Am 23. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China: Mindestens 300 Festnahmen am 1. Tag des neuen Sicherheitsgesetzes

Einen Tag nach dem Inkrafttreten des umstrittenen Sicherheitsgesetzes in Hongkong sind die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone wieder aufgeflammt. Die Polizei nahm mehr als 300 Demonstranten fest.
Epoch Times1. Juli 2020

Bei den ersten Protesten nach dem Inkrafttreten des umstrittenen Sicherheitsgesetzes in Hongkong sind mehr als 300 Menschen festgenommen worden. Die Polizei ging am Mittwoch – dem 23. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China – mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor und meldete die ersten Festnahmen unter dem neuen Sicherheitsgesetz. Die heftige internationale Kritik an seinem Umgang mit Hongkong wies China scharf zurück.

Tausende Menschen widersetzten sich einem Versammlungsverbot und blockierten unter anderem Straßen in der Finanzmetropole. Um die Proteste aufzulösen, feuerte die Polizei mehrfach auch mit Tränengas aus Wasserwerfern auf die Demonstranten. Dabei wurden Demonstranten sowie Journalisten getroffen, darunter auch Reporter der Nachrichtenagentur AFP.

Wasserwerfer der Hongkonger Polizei in der Hennessy Road, Hongkong, am 1. Juli 2020. Foto: Hongkong-Ausgabe der The Epoch Times

Unterdessen wurden auch die ersten Demonstranten wegen Verstößen gegen das neue Sicherheitsgesetz in Gewahrsam genommen. Ein Mann sei als erster wegen des Besitzes einer Unabhängigkeitsflagge festgenommen worden, schrieb die Polizei auf Twitter. Später wurden acht weitere Menschen wegen ähnlicher Vergehen festgenommen. „Das Eintreten für die Unabhängigkeit Hongkongs ist gegen das Gesetz“, sagte Hongkongs Sicherheitsminister John Lee vor Reportern.

Verbot von Flaggen, Aufklebern und Flugblättern, auf denen die Unabhängigkeit Hongkongs befürwortet wird

Am Dienstag hatte Peking das Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone verabschiedet. Hongkongs pekingtreue Regierung setzte es noch am selben Tag in Kraft. Das Gesetz greift massiv in die Autonomierechte der Finanzmetropole ein. Bestraft werden unter anderem der Besitz von Flaggen, Aufklebern und Flugblättern, auf denen die Unabhängigkeit Hongkongs befürwortet wird.

Kritiker befürchten, dass es vor allem auf die pro-demokratischen Kräfte in Hongkong abzielt. Im vergangenen Jahr gab es in Hongkong monatelange Proteste der Demokratiebewegung, die sich gegen den wachsenden Einfluss Pekings in der Sonderverwaltungszone zur Wehr setzt.

Ein Bereitschaftspolizist richtet während einer Demonstration am 30. Juli 2019 in Hongkong, China, eine „Pumpgun“ auf die Protestteilnehmer. Seit dem 9. Juni, waren damals die Demonstranten zu wöchentlichen Kundgebungen auf den Straßen Hongkongs um gegen die Einführung eines Auslieferungsgesetz zu demonstrieren. Foto: Billy H.C. Kwok/Getty Images

Das Gesetz erlaubt den chinesischen Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit bedrohen. Wer das Gesetz bricht, muss mit mindestens zehn Jahren Haft rechnen, könnte aber auch lebenslang im Gefängnis landen. Der chinesischen Führung wird vorgeworfen, mit dem Gesetz den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ aufzuheben und die garantierten demokratischen Bürgerrechte in Hongkong zu unterdrücken. „Das autoritäre Regime will die Menschen terrorisieren“, sagte der Demonstrant Chris To.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, es sei wesentlich“, dass die freiheitlichen Rechte Hongkongs „vollständig geschützt werden“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich besorgt über das neue Gesetz.

Heiko Maas (SPD) forderte eine geschlossene Reaktion der EU gegenüber China

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte eine geschlossene Reaktion der EU gegenüber China. Die Regierung in Peking müsse ihre Zusagen einhalten und die Rechte und Freiheiten der Menschen in Hongkong wahren, schrieb Maas auf Twitter. „Das werden wir als EU einfordern.“

Der britische Regierungschef Boris Johnson verurteilte das neue Sicherheitsgesetz als „ernsthaften Verstoß“ gegen den britisch-chinesischen Vertrag zur Übergabe der ehemaligen Kronkolonie an die Volksrepublik im Jahr 1997. Er kündigte an, Millionen Hongkongern eine erleichterte Einwanderung nach Großbritannien zu ermöglichen. Menschen mit Anspruch auf den „British National Overseas“-Status sollen eine mehrjährige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten und später einen britischen Pass beantragen können.

