„Gott und Patriotismus haben unserer Nation die Freiheit zurückerkämpft“ sagt Brasiliens Außenminister Araújo

In einem Kommentar für das US-amerikanische Magazin „The New Criterion“ erklärt Brasiliens Außenminister Ernesto Araújo die politische Wende hin zum Konservativen Jair Bolsonaro als Konsequenz einer vorangegangenen spirituellen Erneuerung im Land.
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War es göttliche Fügung, die Brasilien durch all diese Schritte hindurch begleitete, und die die Ideen Olavo de Carvalhos mit der Entschlossenheit und dem Patriotismus Bolsonaros vereinte? Ich denke, es war so.“ (Außenminister Ernesto Araújo) Luftaufnahme von Rio de Janeiro, BrasilienFoto: iStock
Von 9. Januar 2019

In einem Kommentar für das in New York erscheinende Magazin „The New Criterion“ hat der neue brasilianische Außenminister Ernesto Araújo den Erfolg der konservativen Bewegung unter Präsident Jair Bolsonaro als die Folge einer spirituellen Wiedergeburt der brasilianischen Nation gedeutet:

Brasilien erlebt eine politische und spirituelle Wiedergeburt, und der spirituelle Aspekt dieses Phänomens ist der entscheidende. Der politische Aspekt ist nur die Konsequenz.“

Am Abend des 28. Oktober 2018, als Bolsonaro sich in der Stichwahl gegen seinen marxistischen Konkurrenten Fernando Haddad mit 55 zu 45 Prozent durchsetzen konnte, nahm ein TV-Kommentator daran Anstoß, dass