Erfahrungen eines Erziehers in Erstaufnahmestellen für unbegleitete Kinder und Jugendliche (+ Podcast)
Es sind wenige Minuten nach sechs Uhr früh. Es ist Dienstag der 7.7.2015.
Zwei Wochen zuvor habe ich meinen Arbeitsvertrag, der mir kontinuierliches hohes Gehalt verspricht, unterschrieben. Bei der Zeitfirma DIWA, die seit einigen Monaten wie am Fließband, Erzieher und Betreuer unter Vertrag nimmt. Ihr Auftraggeber heißt FSD – Stiftung zur Förderung sozialer Dienste. Im Bundesland Berlin betreibt sie die Erstaufnahme- und Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche, kurz abgekürzt EAC, mit seiner Hauptstelle und der Nebenstelle im Berliner Stadtgebiet.
Erst wenige Monate nachdem die Kanzlerin in einer Nacht- und Nebelaktion sich über die Interessen anderer europäischer Mitgliedsstaaten hinweggesetzt hat, werden eine Vielzahl von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe es ebenfalls anstreben ein Clearingverfahren für umFs (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) anzubieten.
Die überforderte und unkoordinierte Berliner Regierung schaut angesichts der auf sie zu rollenden Probleme lieber weg: Kinder und Jugendliche unbeaufsichtigt in Hostels oder anderen Unterkünften, keine Anwendung der medizinischen Altersbestimmung, weil es politisch nicht passt; kaum Kontrolle des Personals in den Unterkünften, wer da überhaupt auf die Kinder/Jugendlichen losgelassen wird. In Sachen Erstaufnahme für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist die von der FSD betriebene EAC die Erstanlaufstelle in Berlin. Genau da, wo ich arbeitete.
Zurück zum Geschehen am ersten Arbeitstag
Ich stehe im viel zu kleinen Eingangsbüro der Erstaufnahme der Wupperstraße 17-21 mit den grauen Büromöbeln und bin damit beschäftigt den Leuten ständig ausweichen zu müssen, die hektisch, leicht aggressiv, umherhuschen. Alle wirken so beschäftigt. Viel zu viele Leute in einem viel zu kleinen Büroraum. Ich fühle mich deplatziert. Das ist der erste Eindruck meines ersten Arbeitstages, als einer der vielen neu eingestellten Erzieher in der Wupperstraße in Berlin-Zehlendorf.
Ich war einer von so vielen Erziehern, die kamen und gingen, gekündigt wurden oder selbst kündigten, weil sie die Verhältnisse in dieser Hauptstelle der Erstaufnahme für umFs des Landes Berlin nicht mehr er- oder mittragen wollten, sollten und konnten. Nach den ersten neun Monaten während meine Arbeitstätigkeit dort, werden ungefähr 18 MitarbeiterInnen von insgesamt 45 MitarbeiterInnen nicht mehr mit diesem Arbeitsplatz konfrontiert sein.
Nach wenigen Minuten werde ich angesprochen von einer Mitarbeiterin, die eine Woche zuvor mit der Arbeit in der Erstaufnahmestelle begonnen hat. „Du bist neu“. Ich antworte mit einem kurzen Ja und gebe mit meinem erschütternden Gesichtsausdruck über diese Situation zu verstehen, wie ich diese Situation finde – ein tragikomisches Bühnenstück. Sie stimmt mir mit gleichem Gesichtsausdruck zu.
Bühnenstück!??? Gemeint ist die Flüchtlingskrise, die erst wenige Monate später, ausgelöst vom damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, so genannt werden wird. Bis Ende Dezember 2016 werden insgesamt etwa 1170000 Flüchtlinge/Migranten nach Deutschland gekommen sein, wie es das BAMF https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/01/asylantraege-2016.html) schätzt. Für die Erstaufnahmestelle in Berlin heißt das, dass ab Juli 2015 die Zahlen der unbegleiteten Minderjährigen stetig ansteigen werden und im Oktober den Höhepunkt erreicht haben werden.
