Ukraine-Konflikt hautnah: Kriegsreporter Patrik Baab schildert Front-Erfahrung – „russische Propaganda?“

Autor Patrik Baab war für sein aktuelles Buch in der Ukraine – an beiden Seiten der Frontlinie. Daraufhin wurde ihm „journalistische Scheinobjektivität“ und russische Propaganda vorgeworfen. Er verlor zwei Lehraufträge an Hochschulen. Am 17.10. um 19 Uhr liest Patrik Baab live im EPOCH TIMES Studio aus seinem Buch „Auf beiden Seiten der Front“.
Titelbild
Patrik Baab liest am 17. Oktober 2023 um 19 Uhr live aus seinem neu erschienenen Buch „Auf beiden Seiten der Front“.Foto: Gettyimages/patrikbaab.de / Epoch Times
Von 16. Oktober 2023

Patrik Baab ist ein erfahrener Journalist, der diesen Beruf seit über 40 Jahren ausübt. Seine Recherchen zur Ermordung von Uwe Barschel, Olof Palme und William Colby haben gezeigt, dass sich Baab nicht scheut, auch heikle Themen aufzugreifen. Seine jüngste Reise führte ihn in den Ukraine-Krieg, an beide Seiten der Frontlinie. So lautet auch der Titel des Buches, das daraus entstanden ist und gerade veröffentlicht wurde: „Auf beiden Seiten der Front – Meine Reisen in die Ukraine“.

Die gefährliche Reise ins Frontgebiet

Die Ukraine ist seit 2014 Schauplatz eines Konflikts zwischen ukrainischen Streitkräften und prorussischen Separatisten in den Regionen Donezk und Luhansk. Der Zugang zum Frontgebiet ist äußerst restriktiv und gefährlich. Baab hat sich nur mit ortskundiger Begleitung in diese gefährlichen Gebiete gewagt. Die Gefahren sind vielfältig und lauern nicht nur in Form von direktem Beschuss.

Baab reist zusamen mit Sergey Filbert, einem Händler für Kaffeemaschinen, der nebenbei den YouTube-Kanal Druschba FM betreibt. Schon der Anfang ist kompliziert. Baab schreibt:

Alle Direktflüge nach Russland sind gestrichen; wir müssen die Sanktionen umgehen. Deshalb fahren wir mit dem Wagen nach Kaliningrad, lassen das Auto bei Freunden, nehmen die Aeroflot-Maschine nach Moskau und buchen dort ein Zweier-Coupé für die 25-stündige Zugfahrt nach Rostow am Don. Wie es dann weitergeht – keine Ahnung. Eines wissen wir aber: In einem Krieg mit Tausenden von Toten kommt es auf zwei Leichen mehr oder weniger auch nicht an.“

Baab und Filbert haben überlebt. Doch klar war das nicht. Die Frontregionen sind mit Landminen übersät, sowohl mit traditionellen als auch mit improvisierten. Viele dieser Minen verursachen selten den sofortigen Tod, sondern lassen die Opfer langsam verbluten. Zudem sind Scharfschützen oft in der Ferne positioniert und feuern auf alles, was sich bewegt.

Selbst das Urinieren kann gefährlich sein

Die Situation erfordert ständige Vorsicht, schreibt Baab. Menschen, die sich im Frontgebiet aufhalten, bewegen sich im Schatten von Gebäuden oder suchen Deckung hinter Bäumen und Büschen. Sie bewegen sich in Gruppen von zwei Personen, wobei einer ständig den Boden nach Minen absucht. Selbst das Urinieren kann gefährlich sein, da der Straßengraben oft vermint ist.

Noch auf russischer Seite merkt Baab, dass dies keine „Spezialoperation“ ist, sondern blutiger Ernst. Sein Eindruck: Auf eine diffuse Art stehen die Menschen loyal zu Putin. Aber den Kopf hinhalten will dann doch niemand.

Der israelische Geheimdienst Mossad, der laut Baab ausgezeichnete Kontakte zu beiden Kriegsparteien unterhält, meldete Mitte Februar 2023 18.480 Tote und 44.500 Verletzte auf russischer Seite. Auf ukrainischer Seite sollen es 157.000 Tote und 234.000 Verwundete sein.

Die Bedrohung aus der Luft

Die Gefahren erstrecken sich jedoch nicht nur auf das Frontgebiet. Baab weist darauf hin, dass Artillerie und Raketen Geschosse mit Überschallgeschwindigkeit abfeuern, die von den Opfern nicht gehört werden können, da die Geschosse endphasengelenkt sind. Die Richtschützen peilen die Ziele mithilfe von GPS anhand von Mobilfunk- und Internetdaten an und lenken die Munition präzise ins Ziel, auch über Entfernungen von bis zu 30 Kilometern.

