BRICS-Gipfel in Südafrika: „Club für autoritäre Machthaber mit gut aussehenden Agenden“

Momentan findet der 15. Gipfel der BRICS-Staaten in Johannesburg statt. Während bereits im Vorfeld über geplante Tagesordnungspunkte spekuliert wurde, scheinen die Ziele der fünf Länder kein gemeinsames Interesse zu verkörpern. Eine Analyse.
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Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika treffen sich seit 2009 jedes Jahr.Foto: Gianluigi Guercia/AFP via Getty Images
Von 22. August 2023

Seit 22. August tagt in Südafrika der dreitägige Gipfel der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Hochrangige Vertreter der fünf Länder kommen in einem Konferenzzentrum in Johannesburg zusammen.

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa wird neben Chinas Präsident Xi Jinping, den indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi und Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva empfangen. Russlands Präsident Wladimir Putin wird angesichts eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs nicht vor Ort sein. Stattdessen reiste Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach Johannesburg, während Putin sich per Videocall zuschalten lässt.

Die BRICS-Gruppe versteht sich als Gegengewicht zu westlichen Bündnissen und versucht, ihren internationalen Einfluss zu stärken. Ziel des Treffens sei eine „veränderte globale Ordnung“, wie die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor im Vorfeld mitgeteilt hatte. Auch von russischer Seite hieß es, man wolle dem „Diktat“ des Westens unter Führung der USA ein Ende setzen.

Mehr als 30 Länder haben angegeben, am BRICS-Gipfel teilzunehmen. Dazu sind 67 hochrangige Politiker aus Afrika und dem Globalen Süden eingeladen, weitere 20 internationale Vertreter – einschließlich der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften Afrikas. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde zurückgewiesen. Er hatte Interesse an der Teilnahme bekundet, aber keine Einladung erhalten.

„Entdollarisierung nicht auf BRICS-Agenda“

Auf der Agenda des 15. Gipfels steht die mögliche künftige Erweiterung zu „BRICS plus“. Nach Angaben von Außenministerin Pandor hätten etwa 40 Staaten Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet. 23 davon konkret, einschließlich Argentinien, Saudi-Arabien, die Vereinten Arabischen Emirate, Algerien, Ägypten, Iran, Kuwait, Bangladesch, Venezuela und Thailand.

Erwartet wurde zudem, dass die BRICS-Staaten über eine neue Währung diskutieren wollen, die den Dollar ablösen soll. Südafrikas Botschafter der Gruppe, Anil Sooklal, hat am Montag gegenüber „Bloomberg“ bestätigt, dass die Gespräche sich unter anderem auf ein gemeinsames Zahlungssystem konzentrieren würden.

Es gebe aber keine Pläne über die Ablösung des US-Dollars. „Der Handel mit lokalen Währungen steht fest auf der Tagesordnung“, sagte Sooklal. „Es gibt keinen Tagesordnungspunkt der Entdollarisierung auf der BRICS-Agenda. […] Der Dollar wird weiterhin eine wichtige globale Währung sein – das ist eine Realität.“

Demnach seien die BRICS-Mitglieder bestrebt, den Handel untereinander verstärkt in ihren eigenen Währungen abzuwickeln, um mehr globalen Einfluss zu gewinnen. Die neue Entwicklungsbank, ein von den BRICS-Staaten gegründeter Kreditgeber, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2026 ein Drittel ihrer Kredite in Landeswährung zu vergeben.

Gestiegene Wirtschaftsleistung seit 2001

Der Wirtschaftswissenschaftler Jim O’Neill von Goldman Sachs prägte den Begriff BRIC (ohne Südafrika) im Jahr 2001. In seinem Bericht „Building Better Global Economic BRICs“ behauptete er, dass die vier BRIC-Länder bis 2050 die Weltwirtschaft dominieren würden.

Im Jahr 2001 machten diese Volkswirtschaften zusammen bereits 23 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus (nach dem Kriterium der Kaufkraftparität). Die G7-Länder – bestehend aus Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten – beliefen sich damals auf 49 Prozent der Weltwirtschaft.

Mit seiner Prognose, dass die BRICS wachsen würden, hatte Jim O’Neill recht: Ende 2022 hat das kombinierte BIP der BRICS (zu denen seit 2010 auch Südafrika gehört) bereits mehr als 31 Prozent der Weltwirtschaft erreicht, während das BIP der G7 auf 30,7 Prozent gesunken war.

Hintergründe der BRICS-Staaten

Aber was sind die BRICS eigentlich? Laut dem brasilianischen Bestsellerautor und ehemaligen Weltbank-Berater Roberto Motta ist einfacher zu definieren, was sie nicht sind:

„Die BRICS sind kein Block, der sich an gemeinsamen Interessen oder einer gemeinsamen geopolitischen Vision orientiert. Sie sind keine vertraglich geschaffene Union. Sie bilden keinen Selbstverteidigungspakt“, gibt der politische Analyst gegenüber der brasilianischen Epoch Times an. „Vielleicht ist die beste Definition der BRICS, dass sie ein Instrument sind, um die obersten Machthaber und Machtgruppen der Mitgliedsländer zu präsentieren“, so Motta. Demnach seien die BRICS-Länder eine Plattform, ein Mechanismus, der pragmatisch und je nach Situation eingesetzt werde.

