Mehr Schmerzmittel, Betäubungen und Kaiserschnitte: Hebammenverband kritisiert Kreißsaalverbote für Väter
Schwangere sind in Panik, Hebammen besorgt, Ärzte nüchtern, Bindungsforscher entspannt: Die an manchen Kliniken wegen der Corona-Pandemie verhängten Kreißsaalverbote für werdende Väter sorgen für Zündstoff.
Vor allem in den Geburtsvorbereitungskursen für werdende Mütter gibt es vielerorts kaum ein brennenderes Thema als die aktuellen Regelungen der umliegenden Kliniken. Nicht nur Erstgebärende können sich oftmals kaum vorstellen, ohne eine vertraute Bezugsperson diese herausfordernden Stunden zu meistern.
„Ich habe eine Frau betreut, die erst eine Fehlgeburt und dann eine komplizierte Totgeburt hatte“, schildert etwa Hebamme Swantje Vogt von der Hebammenpraxis Sonnenstrahl aus dem oberbayerischen Miesbach. „Für sie war völlig klar: Dieses Kind kommt nicht ohne seinen Vater. Für sie war es in keinster Weise vorstellbar, ohne ihren Mann da durchzugehen.“ Zumal in Kreißsälen bei weitem nicht immer eine Hebamme anwesend sei.
„Da macht sich die prekäre Personalsituation ganz deutlich bemerkbar“, betont Andrea Ramsell, Präsidiumsmitglied im Deutschen Hebammenverband. „Wir haben keine standardmäßige 1:1-Betreuung. Wir haben oft die Situation, dass eine Hebamme drei, vier Frauen gleichzeitig betreut. Die Frauen sind dann ohne Begleitung allein im Kreißsaal, das ist eine Zumutung.“
In wie vielen Kliniken deutschlandweit aktuell ein Kreißsaalverbot für Begleitpersonen gilt, ist nicht erfasst. „Das sind individuelle Regelungen, die das Krankenhaus vor Ort entscheidet“, erläutert ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Es gebe auch Fälle, in denen ein ursprünglich verhängtes Verbot wieder aufgehoben worden sei, weil sich das Infektionsgeschehen in der Region verändert habe – oder weil endlich neue Schutzausrüstung eingetroffen sei.
So zeigen sich etwa diejenigen Kliniken in Bayern, die zunächst die Begleitung verweigert hatten, inzwischen wieder kulant. In anderen Häusern, etwa der Frankfurter Uniklinik, müssen Väter allerdings weiter draußen bleiben. Noch mehr Krankenhäuser handhaben es wie das Klinikum Nürnberg: Dort dürfen die Väter zwar – sofern symptomlos und in Schutzkleidung gewandet – bei der Geburt anwesend sein, ihre Familie aber danach nicht auf der Wöchnerinnenstation besuchen.
Denn jeder, der ein Krankenhaus betritt, kann das Virus einschleppen. Und damit nicht nur Patienten, sondern auch das medizinische Personal infizieren – das den Erreger Sars-CoV-2 dann weiterverbreitet. Deshalb gilt derzeit in vielen Bundesländern ein Besuchsverbot in Krankenhäusern, das allerdings teils explizit Ausnahmen für Sterbende und werdende Mütter enthält. Wenn eine Klinik dennoch die Väter – nur selten wählen die Schwangeren eine andere Bezugsperson – ausschließt, ist das trotzdem rechtens und vom Hausrecht gedeckt, wie das Verwaltungsgericht Leipzig urteilte.
Das löst vehemente Kritik des Deutschen Hebammenverbands aus. „Für eine Geburt sind Sicherheit, Vertrauen und Nähe wichtig. Sobald einer dieser Pfeiler wegfällt, führt das zu einer Verunsicherung“ erläutert Ramsell. „Dann setzen Sie eine Kaskade aus Angst und Anspannung in Gang und damit einen Geburtsverlauf, der nicht optimal ist.“ Die Folge: mehr Schmerzmittelgaben, mehr Betäubungen, mehr Kaiserschnitte.
Viele Paare entscheiden sich deshalb kurzerhand um und bringen ihr Kind in einer Klinik zur Welt, in der der Vater dabei sein darf – was die dortigen Geburtsabteilungen in die Bredouille bringt. Hausgeburten und Geburtshäuser sind in der Regel keine kurzfristigen Alternativen, weil die Hebammen dort meist über Monate hinweg ausgelastet sind.
Fachverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe befürworten es auch in der aktuellen Pandemie, wenn der – nicht erkrankte – Vater bei der Geburt als psychische Stütze dient. Allerdings gibt es unter Medizinern auch viel Verständnis, wenn Kliniken dies aus Gründen des Infektionsschutzes verweigern. Unter der Hand verweist so mancher Arzt darauf, dass frühere Generationen von Frauen ihre Kinder auch ohne ihre Männer bekommen hätten.
Immerhin müssen Betroffene keine Angst haben, dass das Verhältnis des Vaters zum Kind dauerhaften Schaden nimmt. „Es ist schade, wenn Väter keine Möglichkeit haben, den Erstkontakt mit dem Kind zu realisieren – wir wissen, dass über den Hautkontakt, den Blick auf das Kind auch beim Vater das Fürsorgeverhalten biologisch direkt angetriggert wird“, erklärt Bindungsforscherin Lieselotte Ahnert. „Doch die Auswirkungen für die Partnerschaft und die Eltern-Kind-Beziehung sind kurzzeitig und relativ schnell reparierbar.“ (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion