China, Russland und USA: Neue Machtdynamik im Nahen Osten nach Soleimanis Tod

Nach der Tötung von Qassim Soleimani durch die USA entpuppt sich der Irak als ein neues Schlachtfeld geopolitischer Möglichkeiten. Russland und China positionieren sich bereits.
Titelbild
Chinas Außenminister Wang Yi (R) schüttelt dem iranischen Außenminister Javad Zarif vor einem bilateralen Treffen am 15. September 2015 in Peking, China, die Hand.Foto: Lintao Zhang/Pool/Getty Images
Epoch Times13. Januar 2020

Nach dem Tod von Qassim Soleimani werden die Karten der Macht im Nahen Osten zwischen dem Iran, China und Russland gegenüber den Vereinigten Staaten neu gemischt. Hinzu kommt, dass der Irak – zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran eingeklemmt – zunehmend in Richtung China gedrängt wird, meinen geopolitische Analysten.

Kanishkan Sathasivam, ein in Massachusetts ansässiger geopolitischer Analyst, sagte der „The Epoch Times“, dass er nach Soleimanis Tod eine deutliche Verbesserung der Beziehungen zwischen dem Iran und China erwartet, es aber der Irak sei, der sowohl für China als auch für Russland eine größere werdende Chance darstellt.

Ich rechne mit einer deutlichen Verbesserung in ihren Beziehungen“, sagte Sathasivam.

Der Irak könnte sich öffnen, Iran näher an China heranrücken

„Im Gegensatz dazu ist der Irak eine offenere Möglichkeit, weil er ein Gegnerstaat [für] die USA ist, dessen Einfluss China ersetzen würde. Meine Erwartung ist also, dass sowohl Russland als auch China jetzt einen großen Einfluss auf die irakische Regierung ausüben und sich als eine brauchbare Alternative zu den USA anbieten werden“, sagte er.

Die in Frankreich ansässige türkische Analystin Esra Serim meint, dass der Iran näher an China heranrücken wird.

Ehrlich gesagt, wird die iranische Regierung näher an Peking rücken als je zuvor. Denn Teheran weiß genau, dass Russland nicht das einzige Machtgleichgewicht gegenüber der amerikanischen Hegemonie im Nahen Osten sein kann“, sagte Serim in einer E-Mail an die Epoch Times.

Serim glaubt, dass Teheran nach Soleimanis Tod die Präsenz und Unterstützung sowohl Russlands als auch Chinas braucht, um „ein Gegengewicht zu Washington und Tel-Aviv in der Region zu schaffen“.

„Neben den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Iran und Russland/China, pflegt Teheran auch robuste militärische Beziehungen zu ihnen, wie beispielsweise den Transfer von Militärtechnologie und -ausrüstung und sogar Infrastrukturdienstleistungen für die iranischen Nuklearanlagen“, sagte sie, angesprochen auf die bereits bestehenden Beziehungen.

Eine schiitisch-muslimische Pilgerin hält ein Bild des iranischen Oberhauptes Ayatollah Ali Khamenei (R), des verstorbenen Gründers der Islamischen Republik Iran, Ayatollah Ruhollah Khomeini (C), und des Oberhauptes der militanten schiitisch-muslimischen Bewegung des Libanon, Hassan Nasrallah, in Najaf am 9. Dezember 2014. Foto: HAIDAR HAMDANI/AFP via Getty Images

Nur die Chinesen könnten Irak und dem Iran helfen – angesichts von US-Sanktionen

Sam Bazzi, ein libanesischer Nahost-Experte, sagte der „Epoch Times“ in einem schriftlichen Interview, dass sowohl der Iran als auch der Irak nach Soleimanis Tod, China zunehmend brauchen werden. Nur sie [die Chinesen] könnten ihnen angesichts der zunehmenden Wirtschaftssanktionen der USA zu Hilfe kommen:

Der Vorteil, den China bietet, ist seine Bereitschaft, sich an Tauschgeschäften zu beteiligen und Öl für die Umsetzung von Großprojekten wie Wiederaufbau, Infrastrukturentwicklung und Industrialisierung zu relativ niedrigen Kosten (in Bezug auf den Ölwert) zu liefern“, sagte er.

China und der Iran haben vor kurzem einen anderen Weg gefunden, die US-Sanktionen zu umgehen. Im vergangenen Jahr unterzeichnete China einen mehrere Jahrzehnte dauernden Ölliefervertrag, der 280 Milliarden Dollar in die iranische petrochemische Industrie einbringt. Alles ist in chinesischen Yuan zu zahlen, wodurch das etablierte Petrodollarsystem umgangen wird, berichtete The Telegraph.

China und Russland als diplomatischer Schutzschild des Iran

Laut der chinesischen staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua ging der chinesische Außenminister Wang Yi bereits einen Tag nach der Ermordung Soleimanis mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif in Gespräche über eine konstruktive Rolle Chinas bei der Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit im Nahen Osten.

Am 5. Januar sprach Wang mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow über die sich abzeichnende Situation im Nahen Osten. Wang plädierte gegen den Missbrauch „militärischer Gewalt“ und warnte die Vereinigten Staaten vor „militärischem Abenteurertum“, berichtete die türkische Anadolu-Agentur.

