Melonen aus der Wüste: Technik aus Norwegen macht Wüsten binnen Stunden fruchtbar
Zurück zur Natur könnte man die Erfindung der norwegischen Firma Desert Control (Deutsch „Wüstenkontrolle“) nennen. Das Vorbild ihrer Technik befindet sich etwa 4.000 Kilometer südsüdöstlich und sicherte über Jahrtausende den Ackerbau: Der Nil.
Jedes Jahr im Spätsommer trat der Nil über die Ufer und überflutete die angrenzenden Flächen – bis der Assuan-Staudamm die Wassermassen des zweitlängsten Flusses der Erde bändigte. Der 1960 bis 71 gebaute, vier Kilometer lange Staudamm sollte neben der Stromerzeugung auch der Landwirtschaft helfen, in dem er die Fluten kontrolliert.
Während das Konzept anfangs gut funktionierte, zeigten sich eine Dekade später erste Ermüdungserscheinungen. Die Erträge der Felder flussabwärts sanken zusehends. Aber warum? Der Staudamm hielt nicht nur das Wasser zurück, sondern vor allem das Geschiebe. Schlicker, Lehm und Tone, die seit Jahrtausenden die Felder fruchtbar machten, lagerten nun oberhalb von Assuan.
Im Sommer 2020, gut 40 Jahre später und mit einem Umweg über Skandinavien, lassen Tonerden nun die Wüste um Dubai erblühen. Nach über 15 Jahren trägt die Forschung der Norweger wortwörtlich Früchte: Wassermelonen, Zucchini, Hirse und Mais.
Nano-Ton aus dem Gartensprinkler
„Es ist wie das, was Sie in Ihrem Garten sehen könnten“, sagte Ole Kristian Sivertsen, Geschäftsführer von Desert Control. Im Gespräch mit der „BBC“ erklärte er: „Der Ton ahmt in seiner Funktionalität die organische Substanz nach, hilft dem Boden, Wasser zu speichern, und ermöglicht es der Bodenflora und -fauna, Fuß zu fassen.“
Sandige Böden können kaum Feuchtigkeit binden. Wasser fließt einfach durch die Sandschichten ab, sodass Pflanzen kaum Halt oder Nahrung finden. Das Vorhandensein von Ton im richtigen Verhältnis kann all das drastisch ändern. Möglich macht das eine weitere norwegische Erfindung. Kristian Olesen schaffte es nach der Jahrtausendwende, feste Lehmböden so weit aufzubrechen und zu zerkleinern, um sie in eine Flüssigkeit „fast so dünn wie Wasser“ zu verwandeln.
„Sie können [flüssigen Nano-Ton] mit jeder bekannten Bewässerungstechnik auftragen“, sagte Sivertsen. Auch ein Sprinkler sei möglich. Die flüssige Konsistenz lasse ihn einfach herunterrieseln und versickern. Aber ganz so einfach sei es dann doch nicht.
„Zehn Jahre Versuche […] haben uns gelehrt, dass jeder Boden getestet werden muss, damit wir die richtige Nanoton-Rezeptur mischen können“. Zu wenig, und der Ton habe fast keine Auswirkungen. Zu viel, und er könnte eine wasserfeste Kruste auf der Sandoberfläche bilden.
15 Jahre Forschung tragen Früchte in der Wüste
Hauptaugenmerk der letzten 15 Jahre war die Entwicklung einer sorgfältig ausgewogenen und ausreichend flüssigen Mischung. Diese muss leicht durch die winzigen Körnchen des lokalen Bodens sickern, darf aber nicht zu schnell abfließen und verloren gehen. Ziel sei es, die „magischen zehn bis zwanzig Zentimeter des Bodens“ zu behandeln, der sich in und unterhalb der Wurzelzone befindet.
Glücklicherweise hilft beim Mischen von Sand und Ton auch die Natur: „Lehmpartikel haben aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung eine negative Ladung, während Sandkörner positiv geladen sind“, erklärt Sivertsen. „Diese natürliche Polarität bedeutet, dass sie sich binden, wenn sie sich physikalisch treffen.“
Das Ergebnis ist eine 200-300 Nanometer dicke Tonschicht um jedes Sandkörnchen. Der Nano-Ton verwandelt sie quasi in Schneeflöckchen. Dank ihrer größeren Oberfläche können Wasser und Nährstoffe nun am Sand haften bleiben und sich chemisch mit ihm verbinden, anstatt im Boden zu versickern. Nach nur sieben Stunden kann man die ersten Pflanzen säen und nach etwa fünf Jahren muss man die Tonschicht erneuern.
Dass das Konzept aufgeht, zeigt nun ein Pilotprojekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Gemeinsam mit dem Internationalen Zentrum für Biosalinen-Landwirtschaft (ICBA) in Dubai verwandelte Desert Control etwa 1.000 Quadratmeter (ca. 40 m x 25 m) Wüste in fruchtbares Ackerland.
Teurer Tropfen auf den heißen Sand
Bereits nach 40 Tagen konnten die ersten Früchte geerntet werden, darunter 200 Kilogramm Wassermelonen sowie Hirse und Zucchini. Für ein Land, das bisher 90 Prozent seiner Lebensmittel importiert, ist das jedoch ein Tropfen auf heißen Sand – und noch dazu ein recht teurer Tropfen.
Pro Quadratmeter fruchtbarer Wüste rechnen die Norweger mit Kosten zwischen 1,50 und 4,50 Euro. Große Anlagen, die in einem Container passen und vor Ort den Nano-Ton produzieren, sollen die Kosten künftig auf etwa ein Zehntel senken. Bislang ist es jedoch günstiger, Wüste Wüste sein zu lassen und sich für etwa 30 Cent pro Quadratmeter bereits fruchtbares Land anderswo auf der Erde zu kaufen. Immerhin senkt die Ton-Behandlung die nötige Bewässerung um etwa 50 Prozent.
Eigentlich wollten die Forscher um Sivertsen ihre Ernte 2020 bezüglich des Nährstoffgehalts testen. Sie rechneten mit höheren Werten gegenüber gewöhnlichem Anbau. Stattdessen verteilten sie die Früchte an Familien in der Nähe ihrer Felder, da frisches Obst in Zeiten des Lockdowns so gut wie nicht erhältlich war. Was wiederum dafür spricht, mehr Produkte lokal und in begrünten Wüsten anzubauen. Getestet wird nun durch die Forscher nach der nächsten Ernte.
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