Hohes Alter allein macht Covid-19 nicht lebensgefährlich – doch Isolation kann bis zum Tod führen

Titelbild
Eine ältere Dame in einem Bus.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times28. April 2020

Seit Beginn der Corona-Pandemie heißt es: Das neue Virus bedroht vor allem alte Menschen. Statistisch ist diese Warnung gut belegt. Doch welche Konsequenzen sich daraus für die ältere Generation ergeben, ist umstritten. Ein Überblick:

DIE GEFAHR WÄCHST MIT DEM ALTER

„Das Risiko, schwer zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter, beginnend ab etwa 40 Jahren“, erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und stuft Menschen über 60 Jahren – neben chronisch Kranken – als Risikogruppe ein. Die seit Beginn der Pandemie erhobenen Daten stützen diese Einschätzung.

Laut einer Studie, die Ende März in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschien, lag die Sterblichkeitsrate bei chinesischen Patienten in der Altersgruppe 60 bis 69 Jahren bei vier Prozent – im Vergleich zu 1,4 Prozent bei der Gesamtheit der Patienten. Bei den 70- bis 79-Jährigen stieg die Sterblichkeit auf 8,6 Prozent, bei den Erkrankten über 80 Jahren auf 13,4 Prozent.

Auch der Anteil der Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, nimmt laut der Studie mit dem Alter stark zu. Sind es bei Menschen zwischen 40 und 49 Jahren etwa vier von hundert, steigt der Anteil bei den über 80-Jährigen auf 18,4 Prozent.

Besonders hoch ist die Sterblichkeit in vielen Ländern in Altersheimen mit pflegebedürftigen Senioren. Die deutsche Stiftung Patientenschutz fordert daher, jeder Heimbewohner müsse „sofort getestet werden, sobald sich Grippesymptome zeigen“.

GENAUE RISIKOFAKTOREN UNKLAR

Die Anzahl der Lebensjahre allein ist aber nicht entscheidend für das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Einige gesundheitliche Probleme treten zwar mit zunehmendem Alter häufiger auf, wie die Nationale Akademie für Medizin in Frankreich erklärt. Entscheidend sei jedoch das biologische Alter. Eine sportliche 90-Jährige ist weniger gefährdet als jemand mit 70 Jahren im Pflegeheim.

Dass vieles an der neuen Krankheit noch unbekannt ist, macht es schwierig, Risikogruppen genau zu definieren. „Es ist im Moment sehr schwer vorauszusagen, welche Patienten schwere Verläufe haben“, sagt die Infektiologin Florence Ader.

Herz- und Lungenkrankheiten, Diabetes, Fettleibigkeit, aber auch die Ernährung sowie die psychische und geistige Verfassung spielten generell bei der Krankheitsanfälligkeit von älteren Menschen eine Rolle, sagt Olivier Guérin, Präsident der französischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie. Welche dieser Faktoren jedoch entscheidend für die Reaktion auf das Virus sind, sei im Moment noch unklar.

AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN GEFÄHRDEN ÄLTERE

In manchen Ländern wird diskutiert, ob es längerfristig Ausgangsbeschränkungen für ältere Menschen geben soll. Die Isolierung soll diese besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe vor einer Ansteckung schützen, birgt aber auch Gefahren. „Wir können das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Ausgangsbeschränkungen nicht wissenschaftlich bestimmen“, sagt der Altersmediziner Guérin. „Aber es wird immer klarer, dass es nicht so günstig ist.“

Die psychische Belastung durch die Isolation könne insbesondere bei alten Menschen in Pflegeheimen bis zum Tod führen, warnen Ärzte. Der erzwungene Bewegungsmangel lässt die Muskeln schrumpfen und beschleunigt so den körperlichen Verfall. Der fehlende Kontakt zu Familie und Freunden befördert den geistigen Abbau.

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie warnt daher, Maßnahmen zum Schutz von Seniorenheim-Bewohnern dürften „nicht in der Isolation enden“. Damit Heimbewohner bei an sich sinnvollen Besuchsverboten nicht völlig den Kontakt zur Außenwelt verlieren, sollten ihnen Alternativkontakte etwa in Form von Videoschalten, Live-Chats oder dem Besuch vorm Fenster im Erdgeschoss einer Pflegeeinrichtung ermöglicht werden.

Guérin verweist überdies auf die Gefahr, dass ältere Menschen wegen der Pandemie aus Angst vor Ansteckung gar nicht mehr zum Arzt gehen. Dies sei „ein gewichtiges Argument“ dafür, Ausgangsbeschränkungen für diese Bevölkerungsgruppe zu lockern, sagt der Fachmann Guérin. „Sonst sterben die Älteren an etwas anderem.“ (afp)



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