Die G7-Länder hätten dagegen aber alle eines gemeinsam, so Roberto Motta weiter. Sie seien Demokratien, in denen die Rechtsstaatlichkeit (im Allgemeinen) als gegeben angesehen werde. Zudem hätten sie dieselbe geopolitische Ausrichtung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Kalten Krieges konsolidiert habe.

Und das, obwohl auch G7-Länder untereinander große Unterschiede aufweisen: Einige darunter sind Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich. Andere nicht – Japan, Italien und Kanada. Einige besitzen Atomwaffen, andere nicht. Und die Größe ihrer Volkswirtschaften ist sehr unterschiedlich (die Wirtschaft der USA ist 13-mal so groß wie die Kanadas).

„Trotz des politisch korrekten autoritären Fiebers, das den Westen erfasst hat – die ‚Woke-Welle‘ – und des Linksradikalismus, der vor allem die amerikanische und kanadische Politik verseucht hat, kann man in der G7 immer noch die gemeinsame Absicht erkennen, das westliche demokratisch-kapitalistische Modell zu verteidigen“, so der Bestsellerautor.

Keine oder instabile Demokratien

Das ist viel mehr, als man von den BRICS sagen kann. Zwei ihrer Mitglieder – China und Russland – werden nicht als Demokratien betrachtet. Russland hat sich vom Kommunismus zu einer von Oligarchen beherrschten Autokratie entwickelt. Und China wird von einer diktatorischen kommunistischen Machtstruktur beherrscht, die das Bestehen einer vollständig vom Staat kontrollierten Marktwirtschaft ermöglicht.

China und Russland sind ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Indien möchte einen Sitz im Rat. China ist dagegen, während Russland Indien unterstützt. Die einzige Gemeinsamkeit der BRICS-Länder scheint, so Motta, darin zu liegen, dass sie Mächte sind, die sich von internationalen Institutionen nicht vertreten fühlen. Wenn das Kriterium für die Mitgliedschaft in der G7 beispielsweise nur die Wirtschaftskraft wäre, müssten Indien und China dazugehören. Und nicht Kanada und Italien.

Die drei BRICS-Länder Brasilien, Indien und Südafrika sind instabile, turbulenzanfällige Demokratien. Laut Roberto Motta ist Brasilien derzeit dadurch gekennzeichnet, dass der Staat die freie Meinungsäußerung unterdrückt. Proteste gegen die zurückgekehrte politische Macht seien an der Tagesordnung. Diese werde von vielen als räuberisch, boshaft und radikal ideologisch angesehen, so der ehemalige Weltbank-Berater. Die Linken der derzeitigen brasilianischen Regierung würden in den BRICS eine Chance zu sehen, die Gruppe der blockfreien Länder der 1960er-Jahre wiederzubeleben.

Motta erklärt sich damit den Vorschlag, dass Länder wie Argentinien und Venezuela in die BRICS aufgenommen werden sollen. „Es sollte niemanden überraschen, wenn die nächsten Vorschläge lauten, dass auch Kuba und Nicaragua beitreten sollten“, ergänzt er.

Ehemalige Guerillakämpferin wird Vorsitzende der BRICS-Bank

Für Länder wie China oder Brasilien ist es schwer, Mittel von der Weltbank zu erhalten, da sie keine Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen mehr sind. Die BRICS-Bank wäre für sie eine Lösung, auch wenn sie erst lange Zeit nach der Gründung des Blocks ins Leben gerufen wurde.

Der Vorsitz der BRICS-Bank wurde indessen von einer umstrittenen Persönlichkeit übernommen: Dilma Rousseff – einer ehemaligen Guerillakämpferin. Sie wurde zweimal zur Präsidentin Brasiliens gewählt. Dabei wurde sie in ihrer zweiten Amtszeit angeklagt, nachdem sie das Land in die schlimmste Rezession seit Anfang des 20. Jahrhunderts geführt hatte.

Schließlich ergänzt Roberto Motta: „Die BRICS sind heute nicht mehr als ein Club, der autoritären Politikern die Möglichkeit bietet, sich mit gut aussehenden Agenden in den Medien zu profilieren.“ Der Club rechtfertige den luxuriösen internationalen Tourismus von Diktatoren und ihren Bürokraten. Zudem ermögliche er Treffen, die sonst nicht stattfinden würden – und in einer Welt, die Freiheit, Sicherheit und Wohlstand wirklich schätzt, auch nie stattfinden sollten.



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