Zur damaligen Zeit setzte die Polarisierung in der Flüchtlingsdebatte ein. Es herrscht allgemeine Verwirrung und taumelndes Jubeln im Land. Allgemeiner Ausdruck davon ist das hohe Aggressionspotenzial der KollegInnen (eine Zerfleischungsarie zwischen angestellten SozialarbeiterInnen, der Hauptanzahl von neuangestellten ErzieherInnen und BetreuerInnen über die Zeitarbeitsfirma DIWA, und den alteingesessenen ErzieherInnen). Nichts im Arbeitsverhältnis ist stabil. Alles ist fluktuativ.
Von oben heißt es, wir schaffen das – und andere müssen es ausbaden
Eine Widerspiegelung der Vorkommnisse und Tatsachen in Deutschland im Kleinen. An diesen Reaktionen zeigt sich täglich was alles schief geht: Von da oben heißt es wir schaffen das und schafft damit Tatsachen, die andere zugeschoben bekommen und ausbaden müssen. Darüber soll dann geschwiegen werden. Ausdruck von Übergriffigkeit auf der einen Seite und hohem unterdrückten passiven Aggressionsvolumen auf der anderen Seite. Verhältnisse, die mich sehr an die DDR erinnert haben in diesen Zermürbungsverhältnissen, wo die jeweils eine Seite von der anderen Seite nicht loskommt und loskommen will.
Zudem sind wir mehr oder weniger jeden Tag der Aggression der umFs ausgeliefert. Wegen der falschen Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen über Deutschland aber auch dem hohen Erwartungsdruck und -anspruch der Familien, die noch in der Türkei, Syrien oder Afghanistan verblieben sind, die auf den Kindern und Jugendlichen lastet.
Immer fragt man sich bei Arbeitsbeginn wen und wie wird es heute treffen wird. Das Aggressionspotential ist hoch.
Auf beiden Seiten. Auf der Seite der „geflüchteten“ Kinder und Jugendlichen und auf der Seite, die diesen helfen. Es sind Gründe wie Überwältigung – angefangen von denen da oben in der Regierung – die Ihre Illusionen gegen die Wirklichkeit und den Auswirkungen ihres Handelns (einseitige Grenzöffnung) durchsetzen. Und die dann die Hierarchien und Ebenen nach unten weitergegeben werden, worauf die Betroffenen jeweils entweder mit Trotz, Verhinderung, Gewährenlassen in ihrem Handeln, Frustrationen (besonders bei Ansprechen der wirklichen Tatsachen bei dieser katastrophalen Migrationsthematik/-politik und der Erwiderung mittels Mundtotmachen und Diskreditierung) reagieren, oder in die andere Richtung schlagen: Aktionismus, Heroismus. Bei allem spielt der kühle Kopf keine Rolle.
Was zählt ist das Herz, die Stimmung, die Affektivität. Das lenkt von inneren Problemen ab, die nicht angegangen werden sollen. Dann ist es der Aspekt des Gebens und Nehmens, des Versorgens und des Versorgtwerdens. Absolute Schieflage. Und deshalb ging es schief und wird es auch weiterhin gehen, wenn das Verhältnis in Deutschland politisch und gesellschaftlich in solch einer Schieflage ist, wenn Politik etc. sich nicht mehr an der Wirklichkeit orientiert, sondern nur noch an Idealen, weil sie mit der Wirklichkeit nicht mehr zurechtkommt und kommen will.
Treffend analysiert hat das wenige Tage nachdem man es hierzulande echt geschafft hat, mit frenetischen Jubeleien, bei dem man Flüchtlinge/Migranten in Deutschland mit Kuscheltieren zugemüllt hat und kollektiv wieder das Selbstwertgefühl anheben konnte, der Psychoanalytiker Hans-Joachim-Maaz. Er sprach von der tiefen Krise, in der sich das Land aufgrund der Unehrlichkeit und Derealismus in der Flüchtlingsdebatte befinde und attestierte den Deutschen eine narzisstische Normopathie (https://www.cicero.de/innenpolitik/stimmungsumschwung-fluechtlingsfrage-mutti-unter-druck/60396). Auf der einen Seite dieser normophatischen Störung, als Resultat von Schuldabwehr werden kollektives und unhinterfragtes, falsches oder irriges Denken und Handeln freigesprochen und damit zur Normalität.