Der Abschuss einer US-amerikanischen HIMARS-Rakete erzeugt Temperaturen von 1.400 Grad Celsius im Umkreis von 25 Metern. Dies führt zu verheerenden Folgen für alle, die sich in der Nähe befinden. Russische Tos-Raketenwerfer haben eine ähnlich zerstörerische Wirkung. Nach dem Einschlag erzeugen sie einen explosiven Film in der Luft, der dann gezündet wird und einen Feuerball mit massiver Druckwelle erzeugt, der alles Leben auslöscht. Selbst der Schutz in Kellern oder Bunkern kann die schweren Verletzungen nicht verhindern, da die inneren Organe reißen.

Die Bewertung der Kriegsschuld

Baab beschreibt den Ukraine-Krieg als eine Tragödie, bei der die Menschen auf beiden Seiten die ersten Opfer sind. Viele haben ihr Leben verloren, wurden verstümmelt, vertrieben, gefoltert oder sind zu Flüchtlingen geworden. Das Land wird verarmen und letztendlich geteilt werden. Er betont, dass Washington sich dessen bewusst ist. Bezüglich der Kriegsschuld analysiert Baab:

„Ende Februar [2022] gab es einen Vorstoß des ukrainischen Präsidenten für Verhandlungen, dem Moskau zustimmte. Nicht so die Europäische Union – sie lieferte eine erste Tranche Waffen im Wert von 450 Millionen Euro. Im März bietet Wolodymyr Selenskyj erneut Gespräche an, wieder zeigten sich die Russen bereit, und wieder verhinderte dies die EU mit einer zweiten Tranche im Wert von 500 Millionen Euro. Dennoch waren Ende März die Unterhändler in Istanbul bereits fast zu einer Einigung gekommen. Danach hätte die Ukraine im Wesentlichen ihr Territorium vor Beginn der Invasion im Februar wieder zurückerhalten. Doch am 2. April forderte der britische Premier Boris Johnson Selenskyj telefonisch auf, seine Vorschläge zurückzuziehen, andernfalls werde der Westen seine Hilfe einstellen. Diese Position unterstrich er bei seinem Besuch in Kiew am 9. April. Der Westen hat also Verhandlungen mit Russland verhindert. Dies kehrt die Frage der Kriegsschuld um – zu Lasten des Westens.“

Baab bezeichnet den Konflikt als einen Stellvertreterkrieg, der von Russland begonnen wurde, aber auch von der NATO provoziert wurde. Die geopolitische Dimension des Konflikts ist nicht zu übersehen, und die Ukraine befindet sich im Zentrum eines Machtspiels zwischen den westlichen Ländern und Russland.

Die Rolle der Zivilbevölkerung

Ein wichtiger Aspekt, den Baab detailliert beschreibt, ist das Leiden und der Überlebenswille der ukrainischen Zivilbevölkerung. Trotz der täglichen Bedrohungen und Entbehrungen haben viele Menschen in den Frontregionen ihre Heimat nicht verlassen. Sie haben improvisierte Schutzräume in Kellern und Bunkern eingerichtet. Ihr Schicksal teilt Baab mit barscher Ehrlichkeit:

Die halbverhungerten, verdreckten und verstörten Menschen in den Kellern wollen nur noch, dass es endlich aufhört. Mariupol – ein einziges Kriegsverbrechen. Eine Stadt wie ein Schlachthaus. Es verrecken nie jene, die solche Kriege befehlen. Immer sind es die armen Schweine, von deren verwesenden Leichen die Krähen fressen.“

Baab zeigt in seinem Buch, wie enorm die psychischen Belastungen von Bewohnern sind, die in ständiger Angst leben. Kinder wachsen in einer Umgebung auf, die von Gewalt und Zerstörung geprägt ist. Dennoch haben viele Familien beschlossen, in ihrer Heimat zu bleiben. Sie leisten humanitäre Hilfe, widmen sich dem Wiederaufbau von Schulen und teilen ihre Geschichten über soziale Medien. Die Ukraine kämpft nicht nur gegen äußere Aggressoren, sondern auch gegen die Zerstörung und Traumatisierung ihrer eigenen Gesellschaft.

Baab ein pro-russischer Wahlbeobachter?

Am 25. September 2022 befindet sich Baab im fünften Stock des Hotels Park Inn in Donezk. Durch sein Fesnster beobachtet er, wie eine Artilleriegranate ein Wohnhaus trifft und Teile der Fassade einstürzen. Im selben Moment bekommt er eine Textnachricht von T-Online, in der der Redakteur Lars Wienand wissen möchte, ob er als Wahlbeobachter bei den Referenden in den von Russland besetzten Gebieten tätig sei. Baab klärt ihn darüber auf, dass er als Journalist vor Ort für ein Buch recherchiere. Wienands Anfrage schien jedoch mehr pro forma zu sein, da ihn Baabs Dementi anscheinend nicht weiter interessierte.

