Giftig für Mensch und Tiere: Einsatz von Chlormequat erhitzt die Gemüter

Was in Europa längst gang und gäbe ist, hat in Amerika eine heftige Diskussion entfacht. Das toxische Pflanzenschutzmittel Chlormequat kann zukünftig bei einigen Getreidesorten eingebracht werden. Kritiker befürchten weitreichende gesundheitliche Schäden, vor allem bei Kindern.
Der Einsatz von Pestiziden wie Chlormequat im Getreidefeld stößt nicht überall auf Zuspruch.
Der Einsatz von Pestiziden im Getreidefeld stößt nicht überall auf Zuspruch.Foto: iStock
Von 10. Juni 2023

Die US-Umweltschutzbehörde EPA, eine als unabhängige Behörde der Regierung bezeichnete Institution, die auch zum Schutz der menschlichen Gesundheit dienen soll, ist im Mai in Kritik geraten. Grund hierfür ist ein Vorstoß, wonach Lebensmittel in den USA verkauft werden dürfen, selbst wenn sie Spuren des Pestizids Chlormequat aufweisen. Zulässig ist die Anwendung des Pflanzenschutzmittels beim Anbau von Weizen, Gerste, Hafer und Triticale (einer Kreuzung von Roggen und Weizen), wie „NaturalNews“ berichtete.

Dem Bericht zufolge stand die EPA unter großem Druck der Pestizidhersteller. Die neue Vorschrift sei erlassen worden, nachdem Taminco US LLC, eine Tochtergesellschaft der Eastman Chemical Company, die chlormequathaltige Pestizide herstellt, einen entsprechenden Antrag eingereicht hatte.

Chlormequatchlorid, kurz CCC genannt, ist ein Wachstumshemmer, der bei Getreide für Stabilität und Erntesegen sorgen soll. Wie Studien zeigen, hemmt die Chemikalie aber nicht nur das Pflanzenwachstum. Für Vögel, Säugetiere und Menschen stellt die giftige Substanz eine Gefahr dar.

Beeinträchtigung von Wachstum und Fortpflanzung

Frühere Versuche mit Mäusen, Ratten und Schweinen haben erwiesen, dass sich CCC schädlich auf die Fortpflanzung auswirkt. Darauf hatte das Zentrum für die Sicherheit von Lebensmitteln (CFS) schon im November 2021 hingewiesen.

So ergab eine Studie aus dem Jahr 2020, dass CCC das embryonale Wachstum von Ratten beeinflusst. Trächtigen Ratten wurde oral eine Dosis von fünf mg/kg Körpergewicht verabreicht. Bei den Rattenbabys konnte sieben Tage nach der Geburt eine erhöhte Kopflänge, verringerter Körperfettanteil sowie Unterzuckerung, Störung des Fettstoffwechsels und ein hoher Gehalt von Proteinen im Blutplasma festgestellt werden. Dazu schrieben die Forscher:

„Die Exposition gegenüber CCC während der Schwangerschaft stört, wahrscheinlich durch die Beeinträchtigung der Wachstumsregulatoren, das embryonale Wachstum und hat darüber hinaus sogar Effekte auf die Gesundheit der Neugeborenen.“

Dies war jedoch keineswegs die erste Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen von CCC. Bereits 2006 untersuchten Forscher im Rahmen eines Experiments, wie der Stoff auf Schweine wirkt. Dabei wurden sieben von 21 Sauen nach einer 30-tägigen Behandlung mit Chlormequat nicht brünstig und blieben unverpaart. In der Kontrollgruppe konnten alle 22 Sauen gedeckt werden.

Und sogar noch eher, 1999, zeigte sich in einer Studie eine geringere Befruchtungs- und Zellteilungsrate in den Spermien von Mäusen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass CCC den Reifungsprozess der Spermien in den Nebenhoden stört.

Wie aus Dokumenten der US-Regierung zudem hervorgeht, wurde CCC bereits 1998 in die Liste der „extrem gefährlichen Stoffe“ aufgenommen. Die CFS forderte damals, dass die amerikanische Umweltbehörde sicherstellt, dass die vorgeschlagenen Toleranzwerte für Rückstände keinen Schaden für Menschen verursachen, insbesondere bei Säuglingen und Kindern.

Pestizidrückstände in Lebensmitteln und Grundwasser befürchtet

Dass nun ausgerechnet eine Behörde, die sich für den Schutz der menschlichen Gesundheit einsetzen soll, den Einsatz eines derartigen Gifts freigibt, stößt nicht nur in den USA auf Kritik.

Dr. Phil Landrigan, Professor für öffentliche Gesundheit und Epidemiologe am Boston College, warf der EPA vor, ihrer „gesetzlichen Pflicht, Säuglinge und Kinder vor den toxischen Auswirkungen von Pestiziden zu schützen“, nicht nachzukommen. Die Behörde nehme ihre Verantwortung für die Bürger nicht ernst, so der Professor. Durch den Einsatz von Chlormequat würden sich Pestizidrückstände in den Lebensmitteln häufen und zudem das Grundwasser verunreinigen.