Auf der anderen Seite werden Zweifler, Kritiker, und „Ausscherer“ ausgegrenzt, gesellschaftlich/meinungstechnisch verbannt und mit Begrifflichkeiten wie rechtsextrem, Dunkeldeutscher, rechtspopulistisch und fremdenfeindlich gebrandmarkt. Was zählt ist die Moral, die richtige oder die falsche Seite, auf der man sich zu befinden haben oder eben nicht. Dieses Gut-Böse-Schema sind Ausdruck von etwas extremistischen, die für das Land hochexplosiv sind. Entweder wird geschwiegen oder im Stillen geschimpft.
Geschwiegen habe ich nicht. Geschimpft viel.
Aber ich wollte verstehen, warum das so ist wie es ist, wie es sich mir zeigt. Gezeigt hat sich, dass die überwiegende Mehrheit der umFs männlich ist. Weibliche Flüchtlingskinder fast gar keine. Erst mit der Eröffnung der Zweigstelle in Berlin-Wilmersdorf wurde in der dortigen komfortablen Unterkunft extra eine Mädchenetage eingeführt, gerade wegen des Schutzes vor internen Übergriffen.
Fast nur männliche Flüchtlinge. Das war eine Auffälligkeit. Bringt man doch Krieg damit in Verbindung das Männer kämpfen und für die höhere Sache sterben und Frauen und Kinder die Leidtragenden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um Personen im wehrfähigen Alter (nach hiesigen Kriterien), so ist doch letztendlich diese Erklärung, bei all den anderen Erklärungsmöglichkeiten, die sinnigere.
Also, wieso sind etwa mehr als 90 Prozent der umFs männlich? Und wo sind die Mädchen? Um Krieg ging es bei allem was ich erfahren habe, so gut wie nie als Hauptgrund. Es ging um Migration. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden die Kinder geschickt.
Heute wie damals zwischen Juli 2015 bis März 2017 ist es hauptsächlich um die finanziellen Gründe gegangen. Immer wieder habe ich anhand der Aussagen in der Personenakte unter der Rubrik Anamnese gelesen habe, dass Kinder und Jugendliche, die aus dortigen Verhältnissen geschickt wurden, um hier dann Fuß zu fassen: Diese Kinder und Jugendlichen entstammen in überwiegender Zahl der dortigen Mittelschicht. Das heißt Schulbildung bis zur 8. Klasse im Durchschnitt (In Afghanistan weniger Jahre, in Syrien in der Regel bis zur 9. Klasse).
Fast immer ist in den Akten zu lesen, dass das Eigentum für die Aufwendung der „Flucht“ veräußert wurde, um irgendwie (mit Schlepper oder ohne) nach Deutschland zu kommen. Die arme Unterschicht aus Syrien oder Afghanistan hat es so gut wie nie nach Deutschland geschafft. Entweder kommen die Afghanen nicht aus dem Iran heraus, wo es ihnen mehr schlecht als recht geht. Oder wie bei den Syrern hängen in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Syriens fest. Das sind dann meist die zurückgelassenen Frauen mit ihren Kindern, wo sich Horden von Männern alleine auf den Weg gemacht haben.
Rund 35 Prozent waren keine Kinder mehr
Immer wieder war in den jeweiligen Akten zu lesen, dass „der Vater entschieden hat, dass ich gehen soll“. Das heißt, dass meist der älteste oder zweit älteste von den unter 18-jährigen Jungen durch das Familienoberhaupt, also dem Vater, nach Deutschland geschickt wurde. Mit Mädchen wurde dies nie gemacht, liegt doch die Angst viel zu tief, dass das Mädchen in der Fremde seinen eigenen Willen entdeckt und zur Gefahr der Familienehre wird. Darum also so gut wie nur männliche Kinder.
Die Bedrohung durch den Krieg war bei den allermeisten (aus Syrien, Afghanistan, Irak um die großen Hauptgruppen zu nennen) nicht unmittelbar sondern mittelbar. Das bestätigen, die fast identischen Aussagen der allermeisten. Darum fiel es eben auf, wenn Jugendliche Kinder durch den Krieg direkt bedroht wurden: Durch Androhung oder schon stattgefundener Entführung, Bedrohung durch Mord, weil Eltern oder nahe Angehörige politisch aktiv waren. Das war aber eine Minderheit der Kinder und Jugendlichen, die durch ihr Verhalten diametral zur Masse der anderen Kinder/Jugendlichen in der EAC auffiel. Das war individualisiert. Im auffälligen/extremen Sinne. Aber nicht kollektiviert.
