Fritz Vahrenholt: Das Verschweigen natürlicher Erwärmung

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt über den heißen Juli 2023 im Speziellen, die Erwärmung der letzten 20 Jahre im Allgemeinem, über Wasserdampf als Treibhausgas und ihre – jeweils natürlichen – Ursachen.
Titelbild
Können nichts für die Erwärmung: Vikunas, wilde Verwandte der Lamas, auf den Hochebenen des Chimborazo, Ecuador. Der Vulkan könnte eine Rolle spielen.Foto: iStock
Von 11. August 2023

Im Juli 2023 ist die Abweichung der globalen Temperatur vom 30-jährigen Mittel der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) gegenüber dem Mai sehr deutlich angestiegen. Der Wert beträgt 0,64 Grad Celsius und stellt die zweithöchste Abweichung vom langjährigen Mittel seit 1979 dar.

Der für die Messungen verantwortliche Dr. Roy Spencer stellte fest, „dass etwas Seltsames vor sich geht“. Über mögliche Ursachen hierfür lesen Sie unten mehr.

Der Temperaturanstieg beträgt im Durchschnitt pro Jahrzehnt seit 1979 nunmehr 0,14 Grad Celsius.

Die Temperaturen im Juli 2023 überstiegen das langfristige Mittel um +0,64 °C. Anfang 2016 und im Frühjahr 1998 waren die Abweichungen ähnlich. Foto: Dr. Roy SpencerUniversity of Alabama, Huntsville

Der Ausbruch des Hunga-Tonga …

Am 15. Januar 2022 ereignete sich die Eruption des unterseeischen Vulkans Hunga-Tonga im Südpazifik nahe dem Tonga-Archipel. 146 Milliarden Tonnen Wasser wurden bis 40 Kilometer in die Stratosphäre hochgeschleudert. Der Wasserdampf – das mit Abstand bestimmende Treibhausgas unserer Erde – erhöhte sich in der Stratosphäre um zehn bis 15 Prozent.

Nach Angaben der NASA ist die Hunga-Tonga-Explosion die größte bekannte Wassereruption in die Stratosphäre. Normalerweise schießen Vulkane wie der Pinatubo Asche und Schwefelverbindungen in die Atmosphäre und führen dadurch zu einer Abkühlung.

Der Hunga-Tonga liegt jedoch 150 Meter unter der Wasseroberfläche und hat daher hauptsächlich Wasser hochkatapultiert. Wasserdampf in der Stratosphäre führt zu einer Temperaturerhöhung. Der Wasserdampf verteilt sich aufgrund fehlender Windströmungen in der Stratosphäre langsam, sodass die Spitze der Temperaturerhöhung ein bis zwei Jahre nach dem Ereignis, also in diesem Jahr, zu erwarten ist.

Nach Susan Solomon, Stratosphärenphysikerin am renommierten US-amerikanischen MIT, wird die globale Temperatur drei bis fünf Jahre lang um etwa 0,05 Grad Celsius erhöht. Ebenfalls ist in den nächsten fünf Jahren mit mehr Niederschlag zu rechnen.

… und das Schweigen der Klimawissenschaftler

Bei einem durchschnittlichen Anstieg der Temperatur der letzten 40 Jahre von 0,014 Celsius pro Jahr wird der Anstieg durch Hunga-Tonga etwa verdoppelt. Inwieweit die Veränderung der Stratosphäre den Jet-stream und die dadurch entstehenden blockiertem Wetterlagen beeinflusst, wäre eine interessante Aufgabe für unsere Wetterforscher.

Nimmt man hinzu, dass sich im Sommer 2023 ein neuer El Niño im Pazifik gebildet hat, der üblicherweise die globalen Temperaturen – siehe 1998, 2010, 2016 im obigen Diagramm – um 0,3 bis 0,5 °Celsius erhöht, sind die Juni- und Juli-Rekordtemperaturen auf natürliche Weise, also ohne CO₂ erklärbar.

