Egon W. Kreutzer: Die Wurzeln des Fachkräftemangels

Betrachtet man die Wanderungsstatistik des Deutschen Statistischen Bundesamtes genauer, erhebt sich die Frage, ob es zur Behebung des Fachkräftemangels nicht weit aussichtsreicher wäre, sich über die Verringerung der Fachkräfte-Abwanderung Gedanken zu machen.
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In Deutschland gibt es immer mehr Ungelernte und einen Fachkräftemangel.Foto: Peter Steffen/dpa
Von 16. Dezember 2019

Da halten Sie nun in Berlin-Schilda einen Fachkräfte-Zuwanderungs-Beschleunigungs-Gipfel ab. Betrachtet man die Wanderungsstatistik des Deutschen Statistischen Bundesamtes genauer, erhebt sich allerdings die Frage, ob es zur Behebung des Fachkräftemangels nicht weit aussichtsreicher wäre, sich über die Verringerung der Fachkräfte-Abwanderung Gedanken zu machen.

Auf den ersten Blick sieht es doch so aus, dass der Wanderungsverlust von etwa 60.000 Deutschen, die 2018 mehr ins Ausland abwanderten als von dort zurückkamen, durch den um mehr als das Siebenfache größeren Wanderungsgewinn von 460.000 Ausländern, die mehr nach Deutschland kamen (1, 384 Mio.) als Deutschland wieder verlassen haben (0,924 Mio), in Bezug auf den Fachkräftemangel offenbar nicht kompensiert werden konnte. Hier beim unverdächtigen Statistischen Bundesamt selbst nachsehen.

Auch ohne die Frage zu stellen, ob es nun eher die Spezialisten und Hochqualifizierten sind, die Deutschland den Rücken kehren, oder doch in größerer Zahl die geringqualifizierten Armutsrentner, die hoffen, in der Weite der ungarischen Puszta, mit Wasser aus dem Ziehbrunnen und dem CO2-neutralen Mobilitäts-Esel ihrem Lebensende komfortabler entgegensehen zu können als im deutschen Hartz-IV-Ghetto, bleibt doch die bittere Erkenntnis übrig, dass der bestehende, große Wanderungsgewinn bei Personen aus dem Nicht-EU-Ausland nicht zur Entspannung der Situation auf dem Arbeitsmarkt der Fachkräfte geführt hat.

Das Bundeswirtschaftsministerium unter dem Merkel-Adlatus Altmeier hat auf seiner Webseite eine Art Hochglanz-Prospekt „Fachkräftemangel beheben!“ veröffentlicht, dessen Inhalt wie ein Leipziger Allerlei von der Aussage: „Noch gibt es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel“, bis zur Ansage: „Deutsche Skills Experts sollen in Bosnien-Herzegowina, in Indonesien, Kenia, Kroatien, Malaysia, Mazedonien und Vietnam dafür sorgen, dass dort junge Menschen eine Berufsausbildung erfahren, die sie qualifiziert, als Fachkraft in Deutschland zu arbeiten.“

Es sieht mehr aus wie das noch ungeordnete Ergebnis eines Brainstormings – werfen Sie selbst einen Blick darauf.

Vermutlich wird beim Fachkräfte-Gipfel in Berlin mehr herauskommen als beim Klimagipfel in Madrid, weil diesmal das Ausland, um dessen Menschen es ja auch hier wieder geht, nicht zur Diskussion und Entscheidungsfindung eingeladen ist.

Ob der Fachkräftegipfel aber den erwünschten Zuzug von Fachkräften mit sich bringt, ist fraglich, ich neige dazu, auch diese Maßnahme, wie schon Schröders BlueCard von anno Dunnemals, von vornherein als einen arschbombengroßen Schlag ins Wasser anzusehen, der uns per Saldo nur zusätzliche „legale“ Migration in die Sozialsysteme bescheren wird.

