„Wachtturmapokalyptische Zwerg-Savonarolas“: Wirtschaftswoche-Textchef rechnet mit dem Klima-Kult ab

In der „Wirtschaftswoche“ wirft Dieter Schnaas Journalisten und Politikern, die Klimapanik verbreiten, vor, voraufklärerische Zustände herbeizuführen. Die apokalyptischen Szenarien und sektenähnlichen Inszenierungen, die derzeit die Klimadebatte kennzeichnen, verstellten zudem den Blick auf realistische Lösungen.
Titelbild
Die "Fridays for Future"-Bewegung: Sektenartiger Wahn gegen den Klimawandel?Foto: Sean Gallup/Getty Images)
Von 6. August 2019

In einer Kolumne für die „Wirtschaftswoche“ hat deren Textchef Dieter Schnaas die – wie er sie nennt – „Klima-Kirche“ aufs Korn genommen und einen „dringenden Säkularisierungsschub“ in der Klimadebatte gefordert.

Dabei kritisiert er „klimapanische Medienschaffende“, die sich „in Zeitungen, Zeitschriften und im gebührenfinanzierten Fernsehen wie wachtturmapokalyptische Zwerg-Savonarolas aufführen“, ebenso wie eine Wissenschaft, die „jedenfalls zu Religion“ werde, wenn „1,5 Grad Celsius“ eine unkritisierbare Letztbegründung sei – sie trügen jeweils zu einer Entwicklung bei, die an einen „Purzelbaum zurück in die Voraufklärung“ gemahne.

Schnaas rief die Hysterie in Erinnerung, die im Florenz des 15. Jahrhunderts mit den Bußpredigten des Kirchenreformators Girolamo Savonarola einherging und Menschen bis in oberste Kreise zu bizarren Selbstbezichtigungsritualen aufstachelte. Dies sei zum Stoff für Weltliteratur geworden. Die heutige Wiederkehr dieses Kults im Trivialformat, die sich unter dem Banner des „Klimanotstands“ vollziehe, könnte „höchst humorvoll sein. Wenn es denn so gemeint wäre. Ist es aber nicht.“

Trivialisierte Neuauflage des Savonarola-Kults

Die „Trivialsavonarolisten“, wie Schnaas sie nennt, verfehlten vielmehr den Kern des kirchlichen Bußwesens, indem sie „die Buße an eine höhere Instanz delegieren, damit sie, die Buße, an ihnen, den Medienschaffenden, vollzogen werden kann, ohne dass sie dafür wirklich büßen müssten. Das ist nicht humorvoll, sondern entsetzlich albern.“

Von einer Handvoll wirklich Bußbereiter wie Postwachstumsökonom Niko Paech abgesehen gehe es den „paar wichtelnde(n) Klimasavonarolas“, die nach dem Staat riefen, der „ihnen den nächsten Tauchurlaub verteuern soll“, nicht wirklich um „Freiheitssuspension und Unterwerfungsgeilheit, Selbstbestrafungslust und Verbotsflagellantentum“.

Immerhin stünden vernachlässigbaren monetären Einbußen – zumindest für die Schichten, aus denen die Klimademonstranten kommen – „gleich vierfach Maximalgewinne“ gegenüber:

„Erstens: Man entlastet sein Gewissen, indem man die Verantwortung für sein Fehlverhalten an andere delegiert. Zweitens: Man erteilt sich selbst Absolution ex ante, also auch für alle kommenden Sünden. Drittens: Man verwöhnt sich mit dem guten Gefühl, das Klima zu schützen, wertet sein Imagekonto als verantwortungsvoller Citoyen auf. Viertens: Man kann umso ungenierter fliegen, kreuzfahren und T-Bone-Steaks ordern, weil die Buße ja immer schon eingepreist ist.“

Dazu kommt, was Schnaas gar nicht erst anspricht, neben dem Ruf nach dem Staat auch noch die Arbeit der privaten Kompensationsdienstleister, die sich über millionenschwere Einnahmen freuen.

Verzichtsrhetorik weitgehend vorgeschoben

Trotz aller radikaler Rhetorik, linksradikaler Unterwanderung und Forderungen nach Überwindung des „Kapitalismus“, wie sie jüngst erst wieder im Umfeld des Sommerkongresses von „Fridays for Future“ zur Sprache gekommen sind, hält Schnaas jene Kritik am Klima-Kult für unberechtigt, die davon ausgeht, dass dieser von einer grundsätzlichen Sehnsucht nach Unfreiheit und Totalitarismus getragen sei. Immerhin ist die tatsächliche Verzichtsbereitschaft der Klima-Kinder aus der Oberschicht und ihrer medialen und politischen Sprachrohre begrenzt. Das sei auch der Kick an der Bewegung, meint Schnaas. Die Problematik sei vielmehr eine andere:

„Man möchte vom Staat nur in Anführungsstrichen ‚gefesselt‘ werden, um dann das, was man sich umso lieber leistet und umso teurer bezahlt, desto hemmungsloser genießen zu können. Anders gesagt: Die Freiheit, die hier suspendiert wird, ist nicht die plumpe Freiheit der Fleischesser, Raucher und Raser (und Leichtliberalen), die uns von rotgrünen Entmündigungseiferern und öffentlich-rechtlich bestellten Bevormundern geraubt wird. Sondern, schlimmer noch: die Freiheit als „Fähigkeit, die wir als Menschen zu verwirklichen haben“ (Charles Taylor) – und die hier vom Menschen an eine göttliche Instanz zurückdelegiert wird.“

„Endlich auf machbare Ziele konzentrieren“

Der Staat werde „zur Kirche, wenn ihm nurmehr die Aufgabe zufällt, ein weiser Sachwalter unserer Erlösungssehnsüchte zu sein. Greta Thunberg zum Messias, die die Sünden der Welt stellvertretend auf sich nimmt. Und wir selbst zu Sonntagskirchgängern, die scheinheilig ihre Klimasünden bereuen.“

Dies alles verhindere gerade eine realistische Herangehensweise an Fragen wie jene, welche Gegenwartsverzichte mit Blick auf die Zukunftsgestaltung tatsächlich Sinn machten – also nach dem, was in der freien Wirtschaft als „Investition“ bezeichnet wird. Es käme, so Schnaas, auf „globalisierte Perspektiven und technologische Lösungen, auf menschliches Maß und säkulare Zeithorizonte“ an – auf die „tätige Gestaltung der je nächsten Zukunft, auf ein Weniger an Projektionsgläubigkeit und ein Mehr am steuernden Gebrauch unserer menschlichen Vernunftfreiheit“.

Statt darüber zu spekulieren, wie lange sich das angeblich bevorstehende Ende der Menschheit aufschieben ließe, müsse der Fokus auf „kapitalintensive Investitionen in Mobilität, Verkehr, Landwirtschaft und Industrieproduktion“ gelegt werden, die auch künftigen Generationen intakte Lebensbedingungen gewährleiste. Der WiWo-Textchef beendet seine Kolumne mit der Feststellung:

„Freiheit ist kein Ego-Trip für die Kurzstrecke. Und Freiheit ist nicht delegierbar im Namen eines quasireligiös verdunkelten Langzeithorizontes. Stattdessen ist Freiheit eine Praxis steuernder Kontrolle in Hinsicht auf Ziele mittlerer Reichweite – auf Ziele, die denk- und machbar sind. Wir müssen uns diese Freiheit nur endlich nehmen. Und vor allem: nehmen wollen.“

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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