Nach massiven Protesten bleibt es wohl beim Namen „Anne Frank“ für Kita in Tangerhütte

Eltern und Erzieher wollten die Einrichtung in „Weltentdecker“ umbenennen. Die Leitung suchte im Zuge eines Veränderungsprozesses einen kindgerechteren Namen für die Kita. Der Stadtrat lehnt eine Umbenennung einhellig ab.
Die Kindertagesstätte «Anne Frank» in Tangerhütte. Schon länger gehegte Pläne für eine Namensänderung der Kita haben vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges für Kritik gesorgt.
Die Kindertagesstätte „Anne Frank“ in Tangerhütte. Schon länger gehegte Pläne für eine Namensänderung der Kita haben vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges für Kritik gesorgt.Foto: Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa
Von 7. November 2023

Weil der Name Kitakindern schwer zu vermitteln sei und auch das neue Konzept nicht widerspiegele, soll die städtische Kita „Anne Frank“ in Tangerhütte (Sachsen-Anhalt) künftig den Namen „Weltentdecker“ tragen. Nachdem sich das Kuratorium für die Änderung ausgesprochen hatte und die Pläne bekannt wurden, hagelt zum Teil heftige Kritik auf die Kleinstadt im Landkreis Stendal nieder. Darüber berichtet unter anderem die Magdeburger „Volksstimme“.

Eltern und Mitarbeiter für neuen Namen

Der Tageszeitung zufolge kam der Wunsch nach Namensänderungen aus Reihen der Kita-Mitarbeiter und der Eltern. Gegenüber der „Volksstimme“ sprach Kita-Leiterin Linda Schichor von einem seit Sommer laufenden „Veränderungsprozess“. Der Kinderrat der Kita habe einen seiner Ansicht nach kindergerechteren Namen ausgewählt.

Die Geschichte des jüdischen Mädchens Anne Frank (1929–1945), das nur wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges dem Holocaust zum Opfer fiel und im Konzentrationslager Bergen-Belsen ermordet wurde, ist laut Schichor für kleine Kinder nur schwer fassbar.

Eltern mit Migrationshintergrund könnten mit dem Namen auch oftmals nichts anfangen. Daher habe man etwas „ohne politische Hintergründe“ gesucht. Derzeit laufe eine Unterschriftensammlung für den neuen Namen „Weltentdecker“.

Laut Andreas Brohm, dem parteilosen Bürgermeister von Tangerhütte, geht die Namensänderung mit einem neuen Konzept einher. Die in den frühen 1970er-Jahren zu Zeiten der DDR erbaute Kita sei heute offener als früher. Auch fördere sie viel intensiver die Selbstbestimmung und Vielfältigkeit der Mädchen und Jungen. „Der Einrichtung ist es wichtig, diese konzeptionelle Veränderung auch nach außen sichtbar zu machen“, sagt der Rathauschef.

Er sieht angesichts des Krieges in Nahost keine Notwendigkeit, neu über den Namen zu diskutieren: „Wenn Eltern und Mitarbeiter einen Namen möchten, der das neue Konzept besser abbildet, hat das gegenüber der weltpolitischen Lage mehr Gewicht.“ Letztlich müsse aber der Stadtrat entscheiden. Es gebe für die Umbenennung weder einen Zeitplan noch Zeitdruck, betonte Brohm.

Differenziert äußerte sich Wolfgang Schmeiß, Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, zu der geplanten Namensänderung: „Ich verstehe den positiv gemeinten Impuls, aber bedauere, dass dadurch ein Ort wegfällt, der an Anne Frank erinnert.“

Unterstützung für Positionspapier der CDU

Die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrats der Einheitsgemeinde Tangerhütte kündigten am Montag, 6. November 2023, an, die Umbenennung der örtlichen Kita „Anne Frank“ einhellig abzulehnen. „Am Mittwoch wird sich der Stadtrat einstimmig gegen das Ansinnen einer Umbenennung der Kita positionieren“, zitiert die „Welt“ den Stadtratsvorsitzenden Werner Jacob (CDU).

Jacob zufolge unterstützen alle Fraktionsvorsitzenden ein entsprechendes Positionspapier der CDU Tangerhütte. „Die Fraktionen des Stadtrates der Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte fordern den Bürgermeister Herrn Brohm auf, dieser Umbenennung eine klare Absage zu erteilen“, berichtet die „Welt“. Unterzeichner sind die Fraktionen von CDU/FDP, UWGSA, SPD, Die Linke, WG Zukunft, WG Altmark und WG Lüderitz.

Die AfD-Fraktion – bei den Wahlen 2019 zweitstärkste Kraft hinter der CDU – hatte sich bereits ein Jahr später aufgelöst. Offizieller Grund waren Querelen im Kreisverband, wie die „Volksstimme“ seinerzeit berichtete.

Statt Namensänderung Lesung für Unwissende

Vor dem Bekenntnis des Stadtrats zum bestehenden Namen hatte es viel Kritik an den Änderungswünschen gegeben. So zitiert die „Bild“ den Vorsitzenden des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Max Privorozki, mit den Worten: „Ich bin mir nicht sicher, dass gerade jetzt der passende Moment gekommen ist, um den seit mehr als 50 Jahren existierenden Namen der Kita zu ändern.“ Zwar zeigte er Verständnis für Konzeptänderungen und räumte auch ein, dass die Geschichte Anne Franks für kleine Kinder schwer fassbar sei, doch „erzeugt diese Namensänderung gerade jetzt einen unguten Beigeschmack“.

Der Hinweis auf die Eltern mit Migrationshintergrund, die mit dem Namen des jüdischen Mädchens oft nichts anfangen können, sei gerade das beste Argument gegen eine Namensänderung: „Dieses Argument bedeutet, dass die Integration dieser Eltern in deutsche Gesellschaft misslingt“, so Privorozki.

Er hält es für sinnvoller, solche Eltern zu einer Lesung der Tagebücher von Anne Frank einzuladen. „Ich bin mir sicher, dass für solches Vorhaben die Kita, die Stadt Tangerhütte und der Landkreis Stendal einen Fördermitteltopf problemlos finden“, sagte er.

Internationales Auschwitz Komitee verfasst offenen Brief

Bestürzt zeigte sich das Internationale Auschwitz Komitee über den Umbenennungsplan. „Wenn man die eigene Geschichte gerade in diesen Zeiten von neuem Antisemitismus und Rechtsextremismus so leichtfertig abzuräumen bereit ist und der Name von Anne Frank im öffentlichen Raum als ungeeignet wahrgenommen wird, kann einem im Blick auf die Erinnerungskultur in unserem Lande nur Angst und Bange werden“, so Vizepräsident Christoph Heubner. Der „Mitteldeutsche Rundfunk“ (MDR) berichtete über den Inhalt eines offenen Briefs des Komitees an die Stadt Tangerhütte.

Der Bundestagsabgeordnete Martin Sichert (AfD) schrieb auf Instagram: „Unser Land ändert sich mit der ungesteuerten Migration immer schneller, und mit der Demographie ändern sich auch kulturelle Werte, die wir bislang für unumstößlich gehalten haben.“ Es sei „völlig egal“, ob Eltern mit Migrationshintergrund etwas mit Anne Frank anfangen könnten oder nicht. „Es ist unser Land und hier gilt unsere Kultur, auch die Erinnerungskultur!“, betonte Sichert.



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