Mikroplastik erstmals in menschlichem Blut nachgewiesen – Gesundheitsrisiko unbekannt

Forscher aus den Niederlanden haben erstmals Mikroplastik in menschlichem Blut nachgewiesen. Inwieweit dieses zu gesundheitlichen Problemen führen kann, kann derzeit nicht gesagt werden.
Gesundheitsschädliches Mikroplastik
Eine Nahaufnahme von Mikroplastik.Foto: iStock
Von 10. April 2022

Eine Forschergruppe um Heather A. Leslie aus den Niederlanden hat im Rahmen ihrer Studie erstmals Mikroplastik in menschlichem Blut nachgewiesen. Leslie und ihre Kollegen untersuchten hierfür das Blut der Studienteilnehmer auf das Vorhandensein der fünf am häufigsten in der Industrie verwendeten Plastikarten sowie deren Größe und Konzentration. Besonders negativ stach dabei der Kunststoff PET heraus. Die Studie erschien am 24 März 2022 im Fachjournal „Environment International“.

Dass der Mensch schon länger der Existenz von Plastikpartikeln ausgesetzt ist, zeigten bereits frühere Studien. Dies gab den Wissenschaftlern auch den Anstoß zur aktuellen Studie.¹ „Insgesamt weisen diese Daten auf die Allgegenwärtigkeit von Kunststoffpartikeln hin und werfen Fragen auf, wie stark der Mensch solchen Partikeln ausgesetzt ist und diese tatsächlich zu einer Aufnahme in den menschlichen Körper führen“, so die Forscher.

Inwieweit die nachgewiesenen Mengen an Mikroplastik im Blut ein Gesundheitsrisiko darstellen, kann derzeit nicht gesagt werden. Laut den Forschern sind hierfür weitere Studien, unter anderem zum Verbleib und der möglichen Einlagerung von Plastikpartikeln im menschlichen Körper oder zur Giftigkeit von Plastik, notwendig.

Leben im Plastikzeitalter

Ein Blick in den Supermarkt oder die eigenen vier Wände reicht aus, um zu erkennen, dass Plastik in unserem Leben einen festen Platz eingenommen hat. Seit 1950 stieg seine weltweite Produktion von etwa 2 auf 406 Millionen Tonnen (Stand: 2015) an. Der Großteil davon findet zweifelsohne als Verpackungsmaterial für Lebensmittel und Co seinen Einsatz, was schätzungsweise 50 Prozent des weltweit produzierten Plastikmülls darstellt.

So ist es nicht verwunderlich, dass bereits unzählige Studien auf der ganzen Welt das Vorkommen von Kunststoffpartikeln im Körper des Menschen und seiner Umwelt nachgewiesen haben. Neben Plastik im Wasser² und in der Luft³ konnten Wissenschaftler auch Spuren von Kunststoff in Sedimenten⁴ nachweisen. Von dort können die Stoffe dann beispielsweise durch Einatmen oder Verschlucken direkt oder über die Nahrung in den Körper aufgenommen werden.⁵

Auf diese Weise gelangen die Plastikpartikel in den Magen-Darm-Trakt, wie mehrere Studien seit 2010 nachweisen.⁶ Häufig werden diese Partikel anschließend ausgeschieden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie konnte jedoch auch die Existenz von drei Plastikpartikeln (5-10 μm) in Plazentagewebe belegen.⁷ Völlig neu ist dagegen der Nachweis von Mikroplastik im menschlichen Blut.

Die Bewertung eines möglichen Gesundheitsrisikos durch Plastikverschmutzung im menschlichen Körper ist derzeit nicht möglich, so die Forscher. Grund sind fehlende Daten bezüglich Giftigkeit und Umfang des Plastiks, mit dem Menschen belastet sind. Zudem fehlten ausgereifte und sensiblere Methoden, um insbesondere Spuren von winzigem Mikroplastik bis hin zu Nanoplastik in biologischem Gewebe zu finden.

Zudem gibt es für den Begriff „Mikroplastik“ keine allgemein gültige Definition. Häufig ist jedoch von Kunststoffpartikeln die Rede, mit einer Größe von bis zu 5 Millimeter. Erheblich kleiner ist dagegen Nanoplastik, deren Partikel im Bereich eines Tausendstel Millimeters liegen. Doch wie sind diese Partikel in der Lage, in den Körper zu gelangen und welche sind das?

