Wie eine Gärtnerin die Tomatenvielfalt retten will
Sie heißen „Dreikäsehoch“ oder „Königin der Nacht“, kommen aus Sibirien oder Peru und tragen Früchte, die winzig wie Murmeln oder gigantisch wie Bälle sind: In Birgit Arndts Garten am Stadtrand von Hamm wachsen rund 100 Tomatensorten, von denen kaum eine der anderen gleicht.
Dabei repräsentieren die nun im August schwer tragenden Pflanzen nur einen Teil des großen Schatzes, den Arndt zusammengetragen hat: Ihr Samenarchiv umfasst fast 1.100 Sorten. Mit ihrem Bemühen, alte und seltene Sorten zu erhalten, ist sie Teil einer wachsenden Bewegung, die die ursprüngliche Vielfalt an Nutzpflanzen bewahren möchte.
Manche werden bis zu einem Kilo schwer
Wenn Arndt durch ihren mannshohen Tomatenwald streift, gerät sie ins Schwärmen: „Manche können bis zu einem Kilo schwer werden“, sagt sie und präsentiert einige prachtvolle Exemplare. Sie zeigt Tomaten mit haariger Haut wie ein Pfirsich und eine knubbelige Variante, die sogenannte Reisetomate, von der sich mundgerechte Stücke abbrechen lassen. „Das ist eine Vielfalt, die finde ich im Supermarkt nicht. Da bin ich beschränkt auf, wenn’s hochkommt, zehn Sorten. Und alle schmecken ziemlich ähnlich.“
In Arndts Garten bekommen auch Sorten eine Chance, die nicht den Standards von Industrie und Handel genügen. Ihre Lieblingssorte „Schneewittchen“ zum Beispiel würde man in einem Supermarkt wohl nie finden, erzählt sie. „Sie platzt gerne auf, weil sie so eine dünne Haut hat.“ Transport- oder lagerfähig ist sie daher nicht – schmeckt aber intensiv süß und würzig zugleich.
Supermarkttomaten müssen länger haltbar bleiben
Gleichförmig müssen die Früchte für den Handel sein, wie Arndt erklärt, und mit fester Schale – das ist wichtig für Transport und Verarbeitung. „Eine Supermarkttomate kann ich heute bis zu drei Wochen problemlos irgendwo hinlegen, eine von den alten Sorten geht nach drei bis sieben Tagen kaputt.“
Außerdem dominieren inzwischen sogenannte F1-Hybriden den Saatgutmarkt für Gemüse: Hochleistungssaatgut, dessen Ertrag aber schon in der zweiten Generation nachlässt. „Einweg-Saatgut“ nennt das der Dachverband für Kultur- und Nutzpflanzenvielfalt daher auch kritisch. Eine Handvoll Konzerne vermarkte einen Großteil des weltweiten Saatguts.
Immer mehr Menschen machen mit
Doch es gibt eine Gegenbewegung: Immer mehr Menschen setzten sich in Saatgut-Erhaltungsnetzwerken oder dem heimischen Garten für die Rettung bedrohter Obst-, Getreide- oder Gemüsesorten ein, sagt Susanne Gura aus dem Vorstand des Dachverbands. Motivation seien gesellschaftliche, politische oder ökologische Beweggründe.
Die Monokulturen der Agrarindustrie, der immense Pestizid-Einsatz, ausgelaugte Böden: Wer diese Entwicklungen der modernen Landwirtschaft zurückdrängen wolle, brauche die volle Vielfalt alter Sorten, sagt Gura. „Sie sind ein Riesenfundus, um damit weiterzuzüchten.“ Privates Engagement bilde dafür ein wichtiges Fundament.
„Die Sorten sind vom Aussterben bedroht und einer muss es machen. Wir machen es halt“, sagt Arndt. Begeistert von der Qualität alter Sorten sind nicht nur die Arndts selbst, sondern auch Abnehmer von ihnen gezogener Samen. „Wir kriegen ganz oft Briefe, dass die Tomaten endlich wieder so schmecken, wie man es aus der Kindheit kennt.“ (dpa/red)
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