AfD-Sachverständiger Vosgerau hält Gesetzentwurf für „verfassungsfeindlich“
Der Berliner Rechtsanwalt Dr. Ulrich Vosgerau hat den Gesetzentwurf für das neue Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG) am 16. Oktober im Bundestagsausschuss für Inneres und Heimat als „verfassungswidrig“ und „verfassungsfeindlich“ kritisiert. Sollte der Entwurf verabschiedet werden, werde er ihn selbst „vor dem Bundesverfassungsgericht wieder zu Fall bringen, genau wie ich Ihre bisherige Regelung zu Fall gebracht habe“, kündigte Vosgerau den übrigen Ausschussmitgliedern und -besuchern an.
Vosgerau war von der „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf die Liste jener Sachverständiger (PDF) gesetzt worden, die vor dem Innenausschuss ihre Expertise abgeben durften. Der aktuelle StiftFinG-Entwurf war schon vorher von den Fraktionen der Ampelparteien und der Unionsfraktion formuliert worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 22. Februar 2023 verlangt hatte, eine gesonderte gesetzliche Regelung für die Stiftungsförderung mit Steuergeldern zu schaffen (Az: 2 BVE 3/19). Geldzuweisungen an parteinahe Stiftungen war zuvor jahrzehntelang schlicht über das jeweilige Bundeshaushaltsgesetz erfolgt.
Bereits am Freitag vor der Ausschusssitzung hatte es die erste Lesung des StiftFinG-Gesetzentwurfs im Bundestag gegeben. Dabei hatte der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer den Gesetzentwurf als „dreistes Lehrstück von Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft“ geschmäht. Die AfD-Fraktion hatte einen eigenen Gesetzentwurf über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen eingereicht (BT-Drucksache 20/8737, PDF).
Vosgerau: „verbotenes Einzelfallgesetz“
Vor dem Ausschuss begründete der Jurist Vosgerau seine Einschätzung der Verfassungsfeindlichkeit des StiftFinG damit, dass es sich um ein „Maßnahmengesetz“ handele, welches „speziell gegen die parteipolitische Neutralität“ und „speziell gegen die Chancengleichheit der politischen Parteien“ angefertigt worden sei.
Die Verfassungswidrigkeit zeige sich darin, dass es sich „um ein verbotenes Einzelfallgesetz“ handele, das „nur zum Schein generell abstrakt ausgestaltet“ sei. In Wahrheit gehe es nur darum, speziell die Interessen der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) auszuhebeln. Denn nach dem gegenwärtigen Wortlaut von Paragraf 8 StiftFinG (PDF), der die „Anerkennung bereits geförderter Stiftungen“ regeln soll, müsste sich gemäß Paragraf 2 ausschließlich die DES einer Prüfung auf Förderungswürdigkeit unterziehen, um Steuergelder zu erhalten. Alle anderen parteinahen Stiftungen würden auch weiterhin von Prüfungspflichten ausgenommen bleiben, weil sie bereits in der Vergangenheit Fördergelder erhalten hätten.
Im Gesetzesentwurf sind die Namen der parteinahen Stiftungen sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD, sogar ausdrücklich als bereits „anerkannt“ namentlich aufgeführt:
- Friedrich-Ebert-Stiftung e. V. (SPD)
- Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. (CDU)
- Hanns-Seidel-Stiftung e. V. (CSU)
- Friedrich Naumann-Stiftung für die Freiheit (FDP)
- Heinrich-Böll-Stiftung e. V. (Grüne)
- Rosa-Luxemburg-Stiftung Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V. (Linke)
Nach Angaben des Bundestags steht im Bundeshaushalt für das Jahr 2023 eine Gesamtförderungssumme für politische Stiftungen in Höhe von „rund 697 Millionen Euro“ bereit.