Mikroplastik überall

Eine tragende Rolle könnte dabei unser Blutkreislauf spielen. Blut macht etwa sechs bis sieben Prozent des menschlichen Körpergewichts aus und durchspült die Organe des Körpers. Weiterhin ist es der Transportweg für Sauerstoff, Nährstoffe und möglicherweise auch von Mikroplastik durch den Körper und zu anderen Geweben und Organen.

Das endgültige Schicksal der Partikel hängt davon ab, ob sie durch Nierenfiltration oder anderen Stoffwechselprozessen ausgeschieden werden oder nicht, so die Forscher. Eine weitere Möglichkeit ist die Ablagerung der Stoffe in Leber, Milz und anderen Organen. Die Größe, Form und Chemie der Partikel bestimmen dann seine Wechselwirkungen mit dem menschlichen Körper.

Bei gesunden Menschen sind diese Plastikpartikel ähnlich wie andere Umweltschadstoffe in verschiedenen Phasen (wässrig, Lipid, Protein) im gesamten Blutkreislauf verteilt. Zudem spielt die individuelle Größe der Partikel ebenso eine wichtige Rolle. So können beispielsweise kleinere Partikel bereits in Organen, Geweben oder Immunzellen eingelagert sein, während Größere im Blut noch frei verfügbar sind.

Im Fokus der Plastik-Untersuchung standen dabei die fünf am häufigsten und meisten hergestellten Polymere der Kunststoffindustrie.

  • Polymethylmethacrylat (PMMA): Verwendung in der Zahnmedizin für Prothesen, in der Textilindustrie als Bestandteil von Copolymerfasern, in Raucherwaren zur Herstellung von Wasserpfeifen oder in Haushaltswaren wie Schüsseln, Salatlöffel und Gewürzmühlen.
  • Polypropylen (PP): Verwendung in der Textilindustrie für Sportbekleidung, Seile und Geotextilien, als Verpackungsmaterialien, in Hygieneprodukten, in der Chirurgie zur Behandlung von Knochenbrüchen, in der Zahnpasta oder als Lebensmittelbehälter wie Babyflaschen
  • Polystyrol (PS): Verwendung als Lebensmittelverpackung wie Joghurtbecher, in der Elektrotechnik, in Tattoofarbe und als Verpackungs- und Dämmmaterial in Form von Styropor
  • Polyethylen (PE): Verwendung in Form von Folien wie Frischhaltefolien, Milchkartonbeschichtungen, Folientunnel und Tragetaschen, in Form von Rohren für die Trinkwasserversorgung, in der Zahnpasta oder in der Chirurgie für Implantate und künstliche Gelenke
  • Polyethylenterephthalat (PET): Verwendung zur Herstellung von Plastikflaschen, Verarbeitung zu Textilfasern, in der Kosmetikindustrie oder in der Chirurgie als künstlicher Ersatz für Blutgefäße

Ergebnis: PET ist Spitzenreiter

Insgesamt nahmen 22 Erwachsene freiwillig und anonym an der Studie teil, indem sie eine Vollblutspende (Entnahme von 500 ml Blut) durchführen ließen. Um die Proben so wenig wie möglich zu verunreinigen, verwendeten die Forscher größtenteils kunststofffreie Materialien oder führten bei wenigen einen Materialtest durch. Weiterhin führten Leslie und ihre Kollegen eine hohe Anzahl an Leerproben und andere Qualitätskontrollmaßnahmen durch, um falsch positive Ergebnisse zu vermeiden. Im Anschluss werteten die Forscher die Blutproben aus.

Das Ergebnis zeigte, dass 17 von 22 Spendern (77 Prozent) eine „quantifizierbare Menge“ an Mikroplastik im Blut hatten. Am häufigsten anzutreffen war dabei PET – bei 50 Prozent aller Spender. Danach folgten PS (36 Prozent), PE (23 Prozent) und PMMA (5 Prozent). Polypropylen (PP) war dagegen in keiner der 22 Blutproben vertreten.