Nach Schätzung der US-Behörde für Lebensmittelsicherheit CFS wird die Zulassung von Chlormequat einen um das 28.000-Fache erhöhten Einsatz in der gesamten amerikanischen Lebensmittelversorgung nach sich ziehen.

Petition gegen CCC-Einsatz in den USA

Die von Bürgern finanzierte Forschungsgruppe für öffentliches Interesse (PIRG) hat eine Petition gegen den CCC-Einsatz auf den Weg gebracht.

Etwas stärkere Stängel sind es nicht wert, unsere Gesundheit zu riskieren“, heißt es zur Begründung von der Organisation.

„Denken Sie nur an alles in Ihrer Speisekammer, das aus Getreide besteht. Von den Haferflocken oder dem Müsli, das Sie zum Frühstück essen, über das Brot in Ihrem Sandwich zur Mittagszeit bis hin zu den Nudeln, die Sie zum Abendessen kochen könnten. All dies könnte bald Spuren von Chlormequat enthalten, es sei denn, die EPA räumt der Gesundheit Priorität ein.“

Das Netzwerk hofft, dass die EPA ihre Entscheidung rückgängig macht.

CCC auch in Europa

Aber auch in Europa ist Chlormequat nicht unbekannt. Laut einem Dokument der Europäischen Kommission wurde CCC im Dezember 2000 in einer gemeinsamen Initiative der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission bewertet.

Darin heißt es: „Das Aerosol reizt die Augen leicht. Die Substanz kann Wirkungen auf das Nervensystem und cholinerge Symptome verursachen, ohne dass die Acetylcholinesterase gehemmt wird. Siehe Hinweise.“ Im Rahmen des Arbeitsschutzes gelte es, Schutzbekleidung zu tragen.

„Der Stoff ist schädlich für Wasserorganismen. Vermeiden Sie die Freisetzung in die Umwelt unter anderen Umständen als bei normalem Gebrauch“, ist weiter zu lesen.

Innerhalb der EU sind die Pflanzenbehandlungsmittel Chlormequat und Mepiquat in allen Mitgliedstaaten für den Anbau sämtlicher Getreidearten zugelassen. Bei Bio-Getreide ist der Einsatz jedoch ebenso tabu wie beim Obst- und Gemüseanbau.

Deutsche Brötchen mit CCC-Rückständen

„Öko-Test“ hat im Januar 2023 19 Aufbackbrötchen, darunter fünf von Bio-Qualität, unter die Lupe genommen. Mit dabei waren einfache Weizen-, aber auch Krusten- und Steinofenbrötchen „von Lidl, Aldi und Co“, wobei die anderen Märkte nicht näher aufgeführt wurden.

„Es gab kein konventionelles Brötchen im Test, in dem das Labor nicht mindestens Spuren eines Spritzgifts fand. Alle Produkte enthielten den Wachstumsregulator Chlormequat […] Immerhin: Das umstrittene Spritzgift Glyphosat hat das beauftragte Labor in keinem Brötchen nachgewiesen“, so die Tester. Nur die Bio-Produkte seien „frei von Spritzgiftspuren“ gewesen.

Laut EU sollen im Rahmen des Monitoringprogramms für die Jahre 2024 bis 2026 jährlich zehn Lebensmittel pflanzlichen und zwei tierischen Ursprungs auf Pestizidrückstände untersucht werden. Dabei geht es nicht nur um Lebensmittel aus konventionellem Anbau, sondern auch um Bio-Produkte und Babynahrung.

Toleranzgrenze für Hafer fünfmal höher als bei Gerste

Neue EU-Parameter für tierische Lebensmittel gibt es neben den Wachstumshemmern Chlormequat und Mepiquat außerdem für Kupfer. Wie aus den Richtlinien, erschienen im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. September 2019, hervorgeht, weichen die bei Getreide zulässigen Toleranzgrenzen für Chlormequat stark voneinander ab. Während die Höchstwerte bei Gerste, Weizen und Roggen mit drei, sieben beziehungsweise acht mg/kg angegeben sind, liegt die Toleranzgrenze bei Hafer bei 15 mg/kg.

Die Environmental Working Group (EWG) setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die Agrarindustrie weltweit weniger Pestizide und Agrarchemikalien einsetzt und diese in der Lebensmittelversorgung einschränkt – insbesondere bei Chemikalien wie CCC, die ihren Weg in unsere Lebensmittel finden.

„Bis dahin empfehlen wir den Verbrauchern dringend, ihre Exposition von Chlormequat durch den Kauf von Bio-Hafer und Produkte auf Haferbasis zu minimieren“, heißt es von der Organisation.



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