Kriminelle Vereinigung? Klimaaktivisten kleben sich erneut auf Straßen fest – Innenminister planen „Lagebild“

Nach einer Woche Pause wird jetzt die vierte Protestwelle der Klimaaktivisten fortgesetzt. Sie fordern unter anderem ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen in ganz Deutschland. Eine weitere Gruppe macht indes Jagd auf Geländewagen.
Aktivisten der „Letzten Generation“ haben sich am Stachus auf die Straße geklebt.
Beteiligte der „Letzten Generation“ haben sich am Stachus auf die Straße geklebt.Foto: Matthias Balk/dpa
Von 5. Dezember 2022


Aktivisten der „Letzten Generation“ haben sich erneut in München bei einem Klimaprotest auf einer Straße festgeklebt und den Verkehr blockiert. Neun Menschen klebten sich den Angaben eines Polizeisprechers zufolge am Montag am Karlsplatz auf der Fahrbahn fest. Sie trugen Warnwesten und machten mit Plakaten auf ihre Forderungen aufmerksam. Der Verkehr sei umgeleitet worden, die Behinderungen seien aber „moderat“, hieß es.

Nach Angaben der Gruppe befinden sich unter den Protestlern dort auch Personen, die wegen entsprechender Aktionen „bereits einen Monat im Gefängnis saßen“ und „teils zu hohen Geldstrafen verurteilt“ worden seien. Die Polizei ist mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort.

Auch in Berlin haben Klimademonstranten ihre Blockaden fortgesetzt und zum Wochenstart erneut für Behinderungen im Berufsverkehr gesorgt. Zuerst registrierte die Polizei eine Protestaktion vor dem Hauptbahnhof in der Invalidenstraße mit sieben Menschen. Fünf davon hätten sich an der Fahrbahn festgeklebt, sagte eine Polizeisprecherin. Zuvor hatte die „Berliner Morgenpost“ berichtet. Weitere Aktionen folgten an der Wilhelmstraße, Ecke Hallesches Ufer und der Potsdamer Straße, Ecke Varian-Fry-Straße. Dort hatten sich laut Polizei jeweils vier Aktivisten festgeklebt.

Die Berliner Verkehrsinformationszentrale sprach von einer weiteren Protestaktion auf der B1 im Bereich Tiergarten in Höhe Stresemannstraße, die für Stau sorge.

Die „Letzte Generation“ hatte ab dieser Woche weitere und verstärkte Störaktionen angekündigt. Bereits in den vergangenen Wochen hatten Aktivisten etwa Straßen blockiert, Kunstwerke beschädigt und den Flugverkehr am BER-Flughafen in Berlin lahmgelegt. In Bayern kamen einige vorbeugend ins Gefängnis, weil sie weitere Störungen angekündigt hatten. Die Gruppe fordert unter anderem ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen und ein 9-Euro-Bahnticket für ganz Deutschland.

Momentaufnahmen vom Stachus in München:

Berlin: 258 Mal fürs Klima geklebt

Bis Mitte November hat die Berliner Polizei 258 Klebevorgänge der Aktivisten erfasst, berichtet die BZ. Begonnen habe es am 24. Januar auf der Prenzlauer Promenade. Damit habe die Truppe bisher 166.593 Arbeitsstunden der Polizei verschlungen, 32 Strafermittlungsverfahren seien bekannt.

Die vierte Protestwelle soll intensiver ausfallen als die vorherigen. Man will auf den „Adern der Gesellschaft“ für Unterbrechungen sorgen und den Alltag der Berliner stören, so die Ankündigung der Gruppe.

Reul: „Es sind Grenzen überschritten“

Aus Sicht von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) muss der Staat bei den Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ sehr wachsam sein und nach einer eingehenden Prüfung möglicherweise eine härtere Gangart einlegen. „Der Staat kann nicht einfach zugucken und das weiterlaufen lassen“, sagte Reul am Montagmorgen im „Deutschlandfunk“. Bei den Aktionen der „Letzten Generation“ handle es sich nicht mehr um einzelne spontane Taten, sondern es gebe eine bundesweit straffe Organisation.