Die drei häufigsten Kunststoffarten (PET, PS und PE) waren außerdem auch die mit den höchsten Konzentrationen. So betrug die maximale Konzentration von PET in einer Blutprobe 2,4 Mikrogramm pro Milliliter (μg/ml), für PS bei 4,8 μg/ml und für PE sogar bei 7,1 μg/ml. Durchschnittlich hatte jeder Spender etwa 1,6 μg/ml Kunststoffpartikel und bis zu drei verschiedene Plastiktypen im Blut.

Gleichzeitig betonen die Forscher in ihrer Studie, dass möglicherweise auch die Partikel uneinheitlich im Blut verteilt waren, was die Daten und Ergebnisse verändern könnte. Inwieweit diese Werte bedenklich sind und ein gesundheitliches Risiko widerspiegeln, ist bislang nicht klar. Daher könne man mit dieser Studie „keine Aussagen über ein Risiko oder kein Risiko treffen“. Ob sich dieses erste Bild bestätigt, müssen weitere Studien und Untersuchungen zeigen.

Tropfen auf dem heißen Stein

Für die Forscher ist eindeutig, dass der Verbleib des Mikroplastiks im Blutkreislauf weiter untersucht werden muss. So können Fragen zu potenziellen Häufungen in der Bevölkerung, zu belastenden Umweltfaktoren sowie giftigen und gesundheitsschädlichen Auswirkungen beantwortet werden.

Als wissenschaftlich möglich und äußerst bedenklich stufen die Forscher zudem die Tatsache ein, dass diese Plastikpartikel über den Blutkreislauf zu den Organen transportiert werden können. So gibt es bereits Belege für die Verlagerung von Kunststoffpartikeln, indem polymere Träger Medikamente über Blut-Hirn-Schranken transportieren können. Es sei nicht auszuschließen, dass Mikroplastik auf diese Weise ins Gehirn gelangt.

Ein weiteres Problem ist die Verweildauer von Mikroplastik in der Blutbahn. Hierzu liegen in der Forschung derzeit keine Erkenntnisse vor, ebensowenig dazu, wie das endgültige Schicksal dieser Partikel im menschlichen Körper aussieht.

Als mögliche Art der Plastikaufnahme sehen die Wissenschaftler vor allem den Schleimhautkontakt – entweder durch Verschlucken oder Einatmen. Eine Aufnahme über die Haut halten die Forscher für weniger wahrscheinlich, es sei denn, dass Plastikpartikel über Wunden in das Blut gelangten.

Weiterhin bleibe zu klären, ob Kunststoffpartikel im Plasma vorhanden sind, ob sie von bestimmten Zelltypen getragen werden und wenn ja, in welchem Ausmaß, so die Forscher. Wenn Kunststoffpartikel im Blutkreislauf zudem von Immunzellen getragen werden, stellt sich auch die Frage, ob und wie stark dies das Immunsystem beeinflusst oder bestimmte Krankheiten begünstigen oder auslösen kann.

Quellen:

(1) Leslie et al. (2022); doi.org/10.1016/j.envint.2022.107199

(2) Koelmans et al. (2019). doi.org/10.1016/j.watres.2019.02.054;
Danopoulos et al. (2020). doi.org/10.1371/journal.pone.0236838;
Schymanski et al. (2021). doi.org/10.1007/s00216-021-03498-y

(3) Gasperi et al.  (2018). doi.org/10.1016/j.coesh.2017.10.002;
S. Wright et al.  (2021). doi.org/10.1186/s43591-021-00006-y

(4) Thompson et al. (2004). doi.org/10.1126/science.1094559;
Phuong et al. (2021). doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.146225;
Uddin et al. (2021). doi.org/10.1016/j.marpolbul.2021.111973

(5) Cauwenberghe et al. (2014). doi.org/10.1016/j.envpol.2014.06.010;
Barboza et al. (2018). doi.org/10.1016/j.marpolbul.2018.05.047;
Torre (2020). doi.org/10.1007/s13197-019-04138-1;
Li et al. (2020). doi.org/10.1038/s43016-020-00171-y

(6) Boerger et al. (2010). doi.org/10.1016/j.marpolbul.2010.08.007;
Karlsson et al. (2017). doi.org/10.1016/j.marpolbul.2017.06.081;
Ugwu et al. (2021). doi.org/10.1016/j.marpolbul.2021.112540

(7) Ragusa et al. (2021). doi.org/10.1016/j.envint.2020.106274



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