IW-Experte zerpflückt Scholz-Entwurf: „Strukturell kein ausgeglichener Bundeshaushalt mehr“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz lobte in seiner jüngsten Präsentation des Haushaltsentwurfes für 2020 sich selbst für einen soliden Haushalt. Experte Tobias Hentze vom Institut IW sprach jedoch davon, dass von einem ausgeglichenen Etat keine Rede sein könne. Zudem ist etwa das geplante Maßnahmenpaket zum „Klimaschutz“ noch nicht mit eingepreist.
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Der Haushaltsentwurf für 2020 ist umstritten.Foto: iStock
Von 11. September 2019

Im Zusammenhang mit der aktuellen Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag findet Bundesfinanzminister Olaf Scholz lobende Worte in eigener Sache und rühmt sich auf Twitter der von ihm geplanten „Rekord-Investitionen“:

#Bundeshaushalt wird in den nächsten zehn Jahren mindestens 400 Milliarden Euro Investitionen schultern. Dies ist ein Beitrag zur Stabilisierung der #Konjunktur und der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. #Haushaltsdebatte“

Von einem „soliden Haushalt, der ohne neue Schulden auskommt“, sprach der Minister zudem in seiner ausführlichen Erklärung. Allerdings fiel nicht nur der „Welt“ auf, das ein Begriff in seiner Rede nicht auftauchte: Jener der „schwarzen Null“.

Immerhin hat sich das Bundeskabinett nicht nur einiges an proaktiven Maßnahmen für die Haushaltsplanung 2020 vorgenommen, sondern auch Einsparungen versprochen – dort, wo es die konjunkturell angespannte Lage verlangt. Gleichzeitig soll aber auch der „Klimaschutz“ nicht zu kurz kommen.

Im Krisenfall „mit vielen, vielen Milliarden gegenhalten“

Scholz machte deutlich, dass es für ihn nur einen Anlass gäbe, von der Politik der konsequenten Schuldenvermeidung abzugehen, die sich durch die Amtszeit seines Vorgängers Wolfgang Schäuble gezogen hatte: Sollte Deutschland in eine Wirtschaftskrise abrutschen, wolle die Bundesregierung, so Scholz, mit „vielen, vielen Milliarden gegenhalten“.

Der Minister ließ offen, wie weit der krisenhafte Zustand fortgeschritten sein müsse, um aus seiner Sicht Handlungsbedarf zu begründen. Immerhin rechnen mehrere Wirtschaftsverbände und Forschungsinstitute mit einem Minuswachstum auch im dritten Quartal – was eine Schrumpfung in zwei aufeinanderfolgenden Vierteljahren und damit im technischen Sinne eine Rezession darstellen würde.

Experten wie Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sprechen jetzt davon, dass die schwarze Null im Wesentlichen nur durch Tricks gerettet werde – und der Haushalt de facto jetzt schon längst nicht mehr ausgeglichen sei. Der derzeitige Entwurf sieht Ausgaben in Höhe von 359,8 Milliarden Euro vor. Laut mittelfristiger Finanzplanung sollen diese bis 2023 auf 375,7 Milliarden Euro steigen.

Prinzip Hoffnung bei der Globalen Minderausgabe

Auf dem Blog des IW schreibt Hentze von „nicht gedeckten Mehrausgaben“ und weist darauf hin, dass insgesamt rund 17,5 Milliarden Euro oder fünf Prozent der Gesamtausgaben des Bundes jetzt schon auf geringeren Zinsausgaben, Entnahmen aus Rücklage wie der Flüchtlingsreserve und Kürzungen beruhen, von denen noch nicht einmal klar sei, ob die Koalitionspartner sich tatsächlich darauf verständigen können.

Zwar könne die Regierung, so das IW, die Ausgaben im Ausmaß geringerer Zinsausgaben steigern, ohne dass die in Summe zu Budgetüberschreitungen führen würde, was einen Spielraum im Umfang von etwa 3,9 Milliarden Euro eröffne. Da Bundesanleihen aktuell über alle Laufzeiten eine negative Rendite auf, der Bund also Geldgebern weniger zurückzahlen muss, als er aufgenommen hat, ist diese Kalkulation realistisch.

