Wer darf den Intimbereich berühren? – Kita fragt bei Kindern nach
Erst kürzlich geriet eine AWO-Kita in Hannover in die Schlagzeilen. Grund war ein 10-Punkte-Plan zu „Doktorspielen“, wie Epoch Times berichtete. Doch auch andere Kitas haben ähnliche Konzepte, beispielsweise die von der Caritas betriebene Kita „Sonnenblume“ in Burscheid, einer Kleinstadt im Rheinisch-Bergischen Kreis in Nordrhein-Westfalen.
Die Einrichtung war im März 2023 wegen Missbrauchsverdachts in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Zwei Mitarbeiterinnen wurden daraufhin von der Arbeit freigestellt. Epoch Times nahm das Konzept der Kita unter die Lupe.
Ähnlich wie bei der Kita in Hannover findet man auch in der Kita „Sonnenblume“ konkrete Regeln für die Doktorspiele. Das sexualpädagogische Konzept beinhaltet darüber hinaus jedoch noch eine brisante Tabelle. Darin soll ein Kind darüber Auskunft geben, welche Person es wo berühren darf, beispielsweise Hände schütteln, küssen, schmusen und kitzeln. Doch es gibt auch die Formulierung „Penis/Scheide berühren“. Neben Familienmitgliedern findet man eine Spalte für Erzieher und Freunde. Auffällig ist, dass in der Antwortspalte die Formulierung „keiner“ fehlt.
Epoch Times wollte vom Ministerium und Landesjugendamt wissen, inwieweit diese das Konzept bewerten und ob darin eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu sehen sei. Im Fall der AWO-Kita hat das zuständige Landesamt laut Kultusministerium Niedersachsen den weiteren Betrieb von einer Überarbeitung des Konzepts abhängig gemacht, wie Epoch Times berichtete.
Während eine Antwort des Familienministeriums in Nordrhein-Westfalen auch fünf Tage nach der Anfrage noch aussteht, liegt eine Stellungnahme des LVR-Landesjugendamtes Rheinland vor. Dort kann man am Konzept der Kita Sonnenblume nichts Verwerfliches erkennen.
Sowohl das sexualpädagogische Konzept als auch das Schutzkonzept sei unter Einbeziehung von Experten erstellt worden, beispielsweise vom Kinderschutzbund. Auch Eltern würden durch die Kita entsprechend eingebunden und informiert.
„Das Konzept wird als den fachlichen und gesetzlichen Standards entsprechend beurteilt“, erklärte Pressesprecher Mathis Beste.
Die Kita in Burscheid habe das Konzept zum Schutz vor Gewalt im Rahmen eines Verfahrens zur Betriebserlaubnis im Dezember eingereicht. Zum damaligen Zeitpunkt beinhaltete dies auch Ausführungen zum Thema „sexuelle Bildung“.
Im Laufe des Jahres 2023 habe die Einrichtung sodann verschiedene Aspekte in separate Konzepte ausdifferenziert und weiterentwickelt – wie das sexualpädagogische Konzept, das im Juli 2023 aktualisiert wurde. Auch dies sei überprüft worden.
Aussagen zur körperlichen und sexuellen Entwicklung als Pflichtangabe
„Alle Kitas in Deutschland müssen über ein pädagogisches Konzept für die Einrichtung sowie über ein Konzept zum Schutz vor Gewalt verfügen. Beide Konzepte sollten Aussagen zur körperlichen und sexuellen Entwicklung, zur Partizipation, zu Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie zu Beschwerdemöglichkeiten, Prävention und Rechten von Kindern treffen“, heißt es in der Antwort des Jugendamtes.
Doch was passiert, wenn ein Kind in der vorliegenden Tabelle ankreuzt, dass es von den Erziehern an den Genitalien berührt werden möchte?
Sollte ein Kind den Wunsch nach einer unangemessenen Berührung durch Erzieher*innen äußern, ist dies von den Erzieher*innen im Sinne der Wahrung des Kinderschutzes selbstverständlich abzulehnen“, so die gendergerechte Antwort des Pressesprechers.