Der geopolitische Analyst Sathasivam erklärt, dass China und Russland schnell reagiert hätten, weil die strategische Abschreckungshaltung der USA gegenüber dem Iran sie beeinflusst. Strategische Abschreckung ist eine „politisch-militärische Haltung der Fähigkeiten (militärische Macht und Technologie) und doktrinären Prinzipien (…) einer Nation“, so das Institute for Defense Studies and Analysis.

Laut Sathasivam hätten die Vereinigten Staaten ihre Abschreckungshaltung seit geraumer Zeit zurückgefahren, jedoch hätte sich die Sachlage mit Soleimanis Tötung geändert.

Die USA haben ihre Abschreckungshaltung gegenüber dem Iran seit vielen Jahren langsam aufgegeben, von den G.W. Bush-Jahren bis zu den Obama-Jahren … Was Trump jetzt (scheinbar) erfolgreich getan hat, ist die Wiederherstellung der Abschreckung gegenüber dem Iran“, sagte er.

„Und ja, wenn man die Abschreckung gegenüber einem Staat etabliert, dann hilft das auch, die Abschreckung gegenüber anderen potenziellen Gegnern, zum Beispiel China, Russland und Nordkorea, zu etablieren“, fügte er hinzu.

Abu Mahdi al-Mohandis, die Nummer zwei der irakischen Hashed al-Shaabi, im Englischen als „Popular Mobilisation Units“ bekannt, bei einem Treffen am 23. Januar 2018 mit Beamten in der Stadt Basra. Foto: HAIDAR MOHAMMED ALI/AFP via Getty Images

Russland will noch nicht für den Iran gegen die USA in einen Krieg ziehen

Sathasivam erklärte jedoch, dass man aus diesen Entwicklungen nicht den Schluss ziehen kann, dass China und Russland bereit wären, mit den Vereinigten Staaten einen Krieg um den Iran zu führen.

„Eine wichtige realistische Ansicht ist, dass Staaten sich gegenseitig helfen, wenn sie gemeinsame Interessen haben, aber normalerweise bereit sind, Kriege nur für ihre eigenen Interessen zu führen und niemals für die Interessen eines anderen Staates. Selbst Russland ist noch nicht an dem Punkt in seiner Beziehung zu dem Iran gelangt, an dem es gewillt ist, für ihn gegen die USA in den Krieg zu ziehen“, sagte er.

Warum mischte sich China ein?

Dr. Serim, ein leitender Forscher an der Universität von Aix Marseille, ist der Ansicht, dass China sich eingemischt hat, weil es sich einen Krieg zwischen den USA und dem Iran nicht leisten kann.

Jeder Krieg in der Region könnte Chinas derzeitigen Investitionen im Nahen Osten, insbesondere im Irak und im Iran, sowie in den Ländern des Golf-Kooperationsrates und in Ägypten schaden. Schon jetzt ist Peking eine Großmacht und ein politisch gewichtiger Akteur in der Region geworden. China will aufsteigen, indem es Soft Power in der Region einführt“, erklärte sie.

Während China und sein Verbündeter Russland also den Silvesterangriff auf die US-Botschaft in Bagdad verurteilten, blockierte das Duo auch eine Erklärung des UN-Sicherheitsrates, in der der Angriff verurteilt wurde, weil er nicht auf die anschließende Tötung Soleimanis einging.

„Es ist ein klassisch realistischer Ansatz für internationale Beziehungen. Wenn die russische oder chinesische Botschaft auf diese Weise angegriffen worden wäre, wären diese Staaten empört. Aber weil es etwas ist, das gegen ihren vermeintlichen Gegner geschieht, reagieren sie anders“, sagte Sathasivam.

Serim sagte, dass China eine wachsende Bedrohung für Washington im Nahen Osten sowie im pazifischen Raum darstelle.

Weil Peking, anders als Moskau, seit vielen Jahren ein impliziter Verbündeter des Irans ist. Zum Beispiel haben Peking und Teheran immer noch gemeinsame See- und Militärübungen in der Straße von Hormus abgehalten, wo Öl-/Gastanker im Transit verkehren. Dies ist eine offene Angelegenheit.“

In wichtigen Entwicklungen vor Soleimanis Tod beschloss China, 120 Milliarden Dollar in die iranische Transportinfrastruktur zu investieren und außerdem, 5.000 chinesische Sicherheitskräfte einzusetzen, um die iranischen Vermögenswerte und die Öllieferungen auf Tankschiffen auf dem Weg vom Iran nach China zu bewachen, berichtet The Telegraph.

In Bagdad griffen Anhänger einer irakisch-schiitischen Miliz und weitere Protestler die dortige US-Botschaft an. Foto: AHMAD AL-RUBAYE/AFP via Getty Images

Serim ist der Überzeugung, dass die US-Alliierten sich aus eigenen wirtschaftlichen Interessen nicht in Chinas militärische Aktivitäten in der Region einmischen wollen und China nicht „verärgern“ wollen.

