Erdoğan Today: Türkischer Staatssender TRT nun auch in deutscher Sprache auf Sendung

Am Montag hat das Onlineportal TRT Deutsch seinen Betrieb aufgenommen. Es handelt sich um die deutschsprachige Ausgabe des öffentlich-rechtlichen türkischen Muttersenders. Zielgruppe sind neben türkischen Einwanderern auch Mainstream-kritische Medienkonsumenten.
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Die deutschsprachige Ausgabe des öffentlich-rechtlichen türkischen Senders TRT ist auf Sendung gegangen. Symbolbild.Foto: OZAN KOSE/AFP via Getty Images
Von 16. Januar 2020

Wie mehrere Medien berichteten, ist seit Montagmorgen (13.1.) das Onlineportal „TRT Deutsch“ am Start, als erster deutschsprachiger Ableger des öffentlich-rechtlichen türkischen Rundfunks TRT. Man wolle sich, so schreibt der Sender in seiner Selbstdarstellung, „als anspruchsvolle und vertrauenswürdige Informationsquelle etablieren“. Weiter heißt es:

„Mit gut recherchierten Fakten, interessanten Interviews, spannenden Reportagen und Videobeiträgen aus der ganzen Welt tragen wir zur Meinungsvielfalt bei. Wir durchleuchten aktuelle Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven und legen alternative Themen auf den Tisch, die in den Mainstream-Medien kaum Beachtung finden.“

Dabei positioniere man sich „ganz klar gegen Rechtsradikalismus und Islamophobie sowie gegen jegliche Form von Diskriminierung“ und setze sich „für eine plurale, freiheitlich-demokratische Gesellschaft ein“.

TRT Deutsch will „alternative Themen auf den Tisch legen“

Wie die „Bild“-Zeitung eruiert hat, habe TRT Deutsch mehrere Büros im Berliner „Haus der Bundespressekonferenz“ angemietet. Finanziert werde der Sender mehrheitlich aus türkischen Steuergeldern, einer zweiprozentigen Abgabe aus den Stromeinnahmen der Türkei und dem Staatshaushalt.

Wie sich TRT Deutsch im Vergleich zu bekannten Auslandssendern anderer Staaten – von der „Voice of America“ über das russische RT oder die „Deutsche Welle“ bis hin zur BBC – positionieren wolle und wo man Unterschiede im Selbstverständnis sehe, hat die Epoch Times beim Sender erfragt. Bis dato ging aber noch keine Antwort ein.

Es ist aber davon auszugehen, dass der Sender sein Zielpublikum zum einen in der türkischen Einwanderercommunity sieht, zum anderen jedoch auch den Anspruch erhebt, darüber hinaus kritische Medienkonsumenten anzusprechen. So heißt es vonseiten des Senders:

„Wir durchleuchten aktuelle Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven und legen alternative Themen auf den Tisch, die in den Mainstream-Medien kaum Beachtung finden.“

Ein entsprechendes Potenzial für einen Sender dieser Art besteht schon länger, und das hat mit Entwicklungen zu tun, die bereits seit etwa zehn Jahren die gesellschaftliche und die Medienlandschaft in Deutschland prägen.

Etablierte deutsche Medien verloren auch unter Einwanderern an Akzeptanz

Die Vertrauenskrise der etablierten Leitmedien, die im Laufe der 2010er Jahre vor allem online Raum für eine Vielzahl an alternativen und freien Formaten eröffnet hatte, hat nicht nur in der deutschen Mehrheitsbevölkerung ihre Spuren hinterlassen. Auch in den großen Einwanderercommunitys gibt es viele Menschen, die sich mit den führenden deutschen Nachrichtenformaten nicht identifizieren können.

Seit Jahren stellen nicht nur Migrationsforscher fest, dass beispielsweise türkische Einwanderer zu Hause zunehmend – über Satellit und teilweise bereits über Kabel oder online – türkisches Fernsehen konsumieren und dass auch unter den russischen Einwanderern viele die muttersprachlichen Sender gegenüber ARD, ZDF oder den deutschen Privatsendern bevorzugen.