Stattdessen erwischte uns eine Lauterbachsche Hitzetoten-Erklärung aufgrund des CO₂-bedingten Klimawandels mit den Worten: „Der Klimawandel zerstört den Süden Europas. Eine Ära geht zu Ende.“ Kein Wort über El Niño oder Hunga-Tonga in den Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es hätte wohl das schrille CO₂-Narrativ Anfang Juli zu sehr gestört, wenn auf natürliche Ursachen einer Wetterveränderung hingewiesen worden wäre.

Auch andere Ursachen der Erwärmung werden verschwiegen

Ich hatte vor knapp zwei Jahren über eine Peer-Review-Veröffentlichung von Hans-Rolf Dübal und mir in der Fachzeitschrift „Atmosphere“ über die Erhöhung der globalen Sonnenscheindauer und den Rückgang der Wolken berichtet. Demnach ist die Erwärmung der Erde in den letzten 20 Jahren im Wesentlichen auf eine höhere Durchlässigkeit der Wolken für die kurzwellige Sonneneinstrahlung zurückzuführen.

Aufgrund der Strahlungsdaten des satellitengestützten CERES-Projekts der NASA konnten wir feststellen, dass die langwellige Rückstrahlung – der sogenannte Treibhauseffekt – in diesen 20 Jahren nur zu einem geringeren Teil zur Erwärmung beitrug. Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein Team der NASA um Norman Loeb.

Eine Diskussion unter Klimawissenschaftlern über dieses überraschende Ergebnis fand noch nicht statt. Nun haben wir – zwei Jahre später – die neuesten Satellitendaten ausgewertet und stellen fest, dass der Rückgang der Wolken anhält und den wesentlichen Teil der Erwärmung ausmacht. Dies gilt auch für Europa.

Erwärmung vom Menschen begünstigt

Wolkenbedeckung und Sonnenscheindauer in Europa ermittelt die EU im Rahmen des Copernicus-Programms. Aktuelle umfassen die Daten die Jahre 1983 bis 2022.

Prozentuale Abweichung der jährlichen Wolkenbedeckung vom langjährigen Mittel und ihre geografische Verteilung 2022. Foto: EUMETSAT CM SAF

Bis zu 400 Sonnenstunden mehr im Jahr sorgen für Erwärmung in Europa.

Analog zum Rückgang der Wolkendecke nimmt die Sonnenscheindauer zu. 2022 waren es in Mittel- und Westeuropa bis zu 400 Stunden mehr als im Schnitt der letzten 30 Jahre. Foto: EUMETSAT CM SAF

Beim Blick in die Vergangenheit (Diagramme) zeigt sich, dass die Wolkendecke (oben) in den letzten 40 Jahren etwa zehn Prozent abgenommen hat und dass – damit verbunden – die Sonne (unten) heute im Schnitt über 200 Stunden länger scheint als in den 80er-Jahren. Das bleibt nicht ohne Folgen:

Vergleicht man diese Entwicklungen mit der Temperaturänderung in Europa, so ist eine sehr große Übereinstimmung feststellbar.

Die Erwärmung der letzten 20 Jahre (unten) ist wesentlich auf den Rückgang der Bewölkung (o) und den damit verbunden Anstieg der Sonnenscheindauer (m) zurückzuführen.

Die Erwärmung der letzten 20 Jahre (unten) ist wesentlich auf den Rückgang der Bewölkung (oben) und den damit verbundenen Anstieg der Sonnenscheindauer (Mitte) zurückzuführen. Foto: Copernicus (EUMETSAT CM SAF, C3S/ECWMF/KNMI), Komposition: ts/Epoch Times

Als Ursachen der Wolkenverdünnung kommen im Wesentlichen zwei Faktoren infrage:

1. Der Rückgang der Aerosole – der Staubpartikel – aufgrund der Luftreinhaltung in den letzten 30 Jahren. Aerosole können die Wolkenbildung begünstigen. Saubere Luft könnte dazu geführt haben, dass die Bildung niederer Wolken zurückgegangen ist.

2. Die seit 1985 festzustellende Erwärmung des Atlantiks aufgrund der atlantischen dekadischen Oszillation (AMO), die in einem 60-jährigen Zyklus zwischen Wärme- und Kälteperioden schwingt. Die Korrelation ist hoch.

Mögliche Ursachen für die Erwärmung der letzten 20 Jahre: Der Mensch (durch die Reduktion von Aerosolen) und/oder die 60-jährige Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO).

