BRICS: Die Diktator-Waschmaschine
BRICs ist ein Akronym. Der Wirtschaftswissenschaftler Jim O’Neill von der Investmentbank Goldman Sachs prägte den Begriff im Jahr 2001 in dem Bericht „Building Better Global Economic BRICs“.
O’Neill machte ein Wortspiel mit dem Akronym BRIC (ohne Südafrika), das genauso klingt wie das englische Wort „brick“ (Ziegelstein). Gemeint ist aber die Ländergruppe Brasilien, Russland, Indien und China. Im Jahr 2001 machten diese Volkswirtschaften zusammen bereits 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt aus (nach dem Kriterium der Kaufkraftparität). Die G7, eine Gruppe, die aus Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten besteht, stellte dagegen 49 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.
Jim O’Neill prophezeite in seinem Bericht das Wachstum der BRICS. Er hatte recht: Ende 2022 hatte das kombinierte Bruttoinlandsprodukt der BRICS (zu denen seit 2010 auch Südafrika gehört) bereits mehr als 31 Prozent der Weltwirtschaft erreicht. Dagegen war das der G7 auf 30,7 Prozent gefallen.
Das von O’Neill geschaffene Akronym beflügelte die Fantasie der Politiker, woraufhin sich die BRICS-Staaten im Jahr 2009 zu ihrem ersten Treffen versammelten. Der letzte Gipfel fand vom 22. bis 24. August in Südafrika statt – in einer Welt, die sich seit der Zeit, als Jim O’Neill seinen Bericht schrieb, dramatisch verändert hatte. Das Fehlen von Wladimir Putin deutet auf diese Veränderungen hin.
Putin war nicht in Südafrika, weil gegen ihn ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt. Anlass sind die russischen Aktivitäten im Konflikt mit der Ukraine. Xi Jinping, der chinesische Präsident, hatte seine Teilnahme zugesagt. Letztes Jahr wurde Jinping für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas „wiedergewählt“. Dies geschah das erste Mal seit dem Tod des früheren Führers Mao Zedong.
Aber was sind die BRICS-Staaten eigentlich? Einfacher ist es zu definieren, was sie nicht sind: Die BRICS sind kein Block, der sich an gemeinsamen Interessen oder einer gemeinsamen geopolitischen Vision orientiert. Sie sind keine vertraglich geschaffene Union. Sie bilden keinen Selbstverteidigungspakt. Vielleicht ist die beste Definition der BRICS, dass sie ein Instrument sind, um die obersten Machthaber und Machtgruppen der Mitgliedsländer zu präsentieren. Die BRICS-Vereinigung ist also ein Podium, ein Mechanismus, der pragmatisch und situativ eingesetzt wird.
Die G7-Länder weisen untereinander große Unterschiede auf. Manche sind Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – wie die USA, Großbritannien und Frankreich –, andere nicht (Japan, Italien und Kanada). Wiederum manche haben Atomwaffen, andere nicht. Zudem ist die Größe ihrer Volkswirtschaften sehr ungleich (die US-Wirtschaft ist 13 Mal so groß wie die Kanadas). Der Gruppe der G7 liegt ebenfalls kein Vertrag zugrunde und sie hat kein ständiges Sekretariat. Aber alle Länder der Gruppe haben Demokratien, in denen die Rechtsstaatlichkeit (im Allgemeinen) als gegeben angesehen wird. Sie teilen die gleiche geopolitische Ausrichtung, die nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Krieges gefestigt wurde.
Trotz des politisch korrekten autoritären Fiebers, das den Westen erfasst hat – die „Woke-Welle“ – und des Linksradikalismus, der vor allem die amerikanische und kanadische Politik verseucht hat, kann man in der G7 immer noch die gemeinsame Absicht erkennen, das westliche demokratisch-kapitalistische Modell zu verteidigen.
Das ist weit mehr, als man von den BRICS sagen kann. Die Regierungen von zwei Mitgliedern – China und Russland – werden nicht als demokratische Staaten angesehen. Russland entwickelte sich vom Kommunismus zu einer von Oligarchen beherrschten Autokratie. China wird von einer diktatorischen, nominell kommunistischen Machtstruktur beherrscht, welche die gesteuerte Existenz einer vollständig vom Staat kontrollierten Marktwirtschaft ermöglicht.