Das hatte nicht nur mit einem wachsenden kulturellen Selbstbewusstsein und einer damit einhergehenden stärkeren Abgrenzung gegenüber der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu tun, sondern auch damit, dass Einwanderer nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Herkunftsländer in deutschen Medien als falsch oder verzerrt dargestellt empfanden. Beispielhaft standen dafür etwa in den 2000er Jahren die mediale Begleitung des Falls „Marco W.“, der 2007 unter dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs in der Türkei inhaftiert worden war, oder eine aus Sicht vieler Türken unangemessen kritische Berichterstattung zu Themen rund um den Islam und die islamische Welt.

Zwar bemühten sich etablierte deutsche Medien, auch Journalisten mit Migrationshintergrund in ihre Redaktionen zu holen – von Deniz Yücel über Ferda Ataman oder Dunja Hayali bis hin zu Hasnain Kazim. Einem erheblichen Teil der Einwanderercommunitys waren diese jedoch zu sehr der Denkweise und der Wertorientierung des deutschen Mainstreamjournalismus verhaftet, um als glaubwürdige Stimmen der Community insgesamt angenommen zu werden.

Türken und Russen zogen zunehmend Sender aus der alten Heimat den deutschen vor

Je mehr sich der Trend zur Rückbesinnung auf die eigene Herkunft und die Abgrenzung zur Mehrheit fortsetzten, umso bedeutsamer wurde der Faktor des Ethno-Marketings im Wirtschaftsleben. Dies betraf am Ende nicht nur Produkte des täglichen Bedarfs, die speziell auf bestimmte Einwanderergruppen als Zielpublikum ausgerichtet waren, sondern auch Medien.

Neben der verstärkten Nutzung türkisch- oder russischsprachiger Medien über Satellit begannen erste Anbieter, auch tagesaktuelle deutschsprachige Formate im Internet zu konzipieren, deren Hauptzielgruppe türkische Einwanderer und ihre Nachkommen waren. Neben der Gestaltung eines Mediums, das türkische Einwanderer in einer Weise über Türkei-bezogene, aber auch deutsche und weltpolitische Themen informierte, dass diese sich darin wiederfinden konnten, sollten diese Formate aber auch Deutsche ansprechen, die entweder als Geschäftsleute oder Touristen mit der Türkei zu tun hatten, oder die sich einfach nur für eine abweichende Perspektive interessierten.

Allerdings spiegelte sich die innenpolitischen Spaltungen und Kämpfe, die seit ihrer Gründung die Türkei geprägt hatten, auch in den deutsch-türkischen Medien wider. Eines der bedeutendsten Formate waren zu Beginn die „Deutsch-Türkischen Nachrichten“, die 2010 ins Leben gerufen wurden und vom IT-Unternehmer Michael Maier herausgegeben wurden, der auch die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“ betreibt und später auch einen eher kurzlebigen Versuch unternahm, auch eine Plattform „Deutsch-Russische Nachrichten“ zu etablieren.

Gülen-Gemeinde an der Wiege des deutsch-türkischen Journalismus

In ihrer Tendenz waren die DTN eher an der kemalistischen „Republikanischen Volkspartei“ (CHP) ausgerichtet, insbesondere, nachdem Gründungs-Redaktionsmitglied Ercan Karakoyun vom „Spiegel“ als bedeutende Persönlichkeit innerhalb der Gülen-Bewegung „geoutet“ worden war.

Dieser schied einvernehmlich aus der Redaktion aus und rief zusammen mit dem späteren Chefredakteur Süleyman Bağ das „Deutsch-Türkische Journal“ (DTJ) ins Leben. Dieses war in der Ausrichtung tendenziell etwas konservativer und bis zum Bruch zwischen dem Gülen-Netzwerk und der regierenden AKP unter dem damaligen Premierminister Recep Tayyip Erdoğan diesem gegenüber konstruktiv-kritisch ausgerichtet. Vom publizistischen Niveau her spielte das DTJ, das übrigens auch ein Redaktionsbüro im Haus der Bundespressekonferenz unterhielt, in der oberen Liga, die Berichterstattung war multiperspektivisch und ausgewogen. Erst als die Regierung Erdoğan begann, Anhänger des in den USA lebenden Predigers systematisch zu verfolgen, begann auch das DTJ, zum Kampfblatt zu werden.

