Warum Frischluft gut für die Gesundheit ist

Ein geheimnisvolles Phänomen, das als „Frischluft-Faktor“ bezeichnet wird, bezieht sich auf die keimtötenden Eigenschaften der Außenluft.
Warum Frischluft gut für die Gesundheit ist
Warum Frischluft gut für die Gesundheit ist.Foto: iStock
Von 4. September 2022

Die heilende Wirkung von Frischluft wird schon seit der Antike geschätzt. So empfahl bereits Plinius der Ältere (23 – 79 nach Christus) Tuberkulosekranken, die Luft immergrüner Wälder einzuatmen. Heute weiß man, dass die Luft einen hohen Gehalt an Ozon aufweist, einem bekannten Keimtöter.

Auch in der jüngeren Geschichte wurde frische Außenluft als Teil der Standardbehandlung von Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten angesehen. Interessanterweise begünstigen heutige „Hightech“-Krankenhäuser mit ihren geschlossenen Räumen die Ausbreitung von Krankheiten weit mehr als die Freiluftkrankenhäuser von früher.

In den 1960er-Jahren prägten Wissenschaftler, die an der Erforschung der biologischen Abwehr arbeiteten, den Begriff „Open-Air-Faktor“ (OAF). Dieser beschreibt die Fähigkeit, Krankheitserreger abzutöten und ihre Infektiosität zu verringern. Das Interesse an der Nutzung der Außenluft zur Förderung der Gesundheit ließ jedoch in den 1970er-Jahren nach und wurde seitdem weitgehend ignoriert.

In der Fachzeitschrift Cureus fordert Peter Collignon, Experte für Infektionskrankheiten von der Australian National University, dringend weitere Untersuchungen zum „Frischluft-Faktor“. „Wir müssen unverzüglich handeln, da es bereits genügend Beweise dafür gibt, dass sich die öffentliche Gesundheit im Allgemeinen verbessern würde, wenn mehr Wert auf einen vermehrten Aufenthalt an Frischluft gelegt würde“, erklärt Collignon in der Studie.

Geschichte der Frischluft-Heilung

Laut Collignon wurde die heilende Wirkung der Außenluft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert „in großem Umfang genutzt“. Zum einen fand dies Anwendung bei der Behandlung von Tuberkulosepatienten, die sich in Sanatorien einer „Freilufttherapie“ unterzogen. Zum anderen wendeten Militärchirurgen während des Ersten Weltkriegs diese Praxis an. „Sie verwendeten dieselbe Freiluftkur in speziell eingerichteten Lazaretten zur Desinfektion und Heilung schwerer Wunden bei verletzten Soldaten“, schreibt Collignon.

Der englische Arzt John Coakley Lettsom (1744-1815) gehörte zu den ersten Befürwortern der sogenannten „Freiluftmethode“. Er setzte 1791 im Royal Sea Bathing Hospital in Kent (England) tuberkulosekranke Kinder „der Seeluft und der Sonne aus“, so eine Studie aus dem Fachblatt „American Journal of Public Health“.

Die keimtötende Wirkung der frischen Luft wurde auch während der Grippepandemie von 1918 bis 1919 genutzt. In dieser Zeit war es üblich, die Kranken im Freien in Zelten oder in Freiluftkrankenhäusern unterzubringen. Aufzeichnungen aus einem Freiluftkrankenhaus in Boston während des Ausbruchs der Spanischen Grippe deuten darauf hin, dass die Patienten und das Personal dort vom Schlimmsten der Seuche verschont blieben.

Frischluft und Sonnenlicht sind zwei Dinge, die in modernen Krankenhäusern fehlen. Im Camp Brooks Hospital während der Grippepandemie von 1919 waren diese für Hunderte Patienten jedoch in Hülle und Fülle vorhanden.

Der Arzt William A. Brooks aus Massachusetts berichtete, dass in einem typischen Krankenhaus mit 76 Grippefällen innerhalb von drei Tagen 20 Patienten starben und 17 Krankenschwestern erkrankten. „Im Gegensatz dazu verringerte sich die Sterblichkeitsrate in Freiluftkrankenhäusern von 40 Prozent auf etwa 13 Prozent“, schreiben Forscher. Im Falle einer künftigen Pandemie könnten daher Verbesserungen bei Lüftungsanlagen und tragbaren Filteranlagen in jeglichen Gebäuden gerechtfertigt sein. Noch besser wäre jedoch, „wenn man ein hohes Maß an natürlicher Belüftung einführt oder die Bevölkerung dazu ermutigt, so viel Zeit wie möglich im Freien zu verbringen.“

Die keimtötende Fähigkeit

Es gibt mehrere Faktoren, die das Infektionsrisiko in Außenbereichen verringern. Zum einen werden infektiöse Partikel schneller verteilt, zum anderen können Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen Viren unwirksam machen. Auch das UV-Licht der Sonne macht bekanntermaßen Viren unschädlich – ganz zu schweigen davon, dass das Sonnenlicht den Vitamin-D-Spiegel der Patienten erhöht. Ein Mangel an Vitamin-D kann nachweislich die Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen erhöhen.

