Italien: Corona-Krise reißt alte Wunden auf

Ist Corona der Anfang vom Ende der EU – oder zumindest des Euro? In Italien hat die Weigerung Deutschlands, Eurobonds zu schaffen, um die Folgen der Krise zu beseitigen, eine antideutsche Stimmung angefacht. Man vermisst die Solidarität in Krisenzeiten.
Titelbild
Am Morgen des 30. März 2020 ist die Via Enrico de Nicola mit der Statue von Papstes Johannes Paul II. (unten R) in der Nähe des Bahnhofs Termini in Rom nahezu menschenleer.Foto: ELIO CASTORIA/AFP über Getty Images
Von 1. April 2020

In Italien ist unter dem Eindruck der Corona-Pandemie nicht nur eine zunehmende Skepsis gegenüber der EU im Allgemeinen, sondern auch gegenüber Deutschland im Besonderen zu verzeichnen.

Bereits unmittelbar nach Verhängung der Shutdown-Maßnahmen durch die Regierung in Rom war in der Bevölkerung bereits der Eindruck entstanden, Länder wie Russland oder sogar Kuba würden sich tatkräftiger an der Bewältigung der Corona-Krise in Italien beteiligen als Brüssel. Dass Deutschland in der Vorwoche auch noch im Rahmen des EU-Gipfels die Ausgabe von Eurobonds abgelehnt hat, die der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen helfen hätten können, wird nun als weiterer Affront verstanden.

Kabarettist: „Deutsche halten sich noch immer für überlegene Rasse“

Die „Welt“ schreibt von einer „tief sitzenden Deutschfeindlichkeit“, die im Zuge der Krise wieder auflebe. Als sinnbildlich dafür verweist Redakteur Clemens Wergin auf ein Kurzvideo des bekannten Kabarettisten Tullio Solenghi, in dem dieser den Deutschen vorwirft, diese hielten sich „noch immer […] für eine überlegene Rasse“.

Mit Blick auf zwei Weltkriege und die Ermordung von sechs Millionen Juden solle Deutschland, so Solenghi, sich nicht zu geizig zeigen, wenn es darum gehe, notleidenden Ländern in Europa in Zeiten der Krise unter die Arme zu greifen. Immerhin schulde man der Welt etwas, was diese nie eingefordert habe:

Ich möchte euch Deutsche daran erinnern, wenn die internationale Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg Wiedergutmachung verlangt hätte für die wirklichen Schäden, die Deutschland angerichtet hat, dann würden die Deutschen heute alle in Favelas leben.“

Corona-Krise reißt alte Wunden auf

Er danke Gott, dass er Italiener sei, schließt Solenghi seine zigtausendfach angeklickte und in Medien dokumentierte Wutrede. „Wir sind vielleicht Dilettanten oder auch Mafiosi, wie die Deutschen sagen, aber wir sind auch mitfühlend, wir sind human.“ Deutschland stehe für diese Qualitäten gerade nicht, so die Botschaft.

Die Frage der Eurobonds zur Bewältigung der Corona-Folgen reißt Wunden auf, die seit der Einführung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und der griechischen Schuldenkrise Anfang der 2010er Jahre einigermaßen vernäht zu sein schienen.

Auf der einen Seite stehen jene Staaten, vor allem aus dem Norden Europas, die an möglichst strikter Haushaltsdisziplin festhalten wollen, um die Euro-Stabilitätskriterien zu erfüllen. Sie haben durch Eurobonds viel zu verlieren, weil sie, wenn sie in Eigenregie Anleihen ausgeben, dies zu günstigeren Bedingungen bewerkstelligen können.

Deutschland fürchtet innenpolitische Verwerfungen durch Eurobonds

Anders die ohnehin chronisch verschuldeten südeuropäischen Staaten wie Spanien, Italien oder Griechenland: Sie müssen sich auf hohe Zinsversprechen einstellen, wenn sie eigene Vorhaben mittels Staatsanleihen finanzieren wollen. Das Dach eines Eurobonds, für dessen Verbindlichkeiten die gesamte Eurozone haftet, würde hier deutliche Erleichterungen schaffen.

Was aus Sicht der ärmeren Länder der Eurozone einen gebotenen Akt der Solidarität in Krisenzeiten darstellen würde, wäre aus Sicht der Hartwährungs-Befürworter eine Vergemeinschaftung von Schulden. Und eine solche würde nicht nur das Ende eines stabilen Euros bedeuten, sondern vor allem innenpolitisch zu potenziell erheblichen Verwerfungen führen. Zur Erinnerung: In Deutschland sorgte die Zustimmung der damaligen schwarz-gelben Regierung Merkel II nicht nur dafür, dass die FDP 2013 aus dem Bundestag gewählt wurde, sondern auch zur Gründung der AfD.

Deutschland wollte den Euro bis zum letzten Griechen verteidigen

In Italien erinnert man sich nun jedoch daran, dass es vor allem Deutschland war, das in der Zeit der Griechenland-Krise um jeden Preis ein Ausscheiden Athens aus dem Euroraum zu verhindern suchte. Man befürchtete einen späteren Ausstieg noch weiterer Euro-Staaten und am Ende ein Aus für die Gemeinschaftswährung insgesamt. Dafür hatte man den Griechen ein Schuldenabbauprogramm aufgezwungen, das Griechenland an den Rand des gesellschaftlichen Zusammenbruchs geführt hatte.

Griechenland habe einen hohen Preis für den Verbleib in der Eurozone bezahlt, heißt es nun vielfach auch in Italien. Nun sei Deutschland, das den Euro damals ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die südeuropäischen Länder retten wollte, an der Reihe, wenn es darum gehe, Opfer zu bringen.

Dass Deutschland immerhin einige aus Italien eingeflogene Intensivpatienten auf eigenem Boden behandelt und Atemmasken geliefert hat, nimmt man in Italien eher als Tropfen auf dem heißen Stein wahr. Vor allem in der euroskeptischen Rechten, wo man ohnehin den langen Arm Merkels hinter dem fliegenden Koalitionswechsel der „Fünf-Sterne-Bewegung“ im Vorjahr wittert, warnt man vor dem „deutsch-französischen Diktat über Europa“.

Italiens Rechte sieht EU als Instrument eines „deutschen Diktats“

Fratelli-Chefin Giorgia Meloni argwöhnt, Angela Merkel, die Gelder des ESM-Schutzschirms für Italien nur unter Auflagen bereitstellen wolle, würde die Not Italiens ausnützen wollen, um dieses zu einer Art Protektorat zu machen. Lega-Chef Matteo Salvini erklärt, aus Venezuela oder Albanien komme mehr Solidarität als aus den Niederlanden, Deutschland oder Österreich.

Dass die EU mittlerweile ein deutsches Machtinstrument sei, zeige auch, dass die Deutsche Ursula von der Leyen der Kommission vorsitze, heißt es weiter aus den Reihen der Rechten. Sie verdankte ihre Bestätigung durch das EU-Parlament im Vorjahr Stimmen aus der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung sowie aus Polen und Ungarn.

Die Enttäuschung über die reservierte Position im Norden Europas ist jedoch nicht nur auf die Rechte beschränkt. Auch der frühere EU-Kommissionspräsident Romano Prodi zeigte sich im Gespräch mit der „Welt“ nach eigenen Worten „beunruhigt“ ob der Botschaft des jüngsten EU-Gipfels, die da laute, Europa sei inzwischen gespalten: „Die Krise eint die Italiener nun in ihrer Haltung, und sie glauben, dass die Reaktion der nördlichen Länder eine Diskriminierung des Südens ist.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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