Norbert Häring: Was die Regierung jetzt gegen die Krise und für die Zukunft unserer Industrie tun muss

Die deutsche Wirtschaft war auf einem in mehrfacher Hinsicht nicht durchhaltbaren Pfad. Jetzt ist die Regierung gefordert, durch mutiges und planvolles Handeln eine tiefe Umstellungskrise zu vermeiden.
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Immer noch ein paar Eier im Körbchen der Zukunft sieht Gastkommentator Dr. Norbert Häring. Vielleicht sogar goldene?Foto: iStock
Von 17. August 2019

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal geschrumpft und alle Indizien deuten darauf hin, dass es im dritten Quartal, das gerade Halbzeit hat, eher schlechter gelaufen ist als besser. Das liegt nur vordergründig an Donald Trump und seinen Handelskriegen. Die deutsche Wirtschaft war auf einem in mehrfacher Hinsicht nicht durchhaltbaren Pfad. Jetzt ist die Regierung gefordert, durch mutiges und planvolles Handeln eine tiefe Umstellungskrise zu vermeiden.

Das deutsche Erfolgsmodell war nicht nachhaltig, weil es die Grenzen der Verschuldungsfähigkeit der übrigen Welt ignorierte und weil es ignorierte, dass wir schon sehr nahe an den Grenzen der ökologischen Belastbarkeit unseres Heimatplaneten sind.

Was die ökonomischen Grenzen angeht, so kann es nicht auf Dauer funktionieren, dass neben dem aufholenden Riesenreich China mit 1,5 Milliarden Menschen auch das reiche Deutschland versucht, seinen Wohlstand durch Export und Sparsamkeit zu steigern, und auf Dauer jedes Jahr sieben oder acht Prozent seiner Wirtschaftsleistung mehr exportiert als zu importiert.

Das Gegenstück zu den Exporterfolgen dieser beiden Nationen ist, dass die übrige Welt immer höhere Auslandsschulden aufbaut. Je länger das geht, desto mehr Länder erreichen ihre Verschuldungsgrenze und wollen oder können dieses Spiel nicht mehr mitmachen. Hätte Trump sich nicht quergestellt, hätten es früher oder später andere getan. Oder es wären einfach immer mehr Länder – auch EU-Länder – in Krisen geraten und hätten uns unsere Exporte nicht mehr abnehmen können.

Was die ökologischen Grenzen angeht: Ohne einen Plan, wie man Individualverkehr mit den Erfordernissen des Klimaschutzes und dem Erhalt lebenswerter Städte vereinbaren kann, muss eine Industrie, die ganz wesentlich vom ungebremsten Wachstum des Individualverkehrs abhängt – früher oder später in die Krise rutschen.

Die deutsche Wirtschaft erlebt also derzeit eine Kombination aus Konjunkturkrise und fundmentalen Umstellungsproblemen, die das Zeug hat, sich zu einer tiefen Strukturkrise auszuwachsen. Gegen beides hilft jetzt nur noch schnelles und mutiges Planen und Handeln der Regierung.

Gegen die Konjunkturkrise

Dagegen, dass die Rezession sich vertieft hilft ein Umschalten in der Finanzpolitik auf Mehr-Geld-ausgeben-als-einnehmen, um die Nachfrage zu beleben. Denn die Unternehmen und privaten Haushalte neigen vernünftiger Weise dazu, in der Krise ihre Ausgaben zu kürzen. Das kann leicht in eine Abwärtsspirale von Nachfragemangel, Einkommensausfälle, Sparen und dadurch noch größerem Nachfragemangel führen.

Was nicht hilft, oder allenfalls ganz kurzfristig, sind Maßnahmen, die auf der falschen Problemdiagnose aufbauen, Deutschland habe nicht genug für seine Wettbewerbsfähigkeit getan. Deshalb müssten jetzt unter anderem die Steuern für die Unternehmen gesenkt werden. Dass die deutsche Industrie preislich nicht wettbewerbsfähig genug sei, ist angesichts jahrelanger riesiger Exportüberschüsse eine geradezu absurde Behauptung.

Für die Zukunftsfähigkeit

Um eine tiefe Umstellungskrise der deutschen Industrie zu verhindern ist wichtig, dass das zusätzliche Geld so ausgegeben wird, dass es die langfristigen Herausforderungen lösen hilft und nicht verschärft. Kluge und verlässliche Planung ist gefragt. Das erst schafft die Voraussetzung für die nötigen Investitionen der Privatwirtschaft, die auch konjunkturell viel helfen würden.

