Menschenrechtsberichte: Russland, China, Klima

Der eine stammt vom Auswärtigen Amt, der andere wurde vom Bundestag beauftragt: Zwei zeitgleich erschienene Menschenrechtsberichte decken ein breites Spektrum an Menschenrechtsproblemen bei uns und weltweit ab. Warum kommt der Klimawandel auch darin vor?
Menschenrechtsberichte: Pflegeheim
Singen vor dem Fenster: Kontaktbeschränkungen in der Pandemie stellten eine Belastung für ältere Menschen dar. Hier vor dem Pflegeheim Hermann Radtke Haus Berlin im April 2020.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 20. Dezember 2022

Dass die Bewertung von Menschenrechten dem Zeitgeist unterliegt, zeigen zwei aktuelle Beispiele: die Menschenrechtsberichte des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des Auswärtigen Amtes (AA). Beide erschienen zum Menschenrechtstag am 10. Dezember. Beide sind von „Klimawandel“, „Gendergerechtigkeit“ und Feminismus durchdrungen.

Pandemie: Kontaktverbote für Ältere „problematisch“

Doch beide beinhalten auch andere Beispiele. Die Pandemiezeit wird im Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIM) kritisch bewertet. Gerade der Alltag älterer Menschen sei aufgrund der Maßnahmen gegen COVID-19-Infektionen besonders schwierig gewesen. Das sei zwar deswegen passiert, um den Personenkreis mit dem höchsten Ansteckungs- und Sterberisiko zu schützen. Jedoch verdeutlichten eine Vielzahl von Studien, „wie grund- und menschenrechtlich problematisch die Auswirkungen der ergriffenen Corona-Schutzmaßnahmen auf ältere Menschen sind“.

Das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und soziale Kontakte sei für viele ältere Menschen während der Pandemie stark eingeschränkt gewesen. So habe der Deutsche Alterssurvey gezeigt, dass „das Einsamkeitsempfinden der 66- bis 90-Jährigen im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren stark angestiegen ist“.

Ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen hätten „besonders strikten Kontaktverboten“ unterlegen, unter denen demenzkranke Bewohner besonders gelitten hätten. Gleichzeitig seien aber keine Maßnahmen ergriffen worden, die es den Heimbetreibern erleichtert hätten, „weniger einschneidende Maßnahmen als umfassende Zugangsverbote zu verhängen“.

Krise der unabhängigen Medien

Das Außenministerium greift das Thema der Corona-Pandemie unter dem Aspekt der Meinungs- und Pressefreiheit auf. Diese habe in der Pandemie gelitten und die unabhängigen Medien steckten in einer Krise.

Auch seien Maßnahmen der Pandemiebekämpfung „zur Unterbindung unliebsamer Meinungen instrumentalisiert“ worden. Das Auswärtige Amt folgt bei seiner Einschätzung allerdings der Einschätzung der WHO, die von einer „Infodemie“ gesprochen hatte. Im Prinzip drückt die Weltgesundheitsorganisation damit aus: Es gibt zu viele Meinungen, die der Lesart der WHO widersprechen.

Unabhängige Medien und verlässliche Informationen seien wichtig für die „erfolgreiche Eindämmung und Überwindung der Corona-Pandemie“. Daher habe die deutsche Entwicklungszusammenarbeit eine globale Initiative gestartet, mit der die „Widerstandsfähigkeit von lokalen Medien, von Medien-Nichtregierungsorganisationen, und von internationalen Medienentwicklungsnetzwerken“ gestärkt werden. Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf: „Gesundheitsberichterstattung und Aufklärung […], Faktenprüfung, Flankierung der (Krisen-) Kommunikation örtlicher Behörden und Hilfsorganisationen […]“ während einer Krise.

Obwohl festgestellt wird, dass das Vertrauen in traditionelle Medien abgenommen hat, werden Gründe für den Vertrauensverlust jedoch nicht benannt, welche möglicherweise in jener Beschränkung der Perspektive liegen könnten.

Russland: Demonstrationsfreiheit faktisch abgeschafft

In seinem 285-seitigen Bericht bewertet das Auswärtige Amt auch die Menschenrechtssituation in Ländern weltweit. Eine Auswahl an Staaten mit kritischer Menschenrechtslage befindet sich vor allem in Asien, Afrika und Mittelamerika.

Das kriegführende Russland hat nach Einschätzung des AA sein repressives Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger systematisch ausgeweitet. Ziel sei es, die öffentliche und private Sphäre der totalen staatlichen Kontrolle und Propaganda zu unterwerfen und abweichende Meinungen zu unterbinden. Bei einer weitreichenden Internetzensur sind nach offiziellen Angaben 138.000 Websites blockiert worden – darunter auch Twitter und Facebook.

