Terror als Fundraising-Anlass: Nach Anschlag von Halle wieder mehr Geld für „Kampf gegen rechts“?
Träfe die AfD tatsächlich, wie es schon bald nach der Tat aus Politik und Medien hieß, eine „Mitverantwortung“ für den Terroranschlag vom Mittwoch (9.10.) in Halle/Saale, hätte der mutmaßliche Täter Stephan B. ihr diese vermeintliche Inspiration mit der Wahl seines Zeitpunkts denkbar schlecht gedankt.
In zwei Wochen finden in Thüringen Landtagswahlen statt – und es wäre nicht das erste Mal, dass ein rechtsextremistischer Terrorakt dieser Art in Deutschland gern von den etablierten Parteien und Medien zum Anlass für einen Rundumschlag gegen jede politische Bestrebung genommen würde, die sich in irgendeiner Weise rechts der Union bewegt.
Erst recht gegen die AfD, der in Thüringen deutliche Zugewinne vorausgesagt werden.
Weder AfD noch „Zivilgesellschaft“ hätten Stephan B. von seinem Terrorakt abbringen können
Hätte sich Stephan B. tatsächlich der AfD in irgendeiner Weise verpflichtet gefühlt – und ein Verhältnis der „Mitverantwortung“ würde ja ein Mindestmaß an Gegenseitigkeit implizieren –, dann hätte er für seinen Anschlag zweifellos ein Datum nach der Thüringen-Wahl eingeplant.
Tatsächlich hat die AfD im Weltbild des Terroristen aber offenbar überhaupt keine Rolle gespielt. Er hat sich von seinem eigenen Zimmer aus isoliert im Internet radikalisiert, sich von sich aus ohne Zutun anderer in antisemitische Wahnvorstellungen hineingesteigert und wollte am Ende nur eines, nämlich einen Terrorakt gegen Juden durchführen mit möglichst vielen Todesopfern.
Geht man davon aus, dass neben Jom Kippur in diesem Jahr noch der Jahrestag der Reichspogromnacht und das Chanukka-Fest eine größere Anzahl an Besuchern in der Synagoge von Halle angezogen hätten, wird offensichtlich, dass der Täter zu keinem Zeitpunkt etwas anderes im Sinn hatte als die Befriedigung seiner eigenen Mordlust. Weder die AfD wäre zu irgendeinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, ihn von seinem Entschluss abzubringen, noch irgendwelche „zivilgesellschaftlichen Initiativen“, „Demokratieprojekte“ oder Mahnungen vonseiten öffentlicher Amtsträger.
Stephan B. hat keines seiner Ziele erreicht. Weder ist es ihm gelungen, in die Synagoge einzudringen, noch hat er irgendeine Form der Destabilisierung der politischen Ordnung in Deutschland bewirkt. Erreicht hat er lediglich abgrundtiefe Verachtung quer durch alle politischen, religiösen und weltanschaulichen Lager und die Aussicht auf eine lebenslange Freiheitsstrafe – möglicherweise mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Empörungsroutine als Ausdruck der Resilienz?
Die Reaktionen auf den Terrorakt zeigen vielmehr, wie schnell die Republik in der Lage ist, auch nach solchen Ereignissen in den gewohnten Modus zurückzufinden. Die Empörungsrituale wirken gut eingeübt, die – regelmäßig auch wider besseres Wissen erhobenen – Schuldzuweisungen an die parlamentarische rechte Opposition folgen einer gewohnten Routine.
Der Vorwurf der „geistigen Brandstiftung“, der erhoben wird, ohne zu bemerken, dass diese gerade auch darin besteht, Menschen aufgrund abweichender politischer Überzeugungen in die Nähe von Massenmördern zu rücken, verhindert immerhin, dass die Bluttat von Halle tatsächlich ein engeres Zusammenrücken des Gemeinwesens hervorruft. Aus Sicht von Stephan B. käme dies immerhin einer gewissen Schadensbegrenzung gleich.
Der einzige wirkliche Gewinner der Entwicklung könnte allerdings der „Kampf gegen rechts“ sein. Diese Chance hat beispielsweise die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) erkannt, die, wie der „Deutschlandfunk“ berichtet, von der Bundesregierung Nachbesserungen in der Förderung „zivilgesellschaftlicher“ Projekte fordert – auch in eigener Sache.
Sie fordert unter Bezugnahme auf den Anschlag von Halle die Bundesregierung dazu auf, die Arbeit gegen Rechtsextremismus „endlich konsequent“ zu unterstützen. Der Anschlag in Halle habe „deutlich gemacht, wie dringend eine professionelle Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rechtsextremismus“ sei, sagte die Sprecherin der Stiftung, Viola Schmidt, dem Deutschlandfunk.