Denn in nicht nachhaltige Geschäftsmodelle investiert man nicht mehr als nötig und in neue Geschäftsmodelle nur dann, wenn die Unsicherheit nicht zu hoch ist. Die Politik darf sich deshalb nicht weiter in unzusammenhängenden, symbolischen Aktionen erschöpfen, wie dem angedachten Verbot von Plastiktüten und einer Abwrackprämie für Ölheizungen.

Ein integrierter Gesamtplan fehlt

In der Energiepolitik macht das Fehlen eines Gesamtplans die vielen Einzelmaßnahmen zu teuer und gleichzeitig wenig wirksam. In der Verkehrspolitik gilt dasselbe und bei beiden passt nicht einmal die Richtung zusammen. Wenn man Solarenergie und Windkraft massiv fördert, braucht man einen schlüssigen Plan, wie man mit der stark schwankenden Energieerzeugung aus diesen Quellen umgeht. Die angestrebte, aber mangels Ladenetz bisher unterbliebene, massive Vermehrung der Elektroautos auf den Straßen würde das Problem noch verschärfen.

Man stelle sich zehn Tage ohne Sonne und Wind im Dezember vor, mit Millionen Elektroautos, deren Batterien leer werden. Nach einigen Tagen wollen zusätzlich zum normalen Strombedarf alle ihre Batterien laden und Weihnachtsplätzchen backen, aber es gibt keinen Sonnen- und Windstrom.

Aber die Regierung gibt keine Signale, dass sie überhaupt an einem übergreifenden integrierten Plan für die Energieversorgung, -verteilung und -nutzung arbeitet. Schon die regionale Verteilung der Kraftwerke und der Ausbau des Verteilnetz scheinen nicht vernünftig koordiniert zu werden.

Ein paar Ideen:

  1. Braunkohleförderung beenden. Arbeitsplatzaufbau in den betroffenen Regionen fördern. Lizenzen und Aufträge des Staates wo immer möglich davon abhängig machen, dass nicht ortsgebundene Investitionen in diesen Regionen getätigt werden.
  2. Einen verlässlichen Plan zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs erstellen, damit Daimler und Co. ihre Kapazitäten stärker darauf verlagern können.
  3. Car-Sharing finanziell und administrativ fördern und durch staatliche Koordinierung dafür sorgen, dass die nötigen Skaleneffekte (großes Angebot mit Auto an fast jeder Ecke) erreicht werden, vor allem auf dem Land.
  4. CO2-Steuer nicht für die Verbraucher von Energieträgern, weil das viel zu viele sind, sondern auf die Importeure und Produzenten dieser Energieträger. Dann lässt sich das viel leichter handhaben.
  5. Erstellen eines Planes, welche Branchen eingehen, wenn man den CO2-Preis auf das nötige Niveau anhebt, und was man tut, um deren Beschäftigte in Lohn und Brot zu halten. Ohne das ist das Gerede um CO2-Bepreisung nur Symbolpolitik, weil der Preis notwendigerweise zu niedrig bleiben wird.
  6. Aufhören von emissionsfreien Verkehrsmitteln etc. zu reden, weil es die nicht gibt. Selbst die Segelyacht, mit der Greta Thunberg zur UN und wieder zurück segelt, ist für viel CO2 verantwortlich, wenn man richtig rechnet. Wenn man so tut als wären Elektroautos emissionsfrei, kann man keinen vernünftigen Plan erstellen.

Die traurige Wahrheit wird dann allerdings offenbar, dass wir die Klimaziele ohne kräftige Reduktion unseres materiellen Verbrauchs nicht erreichen können. Aber das muss nicht schlimm sein. Denn es gibt vieles, was das Leben der Menschen deutlich verbessern könnte, ohne mit materiellem Verbrauch verbunden zu sein – zuvorderst bessere Pflege, bessere Kinderbetreuung und Krankenversorgung, weniger Arbeit, mehr Freizeit und mehr sinnvolle Freizeitbeschäftigungen.

English Version

Zuerst erschienen auf  Norbert Häring Geld und mehr

Der Autor: Norbert Häring ist seit 1997 Wirtschaftsjournalist. Der promovierte Volkswirt arbeitete vorher einige Jahre für eine große deutsche Bank. 2002 wechselte er zum Handelsblatt, für das er seither schreibt. Er engagiert sich in der World Economics Association für eine weniger einseitige und dogmatische Ökonomik. Er ist Träger des Publizistik-Preises der Keynes-Gesellschaft und des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises von getAbstract (Ökonomie 2.0).

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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