In dem T-Online-Artikel, der am 27. September 2022 erscheint, heißt es stimmungsschürend, dass „ein NDR-Redakteur“ bei den „Scheinreferenden“ „mitmischt“. Redakteur Wienand konstruiert darin eine vermeintliche „Grenzüberschreitung“, die für Empörung sorgen soll: Journalist. Ostukraine. Referenden. Pressekonferenz. Putin. Schuldig!

Baab war am Tag der Referenden vor Ort und hat an einer Pressekonferenz „im Beisein eines Vertreters der Zentralen Wahlkommission“ teilgenommen. Unmittelbar vor der Pressekonferenz wurden die Akkreditierungen für Luhansk und Donezk ausgegeben. Nach Baabs Worten war er von der Zentralen Wahlkommission weder eingeladen oder als Wahlbeobachter verpflichtet noch hat er sich als solcher geriert. Als erklärtermaßen unabhängiger Journalist schilderte er auf der Pressekonferenz seine Eindrücke von der Wahl und übte auch Kritik.

Lehraufträge verloren

Doch die Details scheinen niemanden zu interessieren. In den folgenden Tagen verliert Baab seine zwei Lehraufträge als Journalistenausbilder an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin und an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

In einer auf der Homepage der HMKW veröffentlichten Stellungnahme heißt es:

„Wir haben Herrn Baab gegenüber unsere Fassungslosigkeit über dieses Verhalten geäußert. Wir haben ihm unseren Standpunkt verdeutlicht, dass schon seine reine Anwesenheit bei dieser Aktion, ob er wolle oder nicht, zwangsläufig zur Legitimation der in unseren Augen völkerrechtswidrigen und inhumanen Scheinreferenden, die Teil einer imperialistischen Politik und eines verbrecherischen Krieges sind, beiträgt. Sie gibt den Aggressoren ein willkommenes Feigenblatt an die Hand, dass alles rechtens sein müsse, weil man ja sogar ‚Kritik‘ zulasse und nicht unterdrücke.“

„Sittenbild des selbsternannten Qualitätsjournalismus“

Baab bezeichnet die Vorfälle als „Sittenbild des selbsternannten Qualitätsjournalismus und der akademischen Leitkultur“. Es gehe darum, wie im Dienst der Propaganda Schreibtischtäter versuchen, öffentliche Meinung zu zensieren, akademisches Leben politisch zu säubern und Existenzen zu vernichten. Gegen die Kündigung seines Lehrauftrags in Kiel hat Baab vor Gericht geklagt und im Juli 2023 Recht bekommen.

Was bleibt, ist der bittere Beigeschmack, dass erst eine Klage vor Gericht den handwerklichen Grundsatz des Journalismus „Audiatur et altera pars“ (man höre auch die andere Seite) klarstellen musste.

Wenn das, was die HMKW geschrieben hat, zuträfe, dann hätten Journalisten ein gewaltiges Problem. Denn dann könnten sie ihre Arbeit nicht mehr ausüben. Dann müsste man im Nachhinein das Werk von einem der wohl profiliertesten und anerkanntesten Journalisten aus Deutschland, Peter Scholl-Latour, entwerten. Dann müsste Scholl-Latours Zeit, die er beim Vietcong verbracht hat, wohl dazu führen, dass er als ein parteiischer und damit als unseriöser Journalist aus den Ruhmeshallen des deutschen Journalismus entfernt wird.

Kurzum: Die Tatsache, dass ein Journalist „anwesend“ ist, kann keine Verfehlung sein. Das wäre das Ende des Journalismus. Reporter wie Patrik Baab, die sich tatsächlich an die Fronten begeben, findet man heutzutage kaum noch. Der Großteil journalistischer Leistung wird mittlerweile am PC in einem Newsroom vollbracht. Daher ist Baabs Reisebericht und authentischer Blick so wertvoll.

+++LIVE-TALK | Dienstag, 17.10. | 19 Uhr | Patrik Baab im EPOCH TIMES Gespräch & Q&A+++

Patrik Baab liest live im EPOCH TIMES Studio aus seinem Buch „Auf beiden Seiten der Front“. Auch Sie, liebe Leser, haben die Möglichkeit, live Fragen an den Autor zu stellen und mitzudiskutieren. Nutzen Sie diese Chance, Informationen zum Krieg live aus erster Hand zu bekommen. Gastgeber und Moderator Alexander Zwieschowski führt durch den Talk.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion