Aufarbeitung gefordert: „Es ist an der Zeit, Fehler und Verantwortliche zu benennen“

Der Krankenversicherungsexperte Franz Knieps hat seinem Ärger über Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Luft verschafft. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“ forderte er, „Fehler und Verantwortliche zu benennen und Lehren“ aus der Corona-Krise zu ziehen.
Titelbild
Nach Auffassung von BKK- Dachverbandsvorstand Franz Knieps spielt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild) zugleich die Rollen eines Beratenen, eines Beraters und eines Interpreten der Realität.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 1. März 2023

„Die Pandemie mit unerträglichen Grundrechtseingriffen und massiven Ressourcenverschwendungen darf so nicht enden. Es ist an der Zeit, Fehler und Verantwortliche zu benennen und Lehren zu ziehen.“ Diese Worte, die vielen Geschädigten der Corona-Politik aus dem Herzen sprechen dürften, stammen aus der Feder von Franz Knieps (67), dem Vorstandsvorsitzenden des BKK Dachverbands. Erschienen sind sie am 24. Februar auf der Website der „Frankfurter Rundschau“ (FR).

„Biedermann“ Lauterbach?

Knieps fordert in seiner kurzen Abrechnung, einen „(vorläufigen) Schlussstrich unter die autoritäre Corona-Politik zu ziehen“ – nicht aber unter die Aufklärung der Verfehlungen. In diesem Punkt müsse Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die „politische Verantwortung für offensichtliche Fehlentscheidungen“ übernehmen.

Denn Lauterbach betreibe bislang „Geschichtsverdrehung“, offenbare „ein merkwürdiges Verständnis von Aufarbeitung“ und übe sich in „Rechthaberei“, indem er keine eigenen Fehler eingestehen wolle und die gesamte Schuld bei anderen sehe. Nämlich bei der „Wissenschaft“ und bei jenen Kritikern, die sich „nicht laut genug“ zu Wort gemeldet hätten.

Diese anderen seien nach Auffassung Lauterbachs für Schulschließungen oder Verweilverbote an der frischen Luft verantwortlich gewesen, schreibt Knieps. „Das erinnert an die Figur des Gottlieb Biedermann, der die Brandstifter in sein Haus einlud“, schreibt der Krankenversicherungsexperte in Anspielung auf das berühmte Drama von Max Frisch, das im deutschsprachigen Raum noch heute vielerorts zum Schulkanon gehört.

Realitätsinterpretationen

„Wer hat denn Kitas und Kindergärten als Hotspots gebrandmarkt, Jugendliche als Gefährder bezeichnet und Ausgangssperren als nachgewiesen wirksam bezeichnet?“, spielt Knieps den „Schwarzen Peter“ zurück an den Gesundheitsminister, der ja nicht nur als „Beratener“, sondern auch als „Berater“ und zugleich als Interpret der Realität aufgetreten sei. Diese Realität deute Lauterbach so lange, „bis sie in seine Erzählung passen“, meint Knieps. Doch wer „die Tatsachen einseitig interpretiert oder gar verdreht, dem wird man nicht verzeihen können oder wollen“.

Die letzte Pressemeldung zum Thema Corona hatte Lauterbach übrigens am 14. Februar 2023 herausgegeben. Darin war die Rede von weiteren Lockerungen in Bezug auf Test- und Maskenpflichten, die ab dem 1. März in ganz Deutschland gelten. Seither ist der Strom an Warnungen, Ankündigungen und Ratschlägen aus dem Bundesgesundheitsministerium zum Rinnsal geworden.

Seit Monaten Rücktrittsforderungen

Es scheint so, als lasse Lauterbach die Kritik an seinem Handeln und die Rücktrittsforderungen einfach an sich abperlen. Dass Lauterbach seinen Stuhl räumen sollte, hatten in den sozialen Medien oder auf der Straße nicht nur Hunderttausende Maßnahmengegner oder Impfschadensopfer immer wieder gefordert, sondern auch Prominente wie der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht oder der ärztliche Berufsverband „Hippokratischer Eid“, um nur einige zu nennen.