Natürlich fehlt noch die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die gar keine waren oder mit hoher Sicherheit keine waren. Ich bleibe bei alldem, was ich da über die Zeit erfahren habe, nach wie vor bei dem Punkt, dass es sich von allen Kindern und Jugendlichen um eine Anzahl von etwa 35 Prozent dreht, die sich nicht mehr im Jugendalter befunden haben. Auch unter Berücksichtigung von sauerstoffarmer Höhenluft, harter Zweiter- oder Dritter-Welt-Lebensumstände, kann ich definitiv sagen, dass dies keine Jugendlichen waren, sondern Erwachsene. Denn es war ja in dieser Zeit (und ist es auch noch heute), absolut lukrativ ins Kinder- und Jugendhilfesystem Deutschlands zu fallen: Garantierte materielle Versorgung, keine Abschiebemöglichkeit bis mindestens zum 18 Lebensjahr und älter – und damit eine Garantie für die zurückgebliebene Familie auf finanzielle Absicherung.
Fast immer mit Handy, aber oft ohne Papiere
Bis heute kann ich sagen, dass die finanzielle Absicherung und das erst Möglichmachen durch die Grenzöffnung und die Lockrufe der Kanzlerin, diese Migration unter anderem erst so richtig in Fahrt gebracht haben. Denn nicht ohne Grund haben viele Kinder/Jugendliche/Erwachsene ihre „stabile“ (darum auch von 2015 bis Mitte 2016 die hohe Anzahl von umFs mit türkischem Sprachwissen, plus Arbeitsverhältnissen) Situation in der Türkei aufgegeben, um sich in Richtung Deutschland in Marsch zu setzen. Um dann hier ohne Papiere; aber fast immer mit Handy, die den Zweck des Familienkontakts und der Kontrolle der zurückgelassenen Familien über die nach Deutschland verschickten Minderjährigen zu haben und zu behalten; aufzuschlagen.
Auch hierbei steht die Beauftragung und Aufforderung des Familienoberhaupts im Vordergrund. Die umFs bildeten solange sie im SGB VIII (Kinder- Jugendhilfesystem) waren einen Türöffner in monetärer für die Familien. Durch die Inanspruchnahme des SGB VIII wurde auch ein Grundstein für die Zukunft dieser umFs und ihrer Familienbande gelegt. Die umFs hatte nämlich Anspruch auf eine Berufsausbildung. Was heißt eine Chance auf einen geregelten, finanziell abgesicherter Einkommenszufluss. Nicht nur für die umFs selber, sondern auch für die restlichen Familienmitglieder. Das sind enorme Synergieeffekte.
Eine Familienzusammenführung mit den hier lebenden Verwandten haben die meisten Minderjährigen nicht erleben können. Oftmals wurden Gründe der hier lebenden Verwandten wie, „zu enge Wohnverhältnisse“ angegeben, so dass eine Familienzusammenführung auffällig sehr oft nicht stattfand. Die religiöse Pflichterfüllung der Verwandten durch das Gewähren von Wochenendbesuchen der Minderjährigen bei ihren Verwandten, war eben wichtiger als die umFs bei sich aufzunehmen.
Dennoch war und ist es für die umFs oder heutigen Erwachsenen natürlich auch schwer. Es ist die Fremde. Die Menschen stehen in einem ständigen Spannungsverhältnis: Zwischen althergebrachtem Kollektiv in der islamischen Welt und dem individuellen Anspruch in der westlichen industriellen Welt.
Auch 2015, 2016 und 2017 konnte ich unter anderem diese enorme Belastung bei den umFs in der Erstaufnahmestelle Wupperstraße und dann in der später in einer weiteren Erstaufnahmestelle Prinzregentenstraße (Berlin-Wilmersdorf) sehen. Diese Zerrissenheit, diese ständige Anspannung, die sich durch Gewalt unter anderem Bahn warf. Gewalt untereinander und gegen die Angestellten (Erzieher, Sozialarbeiter, Betreuungshelfer, SicherheitsmitarbeiterInnen wie es sie in der EAC gab? war an der Tagesordnung. Schnell sind die unterschiedlichen kulturell religiösen Abgründe zu Tage getreten:
• Permanente Krisensituation (verbale und körperliche Gewalt) waren in der Erstaufnahmestelle an der Tagesordnung.