BzGA-Broschüre zur Frühsexualisierung
„Ein ganz natürlicher Umgang mit der kindlichen Sexualität seitens der Erwachsenen ist für die weitere Entwicklung sehr wichtig“, erklärt der Pressesprecher weiter unter Verweis auf die 29-seitige Broschüre „Liebevoll begleiten… Körperwahrnehmungen und körperliche Neugier kleiner Kinder“, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) als Empfehlung für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr herausgegeben wurde. Darin heißt es:
„Viele Eltern und Erzieherinnen haben das schon beobachtet: Die Tür zum Kinderzimmer oder Ruheraum geht zu und es ist eine Zeitlang auffällig ruhig. Erwachsene dürfen das ruhig erlauben, denn beim Doktorspielen wollen und brauchen Kinder keine Zuschauer!“
Wenn Kinder sich oft genug gegenseitig „untersucht, eingecremt, abgehört, betrachtet oder angefasst und dabei alle Körperregionen kennengelernt [haben], rücken meist wieder andere Spiele in den Vordergrund – die Doktorspiele verlieren ihre Faszination“. Eingreifen sollten Erwachsene laut BzGA nur dann, wenn sie mitbekommen, dass ein älteres Kind ein jüngeres zum Spiel überredet, ausnutzt oder ein Kind gegen seinen Willen mitspielt.
Sexualität als menschliches Grundbedürfnis
„Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis“, heißt es entsprechend in dem Konzept der Kita Sonnenblume. „Im Kindergartenalter ist davon auszugehen, dass Kinder keine Schamgrenze besitzen. Je jünger die Kinder sind, umso mehr werden Sinneswahrnehmungen des ganzen Körpers als lustvoll empfunden.“
Jedes Kind habe seine eigene Entwicklung. Dabei sei ein natürlicher Umgang mit der „kindlichen Sexualität“ seitens der Erwachsenen für die weitere Entwicklung sehr wichtig.
Die Entwicklung des Schamgefühls sei ein normaler Schritt in der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung. Das Kind lerne dadurch, sich körperlich abzugrenzen und schaffe sich Privatsphäre, mit der es sich letztlich auch gegen sexuelle Übergriffe wappnet. „Es lernt, dass sein Körper nur ihm gehört“. Dabei werde auf das Schamgefühl der Kinder Rücksicht genommen. So bestimme es beispielsweise, ob die Toilettentür offen bleibt oder nicht und wer es wickelt.
„Über das Schamgefühl hinaus berücksichtigen wir die Intimsphäre Ihres Kindes und unterstützen es in der Selbstbestimmung über seinen Körper, wie z.B. bei Doktorspielen“, ist auf Seite 18 des pädagogischen Konzepts zu lesen.
Regeln für Doktorspiele
Wie aus Seite 21 ersichtlich sind, gelten für „Doktorspiele“ in der Kita „Sonnenblume“ feste Regeln:
- Kinder spielen Doktorspiele möglichst mit gleichaltrigen/gleich entwickelten Kindern.
- Der Altersabstand zwischen den beteiligten Kindern sollte nicht größer als ein bis maximal zwei Jahre sein.
- Jedes Kind entscheidet selbst darüber, ob und mit wem es seinen Körper erkunden will.
- Das Spiel findet mit wechselnden Rollen (Rolle Arzt/Rolle Patient) statt.
- Die Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen sich nur so viel, wie es für sie selbst und die anderen Kinder angenehm ist.
- Jederzeit darf ein Kind mit dem Spiel aufhören und die Situation verlassen.
- Kein Spiel wird gegen den Willen eines Kindes gespielt.
- Ein Kind sagt NEIN, wenn es eine Berührung nicht mehr will und es gibt eine Pause im Spiel.
- Kein Kind tut dem anderen Kind weh.
- Gegenstände nicht in Körperöffnungen stecken (Nase, Ohren, Mund, Scheide, Po) oder Körperteile ablecken.
- Wenn ein Kind aus irgendeinem Grund ein Spiel doof findet, darf es das allen erzählen.
„Es kann passieren, dass wir unbewusst in ein solches Doktorspiel hineinplatzten. Dann kann es sein, dass Kinder sich ertappt fühlen und Erwachsene verunsichert reagieren“, heißt es weiter in dem Kita-Konzept. Dann solle man entspannt mit der Situation umgehen und nicht schimpfen. „Kinder könnten die Sexualität als etwas Negatives empfinden.“
Der Wunsch der Kinder nach Intimität sei zu respektieren, da solche Spiele zu einer völlig normalen kindlichen Entwicklung gehören. „Wichtig ist, dass beide Kinder sich beim Spiel wohlfühlen“, so die Regelung im Konzept.
Aktuell sieht das LVR-Landesjugendamt Rheinland keinen Handlungsbedarf gegen die Kita-Leitung. Eine Gefährdung des Kindeswohls könne nicht abgeleitet werden. „Das Konzept wird als den fachlichen und gesetzlichen Standards entsprechend beurteilt.“
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