Die direkten keimtötenden Eigenschaften der Außenluft werden jedoch häufig übersehen – trotz einer 1968 in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Studie. Deren Experimente zeigten, dass Außenluft auf dem Land für luftgetragene Krankheitserreger tödlicher ist als Innenraumluft. Deshalb entwickelten Wissenschaftler eine Technik zur Messung der Überlebensfähigkeit von Bakterien, Viren und Sporen an der Außenluft.

„Die Tests wurden zunächst bei Dunkelheit durchgeführt, da Bakterien und Viren durch Sonnenlicht schnell abgetötet werden. Die in der Außenluft ausgesetzten E. coli-Proben starben in der Regel schnell ab, was in Innenräumen nicht der Fall war. In einigen Fällen verloren die E. coli-Proben in freier Luft innerhalb von 30 Minuten ihre Lebensfähigkeit, während sie in geschlossener Luft mehrere Stunden lang überlebten“, erklärt Collignon. Dies funktioniere auch mit einer Reihe weiterer Viren und Bakterien.

Erst in den 1970er-Jahren erkannten Forscher die Funktionsweise hinter der keimtötenden Fähigkeit. So handelte es sich dabei nicht um eine einzelne Verbindung, sondern um „ein Gemisch hochreaktiver chemischer Spezies, die in ihrer Zusammensetzung variierten“. Trotz weiterer Studien ist die Schlüsselkomponente noch unbekannt. Das fortwährende Rätselraten über die Funktionsweise könnte ein Hauptgrund dafür sein, dass sie im öffentlichen Gesundheitswesen und bei der Infektionsbekämpfung weiterhin vernachlässigt wird, so Collignon. Zudem sei die Tatsache, dass Frischluft kostenlos und nicht patentierbar ist, ein weiterer möglicher Grund.

Könnte eine verstärkte Belüftung helfen?

Forschungen aus den 1960er-Jahren ergaben, dass die keimtötende Wirkung der Außenluft in Innenräumen erhalten werden könne, wenn häufig genug gelüftet würde. Konkret waren 30 bis 36 Luftwechsel pro Stunde erforderlich. Mit anderen Worten: Das gesamte Luftvolumen im Raum müsste alle zwei Minuten oder weniger ausgetauscht werden. Ein modern abgedichtetes Gebäude tausche nur etwa 63 Prozent des gesamten Luftvolumens pro Stunde aus, so Collignon.

Untersuchungen älterer Krankenhausabteilungen mit Tuberkulosepatienten aus der Zeit vor 1950 lassen vermuten, dass dort Belüftungsraten von 40 Luftwechseln pro Stunde herrschten. Zudem weisen diese im Vergleich zu moderneren Krankenhäusern niedrigere Infektionsraten auf.

In der Zwischenzeit wird die Bedeutung einer angemessenen Belüftung nach wie vor weitgehend ignoriert. Dabei ergab eine Untersuchung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC kürzlich, dass eine verbesserte Belüftung (beispielsweise durch das Öffnen von Fenstern) die COVID-19-Fälle in Schulen in Georgia deutlich reduzierten. Dieser Effekt sei sogar stärker gewesen als Maskenvorschriften für Personal und Lehrer.

„Vor Jahrzehnten wurden Krankenhäuser und andere Gebäude so konzipiert, dass sich Infektionen nicht ausbreiten konnten. Ein hohes Maß an natürlicher Belüftung war eine absolute Voraussetzung. Heute ist das nicht mehr der Fall. Frische Luft wird nicht mehr als keimtötend oder therapeutisch für Krankenhauspatienten oder überhaupt für alle anderen Menschen angesehen. Die Gebäude sind nicht mehr für den freien Zugang zu Frischluft ausgelegt. Zum Beispiel sind die Fenster kleiner, die Decken niedriger, Querlüftung kann schwierig oder gar unmöglich sein, und Balkone und Veranden sind nicht mehr so häufig wie früher“, so Collignon.

Es wird Zeit, die Kraft der Frischluft wiederzubeleben

Collignon ist der Meinung, dass es an der Zeit ist, der Bedeutung frischer Luft in Krankenhäusern, Schulen, Büros und anderen Gebäuden wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So müsse ihre heilende Wirkung bei der Vorbeugung und Behandlung von Infektionskrankheiten viel stärker genutzt werden als bislang.

Der Experte für Infektionskrankheiten wünscht sich Studien zur Wirkung von Frischluft gegen neue Krankheitserreger sowie Forschungen im Bereich des Gebäudedesigns, damit Außenluft wieder eine Rolle bei der Genesung von Patienten spiele.

Abschließend plädiert Collignon dafür, die erholsamen Kräfte der frischen Luft so oft wie möglich zu nutzen, indem man die Fenster öffnet und Zeit im Freien verbringt – insbesondere in natürlichen Gebieten.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Why Being Outside Is a Natural Way to Control Infections“ (deutsche Bearbeitung ger)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 60, vom 03. September 2022.



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