• Auch in der Fremde die Tradition und den Glauben auf gar keinen Fall ablegen und islamische Konflikte hier austragen (Schiiten gegen Sunniten – Syrien gegen Afghanistan).
Mädchen erlebten einen besonderen Spießrutenlauf
Ramadan war in der Einrichtung in den Jahren, als ich dort arbeitete, immer ein Dauerausnahmezustand. Die Welt stand dann Kopf.
Die Kinder und Jugendlichen wollten dann beweisen, dass sie in der Fremde in Sachen Glauben die 120prozentigen sein müssten. Soziale Kontrolle war tagtäglich unter den Minderjährigen an der Tagesordnung.
Weibliche Minderjährige waren eine Seltenheit und für sie war das Leben in der Einrichtung, dominiert von männlichen Flüchtlingen, ein besonderer Spießrutenlauf. Wenn sie nicht von oben bis unten und auffällig hochwertiger Halal-Mode vor Ort in der EAC waren, war es doch mal eine Ausnahmeerscheinung einen weiblichen Flüchtling ohne Kopftuch zu sehen. Das Leben wurde dann zur Tortur. Ständige Nachstellungen, Anmachen, Begrapschen, Anfeindungen war für die Jungs und Jungmänner ganz selbstverständlich.
Bei all den inneren Irrigkeiten in der Einrichtung, gab es die äußeren. Das war und ist boomende Flüchtlingsindustrie, die als selbsternannte Anwaltschaft die Flüchtlinge um jeden Preis braucht. Angefangen von Anwälten und Flüchtlingsorganisationen, Heim- und Hostel- bzw. HotelbesitzerInnen über die bezahlten SozialarbeiterInnen, Erzieher und Betreuer, DeutschlehrerInnen bis hin zu den doch fragwürdigen Securitymitarbeiter oder der Dolmetscherbranchen. Jeder profitiert davon.
Natürlich! Ich auch.
179 Euro Tagessatz pro Person pro Zimmer – ohne Verpflegung
Es wurde Stimmung gemacht. Heute ist es das Thema Abschiebung, die unzumutbar ist und am besten abgeschafft gehört wie die Flüchtlingsorganisationen und -helfer und helfeshelfer propagieren. Als ich mit der Arbeit anfing war es die Altersbestimmung von besonders Minderjährigen. Diskreditiert wurden nicht nur die Mediziner und Verfechter vom BumF (Bundesfachverband für minderjährige Flüchtlinge) und anderen, sondern diese Untersuchungsmethode selbst.
Alles ohne System. Viel Wirrwarr. Vom Wirrwarr gekennzeichnet waren auch die kopflosen Behörden. Oder vielleicht auch mit System? So ist es für mich bis heute nicht nachvollziehbar, dass bei der amtlichen Inaugenscheinnahme seitens des Senats – so hieß die Befragung seitens des Senats für die umFs – kontinuierlich die umFs als minderjährig eingeschätzt wurden, obwohl doch zu ersehen war, dass eine gewisse Anzahl nicht minderjährig war. In den Aktenbemerkungen der Inaugenscheinnahme aus den Zeitraum 2015 bis 2017 ist nur diese Art der Feststellung vermerkt.
Alles wurde ungefragt anerkannt und durchgewunken. Aber naja wen juckt es auch. Ist es ja nur das Geld des Steuerzahlers. 179 Euro pro Tag. Soviel kostete übrigens der Tagessatz für eine Person pro Zimmer. Verpflegung und anderes nicht einberechnet. Man sieht also wieviel Geld Unterkunftsbetreiber damit machen konnten. Heute sind diese umFs von damals im Betreuten Wohnen vieler Träger untergekommen. Mit einem ähnlich hohen Tagessatz.
Ich kann heute rückblickend sagen, was ich mich damals ansatzweise während meiner Arbeitszeit dort in der EAC fragte, dass die zuständigen Behörden in Sachen Kinderschutz leider auch stellenweise durch diese chaotische Situation in diesen Jahren versagt haben. Als ab Juli 2015 die Zahl der umFs stark anstieg (teilweise mussten sie auf Decken auf dem Boden schlafen) und es gar keine Anschlussunterbringung gab, wurden die unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen in Hostels untergebracht.