Mögliche Ursachen für die Erwärmung der letzten 20 Jahre (oben): die 60-jährige Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO). Vergleichsperiode dunkelrot hervorgehoben. Foto: Copernicus (C3S/ECWMF/KNMI), NOAA via public domain), Komposition: ts/Epoch Times

Kein Sonnenschein in Modellen und Debatten

Welchen Anteil an der Erhöhung der Sonnenscheindauer der Rückgang der Aerosole und/oder die zyklische AMO haben, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen.

Natürlich könnte auch das CO₂ über seinen Erwärmungseffekt zum Wolkenrückgang beigetragen haben. Aber auch dann bleibt festzuhalten, dass nicht die Zunahme der durch CO₂-bedingten langwelligen Rückstrahlung der wesentliche Grund für die Erwärmung der letzten 20 Jahre war, sondern die Zunahme der direkten Sonneneinstrahlung aufgrund des Rückgangs der Wolkenbedeckung.

Warum geben die Klimamodelle, die die politische Debatte prägen, dies nicht zutreffend wieder?

In Anbetracht der offenen Fragen über den Anteil des CO₂ an der Temperaturerhöhung der letzten 20 Jahre muss man über die Rigidität und Rücksichtslosigkeit erschreckt sein, mit der die deutsche und europäische Politik eine Netto-Null-Politik für CO₂ im Alleingang betreibt und damit die Zerstörung des Wohlstands in Kauf nimmt.

Ideologie verzerrt Wettbewerb

Politik definiert sich zunehmend als Klimapolitik. Daher tragen Klimaforscher eine hohe Verantwortung in unserem Land, in dem sie wie in kaum einem anderen Land einen hohen politischen Einfluss haben. Dabei wird wenig beachtet, dass Klimaforscher sich aufgrund der medialen Nachfrage aufs dünne Eis gesellschaftspolitischer Ratschläge begeben.

So war in den heißen Tagen des Julianfangs der Klimaforscher Mojib Latif ständiger Gast auf allen öffentlich-rechtlichen Kanälen. Er meinte darauf hinzuweisen, „wenn sich das Klima immer weiter ändert, können Sie den Wohlstand auch vergessen. Dann funktioniert nichts mehr auf der Welt.“ Dabei habe die nächste industrielle Revolution bereits begonnen. „Es wird auch um erneuerbare Energien gehen.“ Deutschland aber könnte das Nachsehen haben, denn „die Chinesen zum Beispiel sind viel schneller als wir. Wir laufen Gefahr, die neuen Märkte zu verlieren.“

Chinas Marktführerschaft bei Solarzellen, Windturbinen, Batterien und Elektroautos – mit denen sie demnächst Europa überschwemmen werden – ist im Wesentlichen bedingt durch die Erzeugung billigen Stroms auf Basis von Kohle und Kernenergie. Die CO₂-Emissionen Chinas steigen dramatisch, die in Europa sinken bei Strafe des wirtschaftlichen Untergangs.

Wie wäre es mit der Idee, bei Gütern, die im harten Wettbewerb mit China stehen, die CO₂-Emissionen nur insoweit zu reduzieren, wie dies auch die mit Abstand größte Exportnation der Erde zu tun bereit ist?

Die Politik in Deutschland hat der Industrie und den Bürgern den Mühlstein der höchsten Strompreise der Welt um den Hals gehängt. Die deutschen Industriestrompreise sind dreimal so hoch wie in China, und zwar aufgrund der hohen europäischen CO₂-Zertifikatskosten, des Ausstiegs aus der Kernenergie und des hohen Anteils an erneuerbaren Energien hierzulande.

Wenn dann ein Klimawissenschaftler bemängelt, dass wir nicht so erfolgreich und kostengünstig sind wie China, frage ich mich, wie gut dieser Mann die vier Grundrechenarten beherrscht.

Über den Autor:

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.

Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“, 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net

Dieser Artikel erschien im Original auf klimanachrichten.de unter dem Titel: „Fritz Vahrenholt: Das Verschweigen natürlicher Erwärmung“ (redaktionelle Bearbeitung ts)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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