AAS sieht ihre „Deradikalisierungsarbeit in den sozialen Netzwerken“ gefährdet
Wenn die Politik die Arbeit gegen Rechtsextremismus nicht konsequent unterstütze und „zivilgesellschaftliches Engagement nachhaltig und überparteilich“ stärke, dann blieben „alle Bekundungen rund um die schreckliche Tat von Halle nur leere Worte“. Die Stiftung nennt beispielsweise ihre „Deradikalisierungsarbeit in den sozialen Netzwerken“ als „unabdingbares“ Element ihrer Mission. Wie die AAS konkret Personen wie Stephan B. erreichen will oder wie viel an Deradikalisierung die bisherige Einflussnahme der Stiftung etwa auf die Restriktion freier Rede in den sozialen Netzwerken tatsächlich schon an Erfolgen bewirkt hat, bleibt offen.
Die AAS erhält unter anderem über das Programm „Demokratie leben!“ Mittel aus dem Bundesfamilienministerium für Projekte gegen Rechtsextremismus. Wie der Deutschlandfunk weiter berichtet, habe die Bundesregierung erst sogar Kürzungen bei diesem Programm vorgesehen. So sollte dieses nur noch 107,5 Millionen Euro zur Verfügung haben und damit um acht Millionen weniger als im laufenden Jahr. Zudem sollten Mittel im Programm zugunsten von Kommunen und Bundesländern umstrukturiert werden.
Von 400 bislang geförderten Modellprojekten sollten ursprünglich nur 100 fortgesetzt werden, für die AAS bedeutete die Ablehnung zweier Modellprojekt-Anträge nach Angaben ihres Sprechers Robert Lüdecke, dass man ein Büro in Hannover schließen und dort „Arbeit von inzwischen acht Jahren einstellen“ müsse, anstatt „aufzubauen auf die Expertise, die wir erworben haben, und unser Thema voran zu treiben“.
Das gleiche Schicksal hätte etwa auch die Initiative „Gesicht zeigen“ des früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye ereilt, der unter anderem im Vorfeld der Fußball-WM 2006 durch seine Warnung vor angeblichen „No-Go-Areas“ für Dunkelhäutige im Osten Deutschlands bekannt geworden war.
Ministerien einigen sich auf Beibehaltung des bisherigen Etats
Davon hat man vonseiten des Bundesministeriums aber nach „heftiger Kritik“ wieder Abstand genommen. Dennoch befürchtete man aufseiten der begünstigten Institutionen Erschwernisse in der eigenen Arbeit. Zuletzt hätten sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesfinanzminister Olaf Scholz darauf geeinigt, zumindest 2020 das Programm im gleichen Ausmaß wie 2019 weiterlaufen zu lassen, wo es mehr als 115 Millionen Euro für die darin engagierten Initiativen gegeben hatte. Die Vereinbarung ist zunächst allerdings auf ein Jahr befristet.
Nun können die Initiativen „gegen rechts“ wieder auf Rückenwind hoffen. Nach dem Anschlag in Halle reiche es nicht, das Programm „Demokratie leben!“ auf gleichem Niveau fortzusetzen, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz. Die Mittel und Anstrengungen müssten deutlich verstärkt werden. Die Politikerin äußert im Deutschlandfunk:
Wir brauchen nicht nur ein Klima- und Digitalkabinett, wir brauchen auch ein Sonderkabinett für Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit.“
Skeptiker argwöhnen, die bekannten Initiativen „gegen rechts“ hätten bis dato einzig bewirkt, dass es im Land einen stetigen Zuwachs an „Rechtsextremen“ gäbe – alleine schon dadurch, dass sie in umfangreichen akademischen Arbeiten und Studien den Begriff stetig ausgeweitet hätten, sodass mittlerweile auch rechtskonservative und rechtsliberale Bestrebungen darunter subsumiert würden.
Demgegenüber seien wenige konkrete Erfolge zu verbuchen, etwa bei der Verhinderung von Straftaten.
Durch Begriffsausweitung das Problem vergrößern
Dass die Programme und Projekte, die jetzt wieder auf mehr Geld hoffen können, auch künftig „eigentlich die falschen Rechten“ ins Visier nehmen, wenn es darum gehe, Anschläge wie den in Halle möglichst zu vermeiden, befürchtet auch Peter Grimm von der „Achse des Guten“:
„Einen gewaltbereiten Neonazi hindert man nicht an der Radikalisierung mit dem Boykott von Bio-Hirse, weil der Mühlen-Betreiber bei der AfD ist. Einen Antisemiten beeinflusst man auch nicht damit, dass man Rechte wie Rechtsliberale oder Rechtskonservative zu Rechtsextremisten erklärt, um diese dann zu ‚bekämpfen‘. Wenn der ‚Kampf gegen rechts‘ zu großen Teilen auf den falschen Plätzen und gegen die falschen Gegner ausgetragen wird, dann befördert er eher den Umstand, dass die wirklich gewalttätigen Neonazis das Radar öffentlicher Wahrnehmung unterfliegen und ihre Existenz von Nicht-Spezialisten erst nach solchen Bluttaten erkannt wird.“
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