Vor Ort war meist kaum pädagogisches Personal, so dass salafistische Security-Mitarbeiter auf sie einwirken konnten sowie Drogenhändler und Pädosexuelle leichtes Spiel hatten an die Kinder und Jugendlichen heranzukommen. Zu erwähnen ist auch die Problematik, dass aufgrund des inadäquaten Schutzangebotes ein Teil der Jugendlichen sich selbst überlassen wurde. Folgen waren und sind dann zum Beispiel die Problematik der rauschgiftabhängigen Kinder und Jugendlichen in den Parks von Berlin, das Abrutschen in die Prostitution( und wo Prostitution ist, sind auch immer andere Kriminalitätsdelikte bei) oder das Verheizen als billige und willige Dealer für unter anderem arabische Clans wie am Kottbusser Tor.
Kinderehen wurden fraglos akzeptiert
Ich sage mal, das hat man von Seiten der Politik billigend in Kauf genommen. Noch bis heute wird dieses Problem zumindest in Berlin totgeschwiegen. Auch bei anderen Punkten gab es zumindest Fahrlässigkeiten. So zum Beispiel beim Punkt minderjährige Ehen. Da mussten ich und meine KollegInnen erst das amtliche Schreiben des Landesjugendausschusses und dem LAGESO vorlegen, damit hausintern rechtssicher gehandelt werden konnte.
Seitens der Hausleitung gab es 2016 zuerst unhinterfragt die Verfahrensweise, Kinderehen fraglos zu akzeptieren. Hieran hat sich gezeigt, dass kulturelle Vorkommnisse höher wiegen als allgemeine Menschenrechte und Kinderschutz. (Landesjugendausschuss). Erst mit der allgemeinen Erklärung des Landesjudenschutzes wurde dann hausintern anders verfahren und auf eine andere Sichtweise umgeschwenkt.
Schon im Oktober 2015 musste ich feststellen, welche unrühmliche Rolle eine Vielzahl der Verwandten der umFs spielten. Einerseits wurde mir endgültig klar, dass die Vorgänge seit Juli 2015 nichts mit Flucht zu tun hatten. Denn Kinder/Jugendliche, die erzählen, dass sie von ihrem Oberhaupt in der Heimat losgeschickt werden, um vor Krieg zu fliehen und dann hier von Verwandten, immer nur am Wochenende unter die Fittiche genommen werden, lässt schnell das Mitgefühl für die „traumatische“ Flucht schwinden.
So trat von den Verwandten, nur der Onkel in Erscheinung (Tanten waren die Ausnahme), der am Wochenende den jeweiligen umFs mit zu sich nach Hause nahm. Was da alles passierte entzog sich unserer Kenntnis. Zurück kamen die Kinder und Jugendlichen am Sonntag oder Montag in ihrem Verhalten manchmal auffällig. Doch blieb ein Mauer des Schweigens seitens der umFs. So konnte der Verwandte sein Zakat (religiöse Pflichterfüllung für Muslime) machen und die andere Seite fragte nicht nach.
Viele waren nicht unbegleitet
Andererseits zeigte sich, dass diese Kinder und Jugendlichen ganz einfach nicht unbegleitet waren. Auf dem Weg nach Deutschland waren sie es. Eine wenige erzählten von schlimmen Erlebnissen auf dem Wege hierher, als sie in Gruppen von Unbekannten ankamen. Doch viele umFs äußerten sich nicht. Nachgefragt wurde aber auch nicht. Da herrschte so eine Art Schweigekultur seitens der MitarbeiterInnen. Solche Erlebnisse kamen hier und da durch einige persönliche Gespräche heraus.
Die Verhältnisse, wie Gewalt in der Unterkunft, Überbelegung an Minderjährigen in den ersten Arbeitsmonaten und anderer Vorkommnisse sind mir schon sehr schnell aufgestoßen. Als Februar 2016 die Dokumentation „Das Integrationswirrwarr – Große Pläne kleine Schritte“ (https://www.youtube.com/watch?v=rfUYaUQcRXA ) ausgestrahlt wurde, konnte ich nicht anders, ich musste einfach an die Produzentin schreiben. Leider kam nie eine Antwort.
