Europa vor neuer Tyrannei? Beobachtungsstelle sieht zunehmende Übergriffe gegen Christen 

Während der Vollversammlung der europäischen Bischöfe in Santiago di Compostela legte die Beobachtungsstelle von Intoleranz und Diskriminierung von Christen ihren Jahresbericht vor. Dieser weist eine Häufung von Angriffen auf die Gewissensfreiheit auf.
Titelbild
Ein Blick in die Kathedrale Notre-Dame-de Paris am 16. April 2019.Foto: CHRISTOPHE PETIT TESSON/AFP/Getty Images
Von 6. November 2019

Weltweit werden derzeit etwa 200 Millionen Christen in etwa 50 Ländern aufgrund ihrer religiösen Überzeugung verfolgt. Dies geht aus den offiziellen Zahlen des „Weltverfolgungsindex“ hervor, den die Organisation Open Doors auf ihrer Webseite präsentiert. Open Doors dokumentiert dabei vor allem die Situation in Staaten, die aufgrund ihrer kommunistischen Staatsideologie oder aufgrund einer dominanten Position des radikalen Islam die freie Religionsausübung von Christen unterbinden oder diese Gefängnis, Folter oder Mord aussetzen.

Die Dunkelziffer hinsichtlich der Verletzung der Gewissensfreiheit von Christen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung dürfte jedoch noch deutlich höher liegen – und um einen Eindruck davon zu erlangen, muss man nicht in die Ferne Nordkoreas, der VR China oder von Ländern wie Pakistan, Iran, Somalia oder Sudan schweifen.

Verfolgung im Namen eines kulturellen Marxismus

Wie die „Catholic News Agency” berichtet, hat die Beobachtungsstelle „Observatory on intolerance and discrimination against Christians” während der Vollversammlung der europäischen Bischöfe in Santiago di Compostela die grundlegenden Erkenntnisse ihres aktuellen Jahresberichtes vorgelegt. Dieser wird im Laufe der kommenden Tage erscheinen. 

Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung zeichnen sich beunruhigende Entwicklungen ab. Zwar könne man in Staaten der Europäischen Union nicht von systematischer oder bewusst geduldeter Verfolgung von Christen sprechen, wie man sie aus linkstotalitären oder islamistisch dominierten Staaten kennt. Dennoch seien immer mehr Fälle zu verzeichnen, in denen Menschen aufgrund ihrer nach außen erkennbaren Verbundenheit mit der christlichen Religion Einschränkungen in ihrer Gewissensfreiheit, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit oder Berufsausübungsfreiheit hinnehmen müssen.

In einigen Fällen geht die Verfolgung sogar direkt von staatlichen Organen aus – so etwa in Spanien, wo die Justiz gegen mindestens sechs Bischöfe vorging, die während der Heiligen Messe Kritik an der Gender-Ideologie oder Gebaren und Forderungen von LGBTI-Organisationen geübt hatten. Auch offen geäußerte rechtspolitische Vorbehalte gegen das dortige „Gesetz zum ganzheitlichen Schutz gegen LGBTI-Phobie und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Identität“ selbst wurde zum Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen gemacht.

In Ländern der EU gibt es zwar anders als etwa in Nordkorea oder der VR China keine kommunistische Staatsdoktrin, ein aggressiver und intoleranter Säkularismus, den Kritiker als „kulturellen Marxismus“ umschreiben, wirkt jedoch offenbar in staatlichen Stellen ebenso wie in der sogenannten Zivilgesellschaft – und richtet sich vor allem gegen traditionell denkende Christen.

Erfolg in Polen

Fälle der Diskriminierung und von Übergriffen gegen christliche Einrichtungen oder Gottesdienststätten dokumentiert die Beobachtungsstelle auch aus Frankreich, Schweden, Irland, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Spanien und Polen. Lediglich in Polen sei es 2019 gelungen, ein Gesetz vor dem Obersten Gerichtshof zu Fall zu bringen, das zum Prozess gegen einen Buchdrucker geführt hat, der sich geweigert hatte, ein Transparent für eine Unternehmensgruppe für LGBT-Rechte zu erstellen.

Weiterer dokumentierte Übergriffe auf die Gewissensfreiheit betreffen Ärzte und Krankenschwestern, die sich geweigert hatten, an Schwangerschaftsabbrüchen teilzunehmen, Apotheker, die aus religiösen Gründen keine Verhütungsmittel führen, oder Mahnwachen und Beratungsinitiativen, denen es untersagt wurde, vor Abtreibungspraxen oder -kliniken zu werben. Betreiber sozialer Medien unterbanden mehrfach Bestrebungen, Schwangerschaftsabbrüche als problematisch darzustellen, eine Seite zum Film „Unplanned“, dem eine Botschaft zugunsten des Schutzes des ungeborenen Lebens zugrunde liegt, wurde von einer Plattform entfernt.

Maulkorb für christliche Gruppen

In Deutschland wurden von der deutschen Studentenmission 30 Fälle gemeldet, in denen christliche Gruppen nicht an der Universität akkreditiert wurden. Es wurde ihnen verboten, Flugblätter zu verteilen und auch, der Studentenvertretung beizutreten.

Neben institutionellen Benachteiligungen von Christen häuften sich auch Fälle des Vandalismus und Zerstörung von Kirchen oder geweihten Gegenständen. Erst jüngst kam es in Berlin zu offenbar linksextremistisch motivierten Übergriffen gegen eine christlich orientierte Schwangerschaftsberatungsstelle.

Die Beobachtungsstelle beklagte zudem Nachteile für christliche Asylbewerber. In Schweden wurden 68 Prozent aller Asylanträge von Personen abgelehnt, die vom Islam zum Christentum übergetreten waren und im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatländer Verfolgung befürchteten. Auch das Vereinigte Königreich hatte einem zum Christentum konvertierten Iraner das Asyl verweigert. Immerhin soll die Country Policy and Information Note for Iran vom Mai 2019 nun die Rechtsstellung von Asylbewerbern aus dem Mullah-Staat verbessern, die dort ihrer christlichen Überzeugung wegen um ihr Leben fürchten.

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