Deutsches Wahrzeichen bröckelt – Forscher belauschen Abbruchverhalten der Kreidefelsen auf Rügen
Die zehn Kilometer lange Kreideküste von Jasmund auf Rügen wird fortwährend von Abbrüchen und Rutschungen geformt. Bislang galten dafür vor allem ergiebige Regenereignisse als Auslöser.
Forscher um Michael Dietze vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ haben nun mithilfe von seismischen Sensoren und hoch aufgelösten Luftbildern ein viel detaillierteres Bild dieser Ereignisse gezeichnet. Die Ergebnisse ihrer zweijährigen Studie veröffentlichten die Forscher Anfang August in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research“.
Ein Wahrzeichen bröckelt
Die Rügener Kreideküste mit dem 118 m hohen Königsstuhl ist ein Wahrzeichen des Nationalparks Jasmund. Das Kliff besteht aus mikroskopisch kleinen fossilen Kalkalgen und geht im Schnitt pro Jahr um mehrere Dezimeter zurück, wobei immer wieder große Teile abbrechen und Erschütterungen auf dem Strand erzeugen. Diese Erschütterungen sind wie kleine Erdbeben, die die Forscher mithilfe von seismischen Sensoren aufzeichnen.
Die Forscher hatten die Seismometer zwischen Frühjahr 2017 und 2019 entlang der Küste stationiert. Zusammen mit Wetterstationsdaten und drohnenbasierten 3D-Modellen der Kliffoberfläche sammelte das Team routinemäßig essenzielle Informationen über Abbrüche, die bisher nur in Ausnahmefällen zugänglich waren. Dazu gehören der sekundengenaue Zeitpunkt, die Dauer und die exakten Verläufe eines Abbruchs, die Lage und Volumina der Abbruchzone und Ablagerungen, sowie die Eigenschaften des Untergrundes zum Zeitpunkt der Ereignisse.
Die über 80 detektierten Abbrüche erlauben es den Forschenden, mehrere ineinander verzahnte Triebkräfte für die Abbrüche zu identifizieren. „Grundsätzlich ist die Durchfeuchtung des Kliffs entscheidend. Wasser wird aber nicht nur durch Regen auf das Kliff zugeführt, sondern auch durch Grundwasserzufluss und Kondensationswasser aus der Luft, vor allem in den Nachtstunden“, sagte Dietze. „Daher kommt es bevorzugt nachts zu Abbrüchen, aber auch direkt nach Regenereignissen sowie fast einen Tag später.“
Die Abbrüche treten vor allem im Winter auf, weil die Bäume in ihrer Winterruhe kein Wasser aus dem Boden aufnehmen, und dieser so weiträumig vernässen kann. Zudem zeigten der überdurchschnittlich feuchte Sommer 2017 sowie der folgende trockene Sommer seine Wirkung. Im Jahr 2017, als 126 Prozent des üblichen Niederschlags fielen, konnten die Forscher 65 Abbrüche erfassen. Im Sommer 2018 (51 Prozent des üblichen Niederschlags) waren es hingegen nur 11 Ereignisse am Kliff.
Heißes Klima gut für Kreidefelsen?
Was diese Folgen von trockenen Sommern langfristig für das Kliff bedeuten, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich versorgen die vielen kleineren Abbrüche den Strand mit genug Sediment, um das Einschneiden der Wellen in den Klifffuß zu unterbinden. Fehlt dieses Sediment langfristig, wird das Kliff jedoch zunehmend an der Basis destabilisiert und empfänglich für große Abbrüche, die die gesamte Wand erfassen können.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen auf Rügen haben die Forscher die Sensoren im Frühsommer dieses Jahres abgebaut. Auf der Nachbarinsel Hiddensee möchten sie nun untersuchen, wie sich der direkte Einfluss von Wellen auf die Küste auswirkt. Zudem wird die Insel immer wieder von Erdbewegungen erschüttert, die sich quer über den nördlichen Teil ziehen. Zuletzt sackte im Winter 2019 der Boden entlang einer Verwerfung auf hunderten Meter Länge um 20 cm ab.
(Mit Material des Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ)
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