Sehr geehrte Frau Rita Knobel-Ulrich
Ich habe Ihre Reportage “Das Integrations-Wirrwarr – Große Pläne kleine Schritte” gesehen, die im ZDF ausgestrahlt wurde. Ja es ist so, es herrscht per se Wirrwarr vor. Das ist wohl so gewollt damit anstehende Probleme im eigenen Land und anderswo nicht angegangen werden müssen. Und so stürzt man sich mit der Willkommenskultur auf die Flüchtlinge oder Geflüchteten wie es verschleiernd heißt, oder die die es eigentlich bei diesem Sachverhalt nicht geben soll, die Wirtschaftsmigranten. Für alles dient das Helfen im Namen der guten Sache vordergründig und vorzüglich.
Mit dem Helfen für die gute Sache kann man im Bereich der Integrationsindustrie viel Geld machen. Bezahlen tut das dann natürlich der Steuerzahler. Angefangen vom Immobilienbesitzer, der öffentlichen Hand wie Jugendämter und dessen Vertreter in der Kinder- und Jugendhilfe bis hin zum einfachen Helfer, ob ehrenamtlich oder fest angestellt – sie alle verdienen daran. Für jeden gibt es an diesem Umstand monetär oder auch rein moralisch etwas zu verdienen und zu gewinnen. Jede und jeder kann sich damit etwas Gutes tun.
Ich arbeite seit einem dreiviertel Jahr in einer Notunterkunft für unbegleitete Kinder und Jugendliche in Berlin. Davon gibt es in der Stadt bisher ganze 2 Einrichtungen. Die, in der ich arbeite hat eine Bettenzahl von 75 Plätzen. Ab Mai soll eine weitere Einrichtung in Berlin mit 60 Plätzen folgen. Wo auch immer dann die Kinder und Jugendlichen herkommen soll (die Zahl ist rückläufig). In dieser so genannten Clearingstelle verbleiben die Kinder und Jugendlichen bis zu drei Monaten bis entweder eine Familienzusammenführung stattfinden kann (was selten der Fall ist) oder eine Zuständigkeit der entsprechenden Behörden vorgenommen wird. Ziel ist es also, dass die Kinder und Jugendlichen so schnell wie möglich ausziehen können. Für die Kosten der Unterbringung kommt der Senat von Berlin auf – also der Steuerzahler. Die Kosten der Unterbringung betragen den Höchstsatz an Unterkunftskosten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Damit können also diese Träger der Kinder- und Jugendhilfe viel, sehr viel Geld machen. Und brummt das Geschäft für die jeweiligen Träger. Der Markt ist dafür jetzt da.
Ich habe die Situation ab Sommer 2015 miterlebt, als die Heilsversprechen der Kanzlerin Wirkung zeigten und die Anzahl der Kinder in der Clearingstelle immer weiter anwuchs. Als der tägliche Stress mit zwei weiteren KindererzieherInnen für bis zu 40 Kindern (unter 12) zuständig zu sein und die Spannungen wie Gewalt untereinander oder zum Personal auszuhalten und abzufedern an der Tagesordnung waren. Viele halten das nicht aus und gehen wieder. Die Fluktuationszahl der Mitarbeiter ist in dieser Einrichtung ist sehr hoch. Nicht ohne Grund wird diese Einrichtung auch “crazy hospital” genannt. Die Wenigsten arbeiten schon langjährig dort. Und dann ist da natürlich die Wut und Frustration, die viele schnell an ihre Grenze kommen lässt. Weil die Kinder und Jugendlichen sehr fordern sind und versorgt werden wollen. Da sind die Verhältnisse, die wütend machen, wenn es schon vorkommt, dass es offensichtlich ist, dass das angegebene Alter der Kinder und Jugendlichen nicht stimmt, was ihnen aber so Vorteile bringt. Oder wenn die Kinder und Jugendlichen für ihr Hiersein auch so gar nichts erbringen müssen (auch hier ist der Deutschkurs freiwillig).
Da ist zum einen die viele Gewalt (nicht zu sprechen von der Autoaggression wie Ritzen usw.) die das Arbeiten unerträglich machen. Da steckt oft dann zum einen die Belastung der Beauftragung hinter, die die Kinder und Jugendlichen in der Fremde erfüllen sollen, die Familie nach Deutschland zu holen. Die Kinder und Jugendlichen haben in der Fremde zu funktionieren.