Die anderen drei BRICS-Länder – Brasilien, Indien und Südafrika – sind instabile, turbulenzanfällige Demokratien. Brasilien durchlebt eine schwierige Zeit. Es ist gekennzeichnet durch den Einsatz staatlicher Institutionen zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung. Außerdem gibt es Proteste gegen die Rückkehr einer politischen Gruppe an die Macht, die von vielen als räuberisch, boshaft und radikal ideologisch angesehen wird.
China und Russland sind ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Indien wünscht sich einen Sitz im Rat. China ist dagegen, während Russland Indien unterstützt – wobei viele sagen, dass diese Unterstützung nur eine potenziell profitable Geste sei. Denn Russland sieht sich durch Chinas Veto abgesichert.
Das Einzige, was die BRICS-Länder gemeinsam zu haben scheinen, ist die Tatsache, dass sie Mächte sind, welche sich von internationalen Institutionen nicht vertreten fühlen. Wenn das Kriterium für die Mitgliedschaft in der G7 beispielsweise nur die Wirtschaftskraft wäre, müssten Indien und China dazugehören. Im Gegensatz zu Kanada und Italien. Ein weiteres Beispiel zeigt, wie schwer es für Länder wie China oder Brasilien ist, Mittel von der Weltbank zu erhalten. Sie sind nämlich keine Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen mehr. Die BRICS-Bank bietet sich als Lösung an, auch wenn sie erst lange Zeit nach der Gründung des Blocks ins Leben gerufen wurde.
Tatsächlich scheint die Funktion des BRICS-Blocks für die Mitgliedsländer und ihre Machthaber darin zu bestehen, internationale Sichtbarkeit und einen Kanal für Beziehungen zu gewährleisten. Ebendarum gewannen die BRICS nach der Invasion der Krim und dem Krieg mit der Ukraine für Russland eine neue Bedeutung. Aus Sicht der Linken, die die derzeitige brasilianische Regierung bilden – und die daran arbeiten, die Außenbeziehungen des Landes neu zu gestalten – sind die BRICS eine Chance. Auf diese Weise können sie die Gruppe der blockfreien Länder aus den 1960er-Jahren wiederbeleben. Es ist ihre Gelegenheit, sich von der „antiimperialistischen“ Rhetorik der Vergangenheit zu lösen. Dadurch wird der Fokus von den wirtschaftlichen Fehlern und dem politischen Desaster der Regierung der Arbeiterpartei abgelenkt.
Darin liegt auch die Erklärung für den Vorschlag, dass Länder wie Argentinien und Venezuela in die BRICS aufgenommen werden sollten. Es sollte niemanden überraschen, wenn die nächsten Vorschläge lauten, dass auch Kuba und Nicaragua beitreten sollten. Unterdessen wurde der Vorsitz der BRICS-Bank von einer umstrittenen Persönlichkeit übernommen: Dilma Rousseff. Die ehemalige Guerillakämpferin wurde zweimal zur Präsidentin Brasiliens gewählt, um dann in ihrer zweiten Amtszeit angeklagt zu werden. Sie hatte nämlich das Land in die schlimmste Rezession seit Anfang des 20. Jahrhunderts geführt.
Die BRICS sind heute nicht mehr als ein Club, der autoritären Politikern die Möglichkeit bietet, sich mit gut aussehenden Agenden in den Medien zu profilieren. Ein Club, der den luxuriösen internationalen Tourismus von Diktatoren und ihren Bürokraten rechtfertigt. Ein Club, der Treffen ermöglicht, die sonst nicht stattfinden würden – und die es in einer Welt, die Freiheit, Sicherheit und Wohlstand wirklich schätzt, auch nie stattfinden sollten.
Über den Autor
Roberto Motta ist ein ehemaliger Berater der Weltbank und Bestsellerautor von fünf Büchern in Brasilien. Er gehört zu den wichtigsten politischen Analysten des Landes in den Mainstream-Medien.
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