„Zwei-Legislaturen-Theorie beerdigt“
Der aktuelle Entwurf verletze zudem die Vorgaben des BVerfG, meinte Ulrich Vosgerau weiter. Denn als das oberste deutsche Gericht dem Parlament den Auftrag gegeben habe, ein Gesetz zur Stiftungsfinanzierung zu beschließen, habe es zugleich die „vorher so populäre Zwei-Legislaturen-Theorie beerdigt“. Nach dieser Theorie sei die Mittelvergabe für parteinahe Stiftungen in der Praxis stets so gehandhabt worden, dass eine Partei zwei Legislaturen im Bundestag habe vertreten sein müssen, damit ihre Stiftung in den Genuss von Fördergeldern kommen konnte.
Die DES sei somit in der ersten Legislatur der AfD leer ausgegangen. Genau das aber sei nach den aktuellen Vorgaben des BVerfG schon verfassungswidrig gewesen, meint Vosgerau. Doch statt diesen Umstand zu berücksichtigen, habe das StiftFinG „jetzt aus zwei Legislaturen, die bereits verfassungswidrig waren, drei Legislaturen“ gemacht.
Neutralität und Gleichbehandlungsgebot verletzt
Ganz allgemein verletze der Gesetzentwurf „den Grundsatz der staatlichen parteipolitischen Neutralität, das Gleichbehandlungsgebot“, so Vosgerau. Der Jurist erläuterte:
Eine staatliche Neutralität und eine parteipolitische Chancengleichheit wäre ja nichts wert, wenn 51 Prozent des Bundestages durch Gesetz festlegen können, dass bis zu 49 Prozent des Bundestages eben keine Chancengleichheit mehr haben, weil sie ihm durch das Gesetz aberkannt worden ist.“
Zum Ende seines knapp dreiminütigen Monologs wies Vosgerau noch darauf hin, dass er den Gesetzentwurf für „handwerklich schlecht gemacht“ halte. Denn nach Paragraf 2, Absatz 4, Satz 2, Nummer 1 des Textes müsste „jede einzelne Handlung, die eine Stiftung in der Vergangenheit jemals getan hat, gleichzeitig der FDGO und außerdem auch noch der Völkerverständigung dienen“. Und das sei „technisch gar nicht zu machen.“
Debatte um Prüfinstanz geführt
Die übrigen Sachverständigen hatten sich im Ausschuss beinahe ausschließlich positiv zu dem Gesetzentwurf geäußert (Zusammenfassung und Sitzungsvideo auf „Bundestag.de“).
Lediglich die Frage, welchem Gremium man die Aufgabe übertragen solle, die „Einhaltung der Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ bei einer Stiftung zu überprüfen, brachte gewisse Meinungsverschiedenheiten zutage.
Nach dem Original-Gesetzentwurf aus der Feder der Autoren um die Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich (SPD), Friedrich Merz (CDU), Christian Dürr (FDP), Katharina Dröge und Britta Haßelmann (Grüne) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (BT-Drucksache Nr. 20/8726, PDF) sollte das Bundesinnenministerium (BMI) dafür zuständig sein. Prof. Markus Ogorek, der von der Union als Sachverständiger eingeladen worden war, erhob dagegen Bedenken (PDF). Prof. Sina Fontana, Experte für die SPD, empfahl eine „unabhängige Stelle“ (PDF). John Philipp Thurn von der Gesellschaft für Freiheitsrechte hält die Bundestagspräsidentin für die richtige Prüfadresse (PDF). Prof. Christofer Lenz, Experte für die FDP, findet das BMI als Prüfinstanz zumindest vorläufig „akzeptabel“, wünscht sich aber eine eigene Prüfung in dieser Frage nach Inkrafttreten des Gesetzes (PDF).
Prof. Rudolf Mellinghoff, ein früherer Bundesverfassungsrichter und Präsident des Bundesfinanzhofes a.D., der auf Einladung der Union erschienen war, dachte schon einen Schritt weiter: Er empfahl, „das Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Gericht für Klagen einer Stiftung“ zu bestimmen, falls diese Stiftung mit einer Entscheidung des BMI nicht einverstanden sei (PDF).
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