Peter Haisenko: Wohnungsnot und Mietwucher – Das gesamte System braucht eine Grundrenovierung

Der allgemeine Mangel an günstigen Wohnungen ist einem Prozess geschuldet. Die Geschichte begann aber schon früher ...
Titelbild
"Der schwarze Peter ist aber nicht nur Merkel und der CDU/CSU anzuhängen, schließlich hat die SPD während dieser Jahre lang genug mitregiert." (Peter Haisenko)Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 8. April 2019

Mietwucher kann verschiedene Formen haben. Einmal von Haus aus Mieten, die in ihrer Höhe einem Mangel geschuldet sind, und auf der anderen Seite große Wohnanlagen, die billig erworben dem Verfall preisgegeben werden, bis der Zustand der Anlage selbst ehemals günstige Mieten als überteuert klassifiziert. Der allgemeine Mangel an günstigen Wohnungen ist einem Prozess geschuldet, der mit der Regentschaft von Kanzlerin Merkel Fahrt aufgenommen hat.

Am 17.07.2004 habe ich bei der Staatsanwaltschaft München einen Antrag auf Aufnahme von Ermittlungen und vorbehaltlich Antrag auf Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der BfA (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) wegen des Verkaufs von 100.000 Wohnungen zum Preis von 1,8 Milliarden Euro an einen nordamerikanischen Investor gestellt. (Quelle: Meldung im ZDF am 15.07.2004). Die Münchner Staatsanwaltschaft begrüßte meine Initiative, musste mich aber an die Staatsanwaltschaft Berlin verweisen und diese hat mein Ansinnen rundweg abgelehnt. Ich zitieren auszugsweise aus der Begründung für meine Anzeige:

„Nach dem öffentlich genannten Zahlenmaterial ergibt sich folgende Rechnung:

1,8 Milliarden Euro geteilt durch 100.000 Wohnungen ergibt einen Preis pro Wohnung von durchschnittlich Euro 18.000 (achtzehntausend). Das ist, betrachtet man den deutschen Immobilienmarkt, äußerst wenig.
Eine Gegenrechnung würde wie folgt aussehen:

Nehmen wir eine durchschnittliche Wohnungsgröße von 60 qm an, so kann davon ausgegangen werden, dass pro Wohnung eine Miete von ca. Euro 250,- pro Monat erzielt wird. Das ergibt eine Jahresmiete von Euro 3.000. Bei handels- und steuerüblicher Kalkulation wird das Zwanzigfache der Jahresmiete als Basis für den Wohnungswert gerechnet. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Wohnungswert von Euro 60.000. Multipliziert mit 100.000 Wohnungen errechnet sich ein reeller Wert dieses Wohnungspakets von Euro 6.000.000.000 (sechs Milliarden). Diese Berechnungsgrundlage ist vorsichtig und äußerst niedrig kalkuliert.

Die Veräußerung des Wohnungspaketes durch die BfA an einen nordamerikanischen Investor zum Preis von 1,8 Milliarden ergibt eine Rendite von mehr als 15% zugunsten des Investors. Das ist marktunüblich. ……

Es ist darüberhinaus anzunehmen, dass auch gegenüber den Mietern dieser Wohnungen aller Wahrscheinlichkeit nach deutsches Recht verletzt wurde, da nicht kenntlich ist, ob den jeweiligen Mietern ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Ich kann mir faktisch nicht vorstellen, dass 100.000 Mieter auf den Kauf ihrer Wohnung zu einem durchschnittlichen Preis von 18.000 Euro verzichtet hätten.”

Massenverkäufe von Wohnungen zu Spottpreisen an ausländische Investoren

Die Regierung unter Kanzlerin Merkel hätte als Aufsichtsbehörde für die BfA diesen “Deal” verhindern, verbieten müssen, denn es ist offensichtlich, dass das mit der Verantwortung für das Wohl der Bürger nicht vereinbar war und ist. Unverständlicherweise folgten weitere Massenverkäufe von Wohnungen an angelsächsische Kapitalgesellschaften, in Dresden, München und weniger auffälligen Orten.

All diesen Verkäufen ist gemein, dass die neuen Eigentümer die Instandhaltung der Objekte vernachlässigten, dafür aber, wo immer möglich, die Mieten erhöht haben. So sind einst gutbürgerliche und mietgünstige Wohnanlagen Stück für Stück zu sozialen Brennpunkten geworden.

Nebenbei stelle ich fest, dass keiner dieser verschleuderten Wohnanlagen eine ordnungsgemäße Ausschreibung vorangegangen ist. Ich selbst hätte mehr geboten und auch die Finanzierung durch Banken erhalten, denn die obige Rechnung zeigt, dass das ein risikoloses Projekt gewesen wäre.