Die Vorwürfe sind vielfältig. Lauterbach soll demnach…

Auch „bei Apothekern, Ärzten und in den Pharmaverbänden“ habe sich Lauterbach mit „dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz […] sicher keine Freunde gemacht“, hieß es im Dezember 2022 in der „Deutschen Apotheker Zeitung“.

Auf der Online-Petitionsplattform „Change.org“ hatte der Berliner Aktivist Paul Bajorat die Möglichkeit gegeben, eine Stimme für die Forderung nach Lauterbachs Rücktritt abzugeben. Stand 28. Februar, 17:00 Uhr, waren mehr als 318.000 Menschen dem Aufruf nachgekommen.

Jüngste Panne: LSD-ähnliche Stoffe vorläufig legal

Lauterbach leistet sich seit seinem Amtsantritt im Dezember 2021 immer wieder Irrtümer, Ungenauigkeiten und Übertreibungen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein Gesetzestext für das „Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz“ (NpSG) unter Lauterbachs ministerialer Verantwortung so formuliert worden war, dass bestimmte LSD-ähnliche Stoffe nun irrtümlich – aber offiziell zumindest vorläufig legal – in den Verkehr gebracht werden können.

Schon vor Monaten hatte er die COVID-19-Spritze als „fast nebenwirkungsfrei“ beworben, obwohl allein der Impfstoffhersteller Pfizer (PDF) schon Ende Februar 2021 Kenntnis von Hunderten Nebenwirkungen hatte. Kürzlich gab Lauterbach in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ zu, bei der Erstellung des BMI-Strategiepapiers „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bringen“, persönlich behilflich gewesen zu sein (Video auf Twitter). Demnach jenem Papier, das schon im Frühjahr 2020 ausgelotet hatte, wie die Menschen in Deutschland am besten in Angst und Schrecken vor dem Corona-Virus versetzt werden könnten.

Zudem hatte Lauterbach es in 14 Monaten nicht geschafft, die seinem Ministerium unterstellten Behörden Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Robert Koch-Institut (RKI) zu einer zeitnahen und detaillierten Auswertung der Krankenkassendaten über Corona-Impfnebenwirkungen und -todesfälle zu bewegen, wie es laut Paragraf 13, Absatz 5 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Streit um die Zahlen und ihre Interpretation dauert bis heute an.

Rückhalt für Lauterbach

Doch Lauterbach hat auch Fürsprecher. So hält Parteigenosse und Bundeskanzler Olaf Scholz nach wie vor an dem Rheinländer fest, was den „Focus“ schon im April 2022 zu einem kritischen Artikel veranlasste.

Oliver Neuroth vom ARD-Hauptstadtstudio kommentierte Rücktrittsforderungen im April 2022, die nach einer 180-Grad-Wende des Gesundheitsministers zum Thema Corona-Isolationspflichten laut geworden waren – mit dem verständnisvollen Hinweis, dass es sich „im Kern nicht um einen politischen, eher um einen kommunikativen Patzer“ gehandelt habe. Seine „falsche Entscheidung“ habe Lauterbach immerhin eingestanden, und auch Politiker seien Menschen und könnten sich irren.

Zur Person: Franz Knieps

Der studierte Jurist Franz Knieps (SPD), Jahrgang 1956, kann auf berufliche Stationen unter anderem beim AOK-Bundesverband, bei der Unternehmensberatung Wiese-Consult und beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zurückblicken. Als Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium und Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) war er auch an der Gesundheitspolitik zwischen 2003 und 2009 beteiligt. Danach schickte ihn mit Philip Rösler (FDP) ein anderer Gesundheitsminister in den Ruhestand. Seit Juli 2013 bekleidet Knieps das Amt des Vorstands des BKK Dachverbandes.



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