Die letzten regierungsunabhängigen Medien, wie die von Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow herausgegebene Zeitung „Nowaja Gaseta“, mussten ihre Arbeit in Russland einstellen. Die Demonstrationsfreiheit sei faktisch abgeschafft. Im April 2022 hätten alle deutschen politischen Stiftungen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie weitere Nichtregierungsorganisationen (u. a. Amnesty International, Human Rights Watch) ihre Büros in Russland schließen müssen.

China: Justiz als Werkzeug zur Machtdurchsetzung

Auch in China setze sich der Negativtrend fort: Die Einschränkungen für die Zivilgesellschaft würden immer größer, Individualrechte immer weiter eingeschränkt. Das betreffe die Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch die Freiheit der Wissenschaft und der Religionsausübung.

Die ohnehin prekäre Menschenrechtslage in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang und der Autonomen Region Tibet hat sich „verstetigt“. Es gebe Berichte über schwerste Menschenrechtsverletzungen, von Repression, Überwachung und Masseninternierungen. In den Gebieten setze die Kommunistische Partei Chinas Zwangsarbeit und staatliche Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle durch.

Fazit: „Zentrale Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sind in China, trotz einiger Bemühungen in beschränkten Bereichen, weiterhin nicht gewahrt. Die Justiz untersteht der Kontrolle der Partei und wird von dieser als Werkzeug zur Machtdurchsetzung gesehen.“

Der Bericht greift auch die Praxis von erzwungenen Organentnahmen bei Falun-Gong-Anhängern und Uiguren auf. Obwohl Eingriffe dieser Art gesetzlich verboten sind, wird die grausame Praxis fortgesetzt, fand ein Tribunal im Jahr 2020 heraus. Die schon seit Jahren existierenden Vorwürfe werden regelmäßig von der chinesischen Führung zurückgewiesen.

„International engagiert sich China zunehmend mit dem Ziel, sein Menschenrechtsnarrativ zu verbreiten, das das Recht auf Entwicklung (z. B. Armutsbekämpfung) und staatliches Sicherheitsinteresse individuellen Rechten überordnet“, heißt es in dem Bericht.

„Geschlechtsspezifische Dimension des Klimawandels“

Sowohl der „Siebte Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland“ (DIM), als auch der „15. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschen­rechtspolitik“ (Auswärtiges Amt) greifen die „Herausforderungen des Klimawandels für den Schutz der Menschenrechte“ auf. Im Bericht des AA gibt es sogar einen Abschnitt über „Treibhausgase“, in dem das 1,5-Grad-Ziel bekräftigt wird.

Das Haus von Außenministerin Annalena Baerbock, das sich eine „feministische Außenpolitik“ auf die Fahnen geschrieben hat, formuliert: „Indigene Völker, Menschen unterhalb der Armutsgrenze, ältere Menschen, Kinder und Menschen mit Behinderungen sind besonders stark von Klimawandelfolgen betroffen. Das gilt auch für Frauen, Mädchen und nichtbinäre Personen in all ihrer Diversität.“

Diese Gruppen würden häufig mit „sozialen, wirtschaftlichen und politischen Barrieren konfrontiert, die es ihnen zudem erschweren, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen“.

Die Bundesregierung setze sich für die „Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Dimension des Klimawandels“ ein und fördere damit auch die Gleichstellung im Rahmen von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen. Im internationalen Klimaverhandlungsprozess trage Deutschland aktiv zu den Verhandlungen im Bereich Gender und Klimawandel bei.

Der Bericht liefert dazu auch gleich die Begründung: „Gesellschaftlich produzierte Normen und Geschlechterrollen beeinflussen auch die Art und Weise, wie Menschen Natur und Ressourcen nutzen, Zugang zu ihnen erhalten oder auch zu Umweltzerstörung beitragen. […] Die Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Dimension des Klimawandels und eine aktive Partizipation von Frauen sind daher unerlässlich für eine effektive und zugleich menschenrechtsbasierte, geschlechtergerechte Klimapolitik.“

Bekenntnis zum Klimaschutz ist „gut“

Auch für das DIM ist klar: „Die versäumte Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre gefährdet in Deutschland einige Regionen und bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark.“ Der grund- und menschenrechtliche Auftrag sei unmissverständlich und sei durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 bestätigt worden: „Der Staat muss die Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen“, unterstreicht Instituts-Direktorin Rudolf.

Sie erklärt: „Es ist gut, dass sich die Bundesregierung klar zum Klimaschutz bekennt und in der Klima- und Energiepolitik bereits Maßnahmen in die Wege geleitet hat. Doch es braucht mehr und vor allem menschenrechtlich angemessene Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen sowie ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz.“
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