter der Erde: Befindet sich in Russland eine der ältesten Kirchen der Welt?

Kirche, Wassertank oder Feuertempel - Wissenschaftler sind sich uneins, welchen Zweck das 11 Meter hohe, heute unterirdische Bauwerk erfüllt hat. Kosmische Strahlung ermöglicht einen Blick "hinter die Fassade" des denkmalgeschützten Mysteriums.
Titelbild
Einblick in das vergrabene Gebäude.Foto: NUST MISIS
Epoch Times14. September 2019

Das unbekannte Bauwerk befindet sich im nordwestlichen Teil der Festung Naryn-Kala in Derbent. Sie datiert die Kirche auf etwa 300 nach Christus. Die 11 Meter tiefe, kreuzförmige Struktur ist fast vollständig unter der Erde verborgen. Alles was heute noch aus dem Boden ragt, ist eine halb zerstörte Kuppel.

Da es sich jedoch um ein UNESCO-Kulturerbe handelt, steht das Bauwerk unter Denkmalschutz und darf nicht ausgegraben werden. Stattdessen müssen nicht-invasive Untersuchungsmethoden zur Aufklärung der Frage angewendet werden. Genau dies führte ein Forscherteam durch und präsentierte ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Applied Sciences.

Mit einem himmlischen Phänomen auf Spurensuche

Das Bauwerk könnte nach einer Aussage der MISIS National University of Science and Technology in Russland als Reservoir, christliche Kirche oder zoroastrischer Feuertempel gedient haben.

So entschied sich eine Gruppe von Forschern, ein himmlisches Phänomen namens kosmische Strahlen zu nutzen, um ein Bild von der Struktur zu erhalten. Ein ähnliches Verfahren – sogenannte Myonentomografie – wurde bereits 2017 in der Großen Pyramide von Gizeh angewendet, mit der ein möglicher Hohlraum entdeckt wurde.

Ein erstes Modell des unterirdischen Raumes. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich hierbei um eine Kirche handelt. Foto: NUST MISIS

Doch wie funktioniert diese Methode?

Kosmische Strahlung ist eine Form der energiereichen Strahlung, die von einer unbekannten Quelle außerhalb unseres Sonnensystems kommt. Obwohl die meisten Strahlen in der oberen Atmosphäre unseres Planeten gegen Atome prallen und es nicht bis zum Boden schaffen, werden einige, sogenannte Myonenpartikel, aus dieser Kollision ausgestoßen und treffen auf die Erdoberfläche.

Myonen wandern mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch die Materie. Aber wenn sie durch dichtere Objekte reisen, verlieren sie Energie und verfallen. Durch die Berechnung der Anzahl der Myonen, die durch verschiedene Teile unter der Erde wandern, können Forscher also ein Bild der Dichte eines Objekts zeichnen. Aber damit diese Methode funktioniert, müssen die Struktur und der umgebende Boden laut der Studie mindestens 5 Prozent Dichteunterschied aufweisen.

Die Forscher platzierten Myonendetektoren etwa 10 Meter in der mysteriösen Struktur und nahmen zwei Monate lang Messungen vor. Sie fanden heraus, dass die Struktur und der umgebende Boden genügend Dichteunterschiede aufweisen, sodass sie diese Methode nutzen konnten, um die 3D-Form der Struktur zu bestimmen.

Mehr Fragen als Antworten

Die Forscher halten die Struktur nicht für einen unterirdischen Wassertank, auch wenn viele historische Quellen davon sprechen. Vielmehr könnte es nach der Aussage im 17. und 18. Jahrhundert zur Wasserspeicherung genutzt worden sein.

„Es erscheint mir sehr seltsam, dieses Gebäude als Wassertank zu interpretieren“, sagte Natalia Polukhina, Physikerin an der MISIS National University of Science and Technology, in einer Pressemitteilung. In der gleichen Festung haben Wissenschaftler eine weitere unterirdische Struktur identifiziert, die wirklich ein Tank ist und rechteckig ist, sagte sie.

Außerdem wurde das Bauwerk während des Baus nicht vergraben, sondern an der Oberfläche und auf dem höchsten Punkt der Festung errichtet. „Was nützt es, den Tank an die Oberfläche und sogar auf den höchsten Berg zu stellen?“, fragte sie. „Im Moment gibt es mehr Fragen als Antworten.“

Ein Einblick in die vermutliche Kirche. Foto: NUST MISIS

Ein vollständiges 3D-Bild der „Kiche“ soll Zweck enthüllen

Laut den Wissenschaftlern ging es in dieser Studie nicht darum, eine neue Entdeckung zu machen. Stattdessen wollten sie beweisen, dass sie mittels der Myonentomografie ein Bild von der Struktur erhalten können. Als Nächstes wollen die Forscher eine noch detailliertere Analyse durchführen. Letztlich soll ihnen ein vollständiges 3D-Bild des Gebäudes helfen, seinen Zweck zu verstehen.

„Die Technik ist sehr schön“, sagte Christopher Morris, Mitarbeiter des Los Alamos National Laboratory. Aber „der einzige Zugang [zur Struktur] scheint aus der Leere in der Mitte zu sein.“ Sie können es also nur aus Daten rekonstruieren, die aus einer begrenzten Sichtweise stammen, fügte er hinzu.

„Ich glaube, es ist möglich, die vergrabene Struktur zu rekonstruieren“, wenn die Gruppe mehr Detektoren implementiert und bessere Daten sammelt, sagte Morris gegenüber Live Science. Aber „Ich weiß nicht, ob dies zeigen kann, ob das Gebäude eine Kirche ist.“ (ts)

Die PDF zur Studie finden Sie hier (Englisch): Muon Radiography Method for Non-Invasive Probing an Archaeological Site in the Naryn-Kala Citadel



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