Es geht weiter. In Berlin sind Hunderttausende Wohnungen in DDR-Plattenbauten einfach gesprengt worden. Das mit dem Argument, der Berliner Immobilienmarkt müsse stabilisiert werden. Gewiß entsprachen diese Bauten nicht dem westlichen Standard, aber sowohl Größe und Schnitt der Wohnungen waren durchaus ansprechend.

Mit einfachen Modernisierungsmaßnahmen hätte man sie zu begehrten Objekten machen können. Begehrt deswegen, weil sie preiswert geblieben wären. Das andere Argument, nämlich dass die Bevölkerung Berlins abnimmt, war kurzsichtig und wahrscheinlich zweckorientiert, wie die Entwicklung gezeigt hat.

Seit einigen Jahren ist unübersehbar, dass der Berliner Wohnungsmarkt zu einem Mangelmarkt geworden ist. Dennoch verhindert der Berliner Senat raschen Neubau mit unendlich langen Genehmigungsverfahren und unsinnigen Bauvorschriften, die noch dazu Neubauten unnötig teuer machen. Jetzt brennt es nicht nur in Berlin und die Leute gehen protestierend auf die Straße.

Das geht einher mit der populistischen Forderung des linken Lagers, Wohnungsgesellschaften zu enteignen. Abgesehen davon, dass das ein ganz tiefer Griff in die Klamottenkiste des Kommunismus ist, wäre das ein weiteres Geschenk an die Kapitaleigner. Diese müssten nämlich im Fall der Enteignung entschädigt werden, und zwar in Höhe des heutigen Realwerts, der heute ein Vielfaches dessen beträgt, wofür diese Wohnungen vormals verschleudert worden sind.

Die Parallele dazu kann mit den kommunalen Ver- und Entsorgungsbetrieben beobachtet werden, die nach gescheiterter Privatisierung auch teuer zurückgekauft werden. Anzumerken ist, dass durch diese mögliche Enteignung keine einzige neue Wohnung entsteht und auch nicht damit zu rechnen ist, dass die Mieten gesenkt werden.

Wer glaubt denn noch an eine funktionsfähige Demokratie?

Der schwarze Peter ist aber nicht nur Merkel und der CDU/CSU anzuhängen, schließlich hat die SPD während dieser Jahre lang genug mitregiert. Damit komme ich zu einer seit Jahrzehnten praktizierten Methode: Die schlimmen Sachen werden immer von denjenigen durchgeführt, die eigentlich genau dagegen sein müssten. Zum Beispiel der Jugoslawienkrieg. Wäre die CDU am Ruder gewesen, hätten Grüne (die sich selbst “Friedenspartei” nennt!) und SPD laut dagegen protestiert, protestieren müssen.

So aber haben sie es selbst gemacht und die CDU hat programmgemäß stillgehalten. Hätte eine CDU-Regierung das Programm “Agenda 2010” (Hartz IV) durchziehen wollen, wären Grüne und SPD in Scharen mit Protesten dagegen auf der Straße gewesen. So aber haben die Schwarzen ihr stillschweigendes Plazet dazu gegeben, weil es ja eigentlich ihr Programm gewesen wäre. Dass dem so ist sieht man daran, dass sich Merkel und Co entschieden gegen eine Revision von Hartz IV positionieren.

Mit der Privatisierung von Staatsunternehmen oder Staatseigentum ist die Zusammenarbeit von CDU und SPD geradezu dynamisch. Die SPD macht die Gesetze und die CDU dann die Schweinereien, die nur möglich sind, weil die SPD vorab die Gesetze gemacht hat. Wer da noch an eine funktionsfähige Demokratie glaubt, dem ist nicht mehr zu helfen. Die Systemmedien sorgen dafür, dass immer gerade der das Kanzleramt besetzen darf, der mit den geringsten Protesten der “Opposition” rechnen kann, wenn er das macht, was eigentlich dem Programm der “Opposition” entspräche.

So ist gerade in den Städten die Wohnungsnot am größten, wo die SPD lange das Sagen hat. Eben weil sie günstigen Wohnraum verscherbeln, wogegen sie eigentlich sein müssten. Auch beim Verkauf der GBW in Bayern, wofür die CSU verantwortlich war, haben sie nicht protestiert. Das kam erst später im Wahlkampf, nachdem es unumkehrbar war.