Demgegenüber gehe Scholz im Bereich der Globalen Minderausgabe davon aus, dass die übrigen Ministerien der Vorgabe, ihre Ausgaben um je ein Prozent – zusätzlich zu einem bereits vereinbarten Konsolidierungsbeitrag – zu kürzen, entsprechen werden, woraus eine Einsparung von etwa 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 resultiere. Eine verbindliche Zusage der betroffenen Ministerien, wonach sie dieser Anforderung nachkommen würden, gibt es jedoch noch nicht.

Bürgerstiftung nach Art einer Kirchensteuer für Klimagläubige?

Weitere 9,2 Milliarden Euro sollen der sogenannten Flüchtlingsrücklage entnommen werden, einem Posten im Umfang von insgesamt 35 Milliarden Euro aus Haushaltsüberschüssen der Jahre 2015 bis 2018, der bereits im laufenden Jahr etwa 5,5 Milliarden Euro für den regulären Haushalt beigesteuert hatte. Sollte Deutschland im kommenden Jahr eine neuerliche Flüchtlingskrise ins Haus stehen, bleibt fraglich, ob die noch verbleibenden Mittel innerhalb der Rücklage ausreichen werden, um diese zu bewältigen – was den Haushalt insgesamt strukturell unausgeglichen macht.

Auch das zweite große ideologische Projekt, mit dem sich Deutschland als Vorbild für die gesamte Welt zu inszenieren sucht, nämlich der „Klimaschutz“, ist augenscheinlich noch nicht eingepreist. Bis zum 20. September will das Kabinett ein Maßnahmenpaket vorlegen, um die selbst gesetzten „Klimaziele“ zu erreichen – allein die bislang vorgelegten Vorschläge würden Mehrkosten von etwa 30 Milliarden Euro verursachen.

Auch deshalb versucht Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, mit der Idee einer „Bürger-Stiftung Klimaschutz“ überwiegend privates Kapital dafür zu mobilisieren. Im Kern würde dies immerhin darauf hinauslaufen, vor allem jene zu finanziellen Opfern zu veranlassen, die tatsächlich davon überzeugt sind, dass menschengemachtes CO2 eine Klimakrise hervorrufe, die so gravierend sei, dass nur umfassende und kostspielige Maßnahmen diese beheben könnte.

Auch Scholz sprach in diesem Zusammenhang von „notwendigen privatwirtschaftlichen Investitionen“. Auf freiwillige Beiträge im Rahmen einer Stiftung zu setzen statt auf staatliche Regulierungen und Belastungen der Bürger und Unternehmen, wie es bislang die „Klimaschutz“-Politik der Bundesregierung prägte, würde jedoch einem Bruch mit bisherigen Gepflogenheiten gleichkommen.

Einnahmen im Sinken begriffen

Der Konjunkturabschwung, so mahnt Hentze vom IW, mache die Räume für den Bundeshaushalt jetzt schon deutlich enger. Im Jahr 2020 würde der Bund voraussichtlich um sechs Milliarden Euro weniger einnehmen als die Prognose des vorangegangenen Jahres erwarten ließe. Die neue Steuerschätzung, die im November anstehe, könne die Lage noch weiter verkomplizieren.

Dem stehen geplante oder zumindest angedachte Mehrausgaben in Bereichen wie Verteidigung (plus zwei Milliarden Euro), Entwicklungshilfe (1,6 Milliarden), Schienenverkehr (1,3 Milliarden) und Forschung & Entwicklung (0,8 Milliarden Euro) gegenüber.

„Der Finanzminister hängt zwar an seiner schwarzen Null“, resümiert Finanzexperte Hentze. „Tatsächlich hat er sich mit dem eingebrachten Haushalt schon von ihr verabschiedet.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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