Die schärfste Reaktion kam von US-Präsidenten Donald Trump. Er kündigte am 29. Mai an, Hongkongs Autonomie- und damit auch besonderen besonderer Handelsstatus aufgrund Pekings neuem Sicherheitsgesetz für Hongkong aufzuheben. Trump sagte dazu: „China hat seine versprochene Formel ‚ein Land, zwei Systeme‘ durch ‚ein Land, ein System‘ ersetzt“. Er kritisierte die „Erstickung der Freiheit Hongkongs“ durch das neue Gesetz.

„U.S.-Hong Kong Policy Act“ von 1992 erlaubte es Washington, Hongkong autonom von China zu behandeln

Die „U.S.-Hong Kong Policy Act“ von 1992 erlaubte es Washington, Hongkong auch nach der Übernahme der Kontrolle durch China im Jahr 1997 in Handels- und Wirtschaftsfragen als völlig autonom zu behandeln.

Die Aberkennung von Hongkongs Autonomiestatus gibt Washington die Möglichkeit Sanktionen gegen chinesische Funktionsträger, wie etwa Visa-Restriktionen oder das Einfrieren von Vermögenswerten in den USA einzuführen. Auch Strafzölle, die bis jetzt nur für Festlandchina gelten und Einfuhrverbote für sensible Technologien sind denkbar.

Hongkong ist für Peking das Tor zu dem westlichen Finanzmarkt. 70 Prozent der chinesischen Deviseneinnahmen wickelt es über Hongkong ab. Voraussetzung für die florierende Wirtschaft war Hongkongs-Sonderstatus. Die tatsächliche Aberkennung von Hongkongs Autonomiestatus durch die USA hätte tiefgreifende und fatale Folgen für Pekings Wirtschaft.

Peking weist Kritik zum Sicherheitsgesetz zurück: „Das geht Sie nichts an“

Peking verbat sich die Kritik aus dem Ausland. „Das geht Sie nichts an“, sagte Zhang Xiaoming vom Büro des  Staatsrats für Angelegenheiten in Hongkong und Macao.

Ausgangspunkt für die Anhaltenden Proteste war ein im Juni 2019 geplantes Auslieferungsgesetz der pro-chinesischen Führung in Hongkong. Es sah vor, dass Auslieferungen künftig an das chinesische Festland möglich sind. Es hätte auch Ausländer betroffen, die sich in Hongkong aufhielten.

In Hongkong gingen damals quer durch alle Gesellschaftsschichten über eine Million Hongkonger gegen das Auslieferungsgesetz nach China auf die Straße. Schließlich zog die pekingtreue Regierung den Gesetzesantrag zurück.

Hongkonger fordern die Erfüllung der Fünf Forderungen

Die Hongkonger Bevölkerung geht nun weiterhin auf die Straße, weil die Rücknahme des Auslieferungsgesetzes nur eine von fünf Forderungen damals war. Sie fordern darüber hinaus den Rücktritt der pekingtreuen Regierungschefin Carrie Lam samt dem Regierungskabinett und freie Wahlen.

Auch soll es eine unabhängige Untersuchung der damals stattgefundenen Polizeigewalt gegen Demonstranten und eine Freilassung aller im Rahmen der Proteste festgenommenen Hongkonger geben. Zudem fordern sie von der Regierung, dass sie aufhört die Proteste als „Krawalle“ zu bezeichnen. Die Hongkonger wollen die Proteste nicht eher einstellen bis alle Forderungen erfüllt sind.

Sicherheitsgesetz ist der bislang stärkste Einschnitt in Hongkongs halbautonomen Status

Das neue Sicherheitsgesetz ist der bislang stärkste Einschnitt in Hongkongs halbautonomen Status. Der früheren britischen Kronkolonie waren bei ihrer Übergabe an China im Jahr 1997 für 50 Jahre Sonderrechte gewährt worden, darunter Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

(afp/er)



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