Unter diesen Aktivisten seien einige Linksextreme, „die sagen, es geht um viel mehr, es geht um die Überwindung des Systems“. Man könne aber nicht alle verdächtigen. „Es sind eine Menge Menschen dabei, die ein normales, gutes Anliegen haben“, die aber „noch nicht ganz begriffen haben, dass es bei uns Regeln gibt, an die man sich halten muss“, sagte Reul. Die Klimabewegung „Fridays for Future“ sei anders. Ihre Anhänger hätten die gesetzlich vorgegebenen Grenzen in der Regel eingehalten. Bei der „Letzten Generation“ hingegen seien Grenzen überschritten.

Kriminelle Vereinigung? Innenminister kündigen Lagebericht an

Die Innenminister von Bund und Ländern haben indes beschlossen, die Strukturen und die Führung der Gruppe bundesweit unter die Lupe zu nehmen. Auf ihrer Herbsttagung am Freitag in München sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) als Sprecher der unionsgeführten Innenressorts, die Aktionen dieser Organisation ließen sich nicht mehr als friedlicher Protest bezeichnen. Vielmehr seien es „politische Erpressungsversuche“.

Geeinigt haben sich die Innenminister laut dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ darauf, dass der Bund zeitnah ein deutschlandweites Lagebild über die Aktionen der radikalen Klimaschützer erstellen soll. Dies sei nötig, weil die Aktivisten „über Ländergrenzen hinweg“ kooperierten, sagte Beuth. Es müsse geklärt werden, ob es sich nicht sogar um eine kriminelle Vereinigung handelt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erläuterte, der Staat dürfe sich „nicht auf der Nase“ herumtanzen lassen.

So sehen es auch Twitter-Nutzer, die der Toleranz der Polizisten kritisch gegenüberstehen. So bemängelt ein User, dass man Menschen verbiete, ein Buch auf einer Parkbank zu lesen, schaffe aber Klimakleber nicht von der Straße, weil das eine Versammlung auf der Fahrbahn sei.

Von Storch rügt „verhätschelte Wohlstandsgören“

Harte Worte für die „Klimaspinner“ fand die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch am Freitag im Parlament.

„Wenn ihr das Klima retten wollt, dann fahrt doch nach China und klebt euch ans Mao-Mausoleum. China hat den größten CO2-Ausstoß der Welt – über 30 Prozent, Deutschland unter zwei. Da könnt ihr euch mal mit einer kommunistischen Diktatur anlegen, ihr verhätschelten Wohlstandsgören. Aber ihr seid nur mutig, wenn ihr es mit der deutschen Kuscheljustiz zu tun habt und mit Gregor Gysi an eurer Seite als Anwalt“, so die aufgebrachte Politikerin am Pult.

Für diese Abrechnung mit den #Klima-Spinnern kassierte @Beatrix_vStorch einen #Ordnungsruf! #Klimaextremismus #Klimaaktivismus #LetzteGeneration #Klimakleber pic.twitter.com/Mkmk8jq3vT

— AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag 🇩🇪 (@AfDimBundestag) December 2, 2022

Jagd auf SUVs

Die Klimaaktivisten sehen vor allem eine Fahrzeuggattung als Klimakiller Nummer 1: die SUVs. Eine Gruppierung namens „Tyre Extinguishers“ macht jetzt Jagd auf die Geländewagen, wobei sie die Luft der Autoreifen ablässt.

Laut „BILD“ wurden allein in Hannover bei acht Geländewagen die Ventile geöffnet. Unter den Betroffenen war auch ein Arzt. „Was wäre denn gewesen, wenn er einen Notfall gehabt hätte?“, zitiert „Bild.de“ einen erbosten Nachbarn. „Mit der Straßenbahn zur Klinik?“ Staatsanwaltschaft und Polizei Hannover stufen die Aktion als Sachbeschädigung ein und ermitteln gegen die Aktivisten.

Im Saarland sei Kultanwalt Christian Kessler mit seinem 26 Jahre alten Chevrolet betroffen. „Ich kann die Aktion nicht nachvollziehen. Das Auto ist Baujahr 1996, hat mehrere 100.000 Kilometer auf dem Buckel und wird noch 30 Jahre halten. Es ist damit nachhaltiger als manches Elektroauto“, wird er zitiert. Der Rechtsanwalt prüft rechtliche Schritte.

Wie „BILD“ berichtet, hat in Saarbrücken allerdings längst der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, da bei den „Tyre Extinguishers“ von politischer Motivation auszugehen ist.

(Mit Material der dpa)



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