Fast alle amerikanischen Verbündeten machen immer noch Geschäfte mit China, als eine alternative Macht zu den USA“, sagte sie.

Sathasivam sagte, dass jede Situation wie diese ihre einzigartige Dynamik hat und dass es dabei immer um Macht und Einfluss geht.

„Im heutigen Nahen Osten, und übrigens auch in der heutigen Welt, haben die USA den größten Teil des Einflusses und der Macht. Jeder andere Staat, der mächtiger werden will, hat also automatisch die USA im Visier, und wir hier eine ‚die-USA-gegen-alle-anderen-Situation‘. Wenn in Zukunft die USA weniger Macht und Einfluss haben und diese anderen Staaten mehr, dann werden sie sicher auch anfangen, miteinander zu wetteifern.“

Der Irak will die US-Streitkräfte raus haben

Seit Soleimani auf irakischem Boden getötet wurde und der Irak mehrere US-Militärbasen beherbergt, wurde er zum Ziel iranischer Raketen. Nach den Angriffen versuchte die irakische Regierung, sich militärisch von den USA zu distanzieren und sich China anzunähern.

Die Situation zwischen dem Irak und den Vereinigten Staaten entwickelte sich so weit, dass der scheidende irakische Premierminister Adil Abdul al-Mahdi den US-Außenminister Mike Pompeo während eines Telefonats am 9. Januar bat, Pläne für einen Truppenabzug zu machen.

Die irakische Regierung machte am 5. Januar Ernst, als das irakische Parlament eine unverbindliche Resolution zur Vertreibung ausländischer Truppen aus dem Land verabschiedete, um ihre Forderung nach dem amerikanischen Truppenabzug zu untermauern. Bereits am Tag darauf empfing al-Mahdi den chinesischen Botschafter, Zhang Tao, im Irak der sich im Gegenzug bereit erklärte, dem Irak militärische Hilfe zu leisten.

„Der scheidende irakische Premierminister traf sich mit dem Vertreter eines ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrates, um Pekings Absichten in der bevorstehenden Phase zu beurteilen, da er höchstwahrscheinlich eine militärische Eskalation erwartete“, sagte Joseph A. Kéchichian, leitender Mitarbeiter des King Faisal Center for Research and Islamic Studies in Riad, Saudi-Arabien, in einer E-Mail an die „The Epoch Times“.

Im Gegenzug ist China daran interessiert, den Puls von Abdul Mahdi zu fühlen, während der Premierminister versucht herauszufinden, wie er das bisschen, was von der Souveränität seines Landes noch übrig ist, retten kann“, sagte er.

Eine Sitzung im irakischen Parlament in Baghdad 2007. Foto: Ceerwan Aziz-Pool/Getty Images

Kéchichian glaubt jedoch, dass die Entwicklungen nicht darauf hindeuten, dass der Nahe Osten nach einer Alternative zu den Vereinigten Staaten sucht. „Das ist bestenfalls Wunschdenken, aber jeder hat das Recht, wahnhaft zu sein“, sagte er.

Der leitende Analyst, der mehrere Bücher über Saudi-Arabien verfasst hat, sagte auch, dass sowohl China als auch Russland eine rote Linie ziehen würden, wenn sie ihre Angelegenheiten und Geschäfte mit dem Iran und dem Irak angehen.

Die Zeit wird zeigen, ob China und Russland ihre eigenen Markierungen in der Region setzen werden. Im Moment sieht es nach einer ablehnenden Front aus, obwohl beide Länder – ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – wissen, dass ihre langfristigen Interessen bei den führenden westlichen Wirtschaftsmächten liegen“, meint Kéchichian.

Die Associated Press hat zu diesem Bericht beigetragen.

Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA: China, Russia and US: New Power Dynamics in Middle East After Soleimani’s Death

Deutsche Bearbeitung von rm.



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Der Öffentlichkeit ist wenig über den Einfluss der KP Chinas auf den Iran bekannt. In der sogenannten „peripheren Strategie“ der Kommunistischen Partei werden Staaten, die die Partei als zentrale Schlüsselstaaten ansieht, etabliert. Der Iran ist einer davon. Schlüsselstaaten sind für China die, die über eine beträchtliche regionale Macht verfügen und die Peking mit seinen Kapazitäten und Ressourcen leiten kann. Weiterhin haben diese Staaten keine direkten Konflikte in Bezug auf strategische Interessen mit der KP China und keine engen gemeinsamen Interessen mit den Vereinigten Staaten.

Im Nahen Osten ist der Iran der Empfänger der größten chinesischen Investitionen. Peking unterhält seit den 1980er Jahren enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zum Iran.

1991 stellte die Internationale Atomenergiebehörde fest, dass die KP China Uran in den Iran exportiert hatte und dass China und der Iran 1990 ein geheimes Atomabkommen unterzeichneten. Als 2002 das iranische Urananreicherungsprojekt bekannt wurde, zogen sich westliche Ölgesellschaften aus dem Land zurück und gaben der KP China damit die Möglichkeit, die Situation zu nutzen und engere Beziehungen zum Iran aufzubauen.

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