Und das sieht man dann auch daran, wenn dann hier in Deutschland ein Verwandter (meist Onkel, kaum Tante) in Erscheinung tritt, und sich dann vornehmlich am Wochenende um die Kinder und Jugendlichen kümmert. Vielen geht es nach dem Besuch bei der Verwandtschaft emotional nicht gut.
Zum anderen ist es die Abneigung diese Kinder und Jugendlichen gegenüber dem für sie Fremden hier. Da ist Verachtung ein Repertoire – die Frauenverachtung und alles weitere.
Was auffällig ist, ist die permanente Aufforderung der Kinder und Jugendlichen nach Versorgung, nach dem Geben. Und sie bekommen es auch. Da ist ständige Überversorgung am Werk. Dieses passive und unautonome Verhalten führt dann letztlich zu weiteren Aggressionen, die dann in der Clearingstelle oder außerhalb zu Tage treten: Gewalt unter einander oder zum Personal, selten mal Diebstahl oder andere Delikte, ab und zu Drogenkonsum und Verkauf.
Auch in der Einrichtung selber, wo ich arbeite sind schon Drogen in einigen Verstecken in der Einrichtung gefunden worden.
Ich könnte noch weitere Themen, die problematisch sind aufzählen wie zum Beispiel das Thema der Übersetzer, wo keiner wirklich die Hintergründe kennt und wie sie überhaupt übersetzen. Im Falle von Eritrea gib es ja den Umstand das Übersetzer als verlängerter Arm der dortigen Regierung tätig sind und hier die Leute unter Druck setzen. Oder eben das Frauen oder Mädchen von ihren Fluchterfahrungen (da kommt es ja oft zu Belästigungen oder auch Vergewaltigungen durch die männlichen Flüchtlinge) vor Männer hier dann sprechen sollen, ohne dass man nur in irgendeiner Weise die ganzen Zusammenhänge kapiert. Das beobachte ich auch oft in der Clearingstelle, in der ich arbeite.
Über die Flüchtlingsthematik wird in Deutschland nur in sehr verschleiernder Weise gesprochen. Von den Problemen, die diese männliche Flucht, so zeigt sie sich bisher, mit sich bringt, angefangen von Entstehen bis hin zum Thema, wer ist nun eigentlich Flüchtling und wer ist nun eigentlich Migrant, will man herzlich wenig wissen. Mit ihrem Beitrag stellen Sie aber diese Fragen. Dafür sage ich danke, denn das ist wichtig. Denn das Wegschauen und das Belassen wird uns eines Tages sehr auf die Füße fallen.
Reaktionen gibt es seit 2015 auf die Flüchtlingskrise nicht in angemessener Form. Stattdessen wird erregt die Problematik weggedrückt. Da wird lieber wieder in Deutschland denunziert, sich ereifert und man wird feige.
Martyn Ringk
Es gab noch viele Ereignisse zu berichten, die Erklärungen über das Thema Migration/Flucht in seiner Wirklichkeit darstellen. Migration und oder Flucht liegen nicht etwa hinter uns, sondern auch weiterhin vor uns. Seit Januar 2019 sind die Zahlen von Flüchtlingen in der EU wieder angestiegen.
Das Thema bleibt also ein Dauerbrenner. Zeit also genau hinzuschauen und nicht weiterhin ignorieren, weil es bestimmten Gruppen und Kreisen in den Kram passt wegzuschauen. Deshalb habe ich mich der Initiative an der Basis angeschlossen, um mit meinem Wissen eben, weil ich an der Basis arbeite – beratend tätig sein möchte. Wir wollen aufklären, wer sonst wen nicht wir, die die Realität direkt mitbekommen?
Da hier die Mädchen und jungen Frauen nur sehr wenig erwähnt wurden, will ich im zweiten Teil ( TEIL 2) genauer darüber berichten.
Martyn Ringk war Erzieher in Berlins Erstaufnahme- und Clearingstellen für unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche (EAC für umF), und er ist Mitglied der „Initiative an der Basis„. Diese hat einen Forderungskatalog aufgestellt
Der Beitrag erschien zuerst auf der Webseite der „Initiative an der Basis“.
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