Nachdem Erdoğan die türkische „Zaman“, die als Mutterblatt des DTJ fungierte, der Zwangsverwaltung unterstellt hatte, konnte auch das DTJ seinen regulären Betrieb nicht mehr aufrechterhalten. Heute wird es nur noch nebenberuflich betrieben und unregelmäßig mit neuen Beiträgen bestückt. AKP-nahe oder nationalistische Blogs und kleinere Onlineprojekte – von der „Deutsch-Türkischen Zeitung“ über „Turkishpress“ bis zu „nex24“ – versuchten, die überwiegend konservative DTJ-Leserschaft zu bedienen, dazu kam noch eine deutschsprachige Ausgabe des Massenblatts „Sabah“. Allerdings gelang es keiner der Publikationen, über die ohnehin schon eingeschworene Gemeinschaft eingeschworener Erdoğan-Anhänger hinaus Breitenwirkung zu entfalten.

Erdoğan dürfte als der „Chef“ gelten

Übermäßig kritische Töne über den türkischen Präsidenten wird man voraussichtlich auch von TRT Deutsch nicht zu erwarten haben. Bereits im Dezember hat Erdoğan persönlich Chefredakteur Kaan Elbir und mehrere Mitarbeiter der neuen Redaktion persönlich in seiner Gästevilla in Istanbul empfangen. „Es war mir eine Ehre, als Teil des neuen TRT-Deutsch-Teams den türkischen Präsidenten Erdoğan zu besuchen“, schrieb anschließend einer der Redakteure bei Twitter.

Die „Bild“-Zeitung sieht bereits jetzt Ähnlichkeiten zu „RT Deutsch“, dem deutschsprachigen Format des russischen Auslandssenders RT. Dieser war 2014 ins Leben gerufen worden, nachdem in Teilen der deutschen Öffentlichkeit Kritik an einer als einseitig empfundenen Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt in etablierten Medien laut geworden war.

Ein Mitglied des neuen TRT-Deutsch-Teams verfügt übrigens seit 2013 über Online-Redaktionserfahrung sowohl im deutsch-türkischen als auch im deutsch-russischen Journalismus: Der Wirtschaftspsychologe Ali Özkök war bis ins Frühjahr 2014 freier Wirtschaftsredakteur des DTJ. Wenige Monate nach seinem Ausscheiden wurde er Teil der Gründungsmannschaft von RT Deutsch. Für diesen Sender fungierte er als Nahostredakteur, ehe er diesen 2019 infolge des scharfen Linkskurses der Redaktion verließ.

Ähnlich wie RT Deutsch bemüht sich auch TRT bislang um ein breites Themenspektrum, das von Türkei-Themen über die PKK und weltpolitische Angelegenheiten bis hin zur Innenpolitik der deutschsprachigen Länder reicht. Im Kommentarbereich zeichnet sich – wenn auch in dezenterer Form als bei RT Deutsch – eine unverkennbar antiamerikanische Schlagseite ab.

Ex-„Liste Pilz“-Nationalrätin bezeichnet Schwarz-Grün als „rechtspopulistisch“

Der Mitherausgeber des „Islamophobie-Reports“, Farid Hafez, befasst sich mit paternalistischen Kopftuchdebatten, während die frühere Nationalratsabgeordnete der ursprünglich betont links-laizistischen „Liste Pilz“, Martha Bißmann, die neue schwarz-grüne Koalition in Österreich als „rechtspopulistisch“ brandmarkt.

Inwieweit es TRT Deutsch gelingen wird, sich über die eingeschworene Anhängerschaft des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hinaus Publikum zu erschließen, ist ungewiss. Die bereits im „Islamophobie-Bericht“ bemerkbare Zweckallianz zwischen autochthoner radikaler Linker und türkisch-islamischer Identitätspolitik mag halten, solange es gegen gemeinsame Feindbilder wie Donald Trump, den „Rechtspopulismus“ oder Israel geht.

Sobald religiös-konservative Gesellschaftspolitik, wie sie in der Anhängerschaft Erdoğans mehrheitlich befürwortet wird, oder die offensive Bekämpfung der terroristischen PKK anklingt, ist zwischen deutschen und österreichischen Ultralinken und türkischen Vertretern des politischen Islam schnell das Tischtuch zerschnitten.



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