Solange keine deutsche Regierung erkennt, dass dauerhafte Exportüberschüsse auch beim Exporteur schweren volkswirtschaftlichen Schaden anrichten, dass es Fachkräftemangel in der an die Wand gemalten Dimension gar nicht geben könnte, würde man eine ausgeglichene Handelsbilanz anstreben, gibt es keine Hoffnung auf Besserung.

Alle Maßnahmen, die zur Verstetigung des Exportüberschusses ergriffen wurden, haben die deutsche Volkswirtschaft beschädigt und ihr Ausbluten begünstigt. Wer eine funktionierende Volkswirtschaft ohne Not (!) in einen von unten her der Erosion der Einkommen ausgelieferten Niedriglohnsektor umwandelt, und sich dann wundert, dass diejenigen unter den Fachkräften, die jung genug sind und es sich leisten können, diesem Niedriglohnsektor entfliehen und sich im Ausland leistungsgerecht bezahlen lassen, ist wie ein Schachspieler, der nicht in der Lage ist, über den nächsten Halbzug hinaus zu denken.

Wer die ganze Welt einlädt, deutsche Produkte nicht nur zu niedrigen Preisen zu kaufen, sondern auch mit nichts als (ungedeckten) Schuldscheinen zu bezahlen, also keine Gegenleistung aus deren Export einfordert, und sich dann wundert, wenn ringsum die Währungen Purzelbäume schlagen und die Notenbanken mit dem Gelddrucken nicht nachkommen, der hat entweder nie begriffen, was dem Wohle der Volkswirtschaft wirklich dient, oder hat sich als Kollaborateur einer verdeckten Kolonialherrschaft seinen Platz an der Sonne erdient.

Fakt ist:

Immer größere Teile des Kapitals der in Deutschland aktiven Unternehmen befinden sich in der Hand von Ausländern. Von den Dividenden der DAX-Konzerne flossen etwa 2/3 an ausländische „Investoren“. Dass andere internationale Konzerne ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne gnadenlos ins Ausland verschieben, ist längst kein Geheimnis mehr, auch dass durchaus EU-Mitglieder gerne dabei behilflich sind. Dies ist ein Prozess, der von ganz alleine dafür sorgt, dass immer wieder ausländisches Kapital benötigt wird, weil das Inland darüber ausblutet.

Fakt ist:

Jeder Investor erhofft sich einen Gewinn, der die ursprüngliche Investition übertrifft. Handelt es sich um einen ausländischen Investor, führt das dazu, dass das ursprünglich eingesetzte Kapital plus einem ansehnlichen Gewinn über die Nutzungsdauer der Investition wieder aus der Volkswirtschaft herausgenommen wird.

Wenn Elon Musk seine Giga- oder Gaga-Fabrik in den Brandenburger Sand setzt, ist das absolut vergleichbar der Tabakplantage eines Kolonialherren, und wenn für diese Tabakplantage dann Fachkräfte aus Afrika als Sklaven importiert wurden, ähnelt das dem Ringen um ausländische Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowina, Indonesien, Kenia, Kroatien, Malaysia, Mazedonien und Vietnam.

Fakt ist:

Wer die Gleichwertigkeit der Faktoren des Magischen Vierecks der Volkswirtschaftslehre verlässt und bewusst und vorsätzlich das außenwirtschaftliche Gleichgewicht verletzt, weil er glaubt, nur dadurch einen hohen Beschäftigungsgrad, Preisstabilität und angemessenes Wachstum erhalten zu können, realisiert nicht, oder zu spät, dass er dies mit dem fortschreitenden Verlust der materiellen Basis, also dem Vermögen der Volkswirtschaft zu bezahlen hat, was sich auch, aber bei weitem nicht nur, überdeutlich mit den offenen Target 2 Salden belegen lässt.

Und er realisiert nicht, dass er sich damit des Bruchs des Amtseides schuldig macht, der fordert, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden.

Zuerst erchienen auf EGON-W-KREUTZER.de

Egon W. Kreutzer ist Unternehmensberater und Autor

 

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