Rein theoretisch hätten die Mieten mit der Niedrigzinspolitik sinken können. Die jetzt geringeren Aufwendungen für Kapitaldienst hätten niedrigere Mieteinnahmen gestattet. Gut, das ist jetzt doch zu idealistisch gedacht. Es geschah nämlich das Gegenteil. Wegen der Niedrigzinsen sind die Immobilienpreise in untragbare Höhen geschossen und so haben wir den Zustand, dass mit Wohnimmobilien kaum noch Rendite zu machen ist, selbst mit exorbitanten Mieten. Gut, wer sich bereits vorher mit billigsten Immobilien eindecken konnte, die staatlicherseits verramscht worden sind.

Das gesamte System ist von Grund auf krank

Die Wohnungsnot ist der Politik der vergangenen 30 Jahre geschuldet. Und zwar der aller Parteien. Gerade in Berlin wird sichtbar, dass nicht einmal die Linke dagegen eingeschritten ist, als sie in Berlin mitregiert hatte. Der Staat selbst, das Finanzamt, verbietet Vermietern sogar, besonders günstige Mieten bereitzustellen. Es gab in den letzten Monaten etliche Fälle, wo das Finanzamt Vermietern Abschreibungen nicht genehmigt hat mit dem Argument, dass die Vermietung nur ein Hobby sein kann, wenn günstige Mieten genommen werden.

Die Änderungen der Gesetze zur Kapitalmarktregulierung hat auch die SPD zu verantworten. Die CDU, Merkel, hat das weiter geführt, nicht im Kleinsten revidiert. So sind die “Cum-Ex-Geschäfte” möglich, weil die SPD und die Grünen die Gesetzeslage gestaltet haben. Das ist bekannt seit 19 Jahren und die Merkel-Regierung sieht sich nicht in der Lage, dem Einhalt zu gebieten.

Die Vorschriften für den Wohnungsbau, die Bauen richtig teuer machen, sind ohne Protest irgendeiner Partei durchgewunken worden. So ist es purer Populismus, jetzt zu lamentieren und Enteignung zu fordern, obwohl jeder wissen kann, dass das mit höchster Wahrscheinlichkeit niemals stattfinden wird.

Das gesamte System ist von Grund auf krank. Die Politik wird beherrscht von denjenigen, die das Geld haben und genau die sorgen mit ihrem Medienmonopol dafür, dass ihre Vasallen an der Macht bleiben und flächige Proteste ausbleiben, die brennenden Themen gar nicht ernsthaft diskutiert werden. Demokratie? Wohl eher von den Medien gesteuertes Stimmvieh!

Fakt ist, dass in der “Ära Merkel” die Wohnungsnot explodiert ist, ebenso wie die Arbeitsplätze mit prekärer Bezahlung, also die Armutsquote. Wo ist da irgendein Fortschritt geblieben? Ist es nicht der – schlechte – Witz des Jahrhunderts, dass in einer der reichsten Industrienationen überhaupt über Mindestlöhne diskutiert werden muss?

Und immer noch behaupten die Medien, Kanzlerin Merkel hätte hohe Zustimmungsraten. Beim Zustand des Wohnungsmarkts nach 14 Jahren Merkel und den massenhaften prekären Beschäftigungsverhältnissen, kann ich nur sagen: Danke, Frau Merkel! Ach nein, das sagen die Kapitalgesellschaften und Miethaie ja schon.

Das gesamte System braucht eine Grundrenovierung. Dazu reicht es nicht aus, an irgendwelchen Stellschrauben des bestehenden Systems herum zu doktern. Dass das System zusammenbrechen wird, ja muss, steht außer Frage. Es geht nur um den Zeitpunkt. Aber was dann? Mit demselben System wieder anfangen? Mit der Aussicht, dass es in wenigen Jahrzehnten wieder da ist, wo wir heute stehen? Wäre es nicht besser, vor dem Zusammenbruch über ein grundsätzlich neues System nachzudenken, das Aussicht auf Beständigkeit hat? Das den Defiziten des Alten einen Riegel vorschiebt? Die Macht des Kapitals konsequent verhindert? Das wieder echte Marktwirtschaft und Demokratie ermöglicht?

Zuerst erschienen bei www.anderweltonline.com

Peter Haisenko war Pilot bei der Lufthansa und flog 30 Jahre im weltweiten Einsatz als Copilot und Kapitän. Seit 2004 ist er als freier Autor und Journalist tätig. Er ist Inhaber und Herausgeber des Online-Portals www.anderweltonline.com

Gemeinsam mit seinem Chefredakteur Hubert von Brunn hat er ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entwickelt, und zwar für die ganze Welt – “Die Humane Marktwirtschaft” nach Haisenko/von Brunn. Im Buchhandel erhältlich oder direkt zu bestellen vom Verlag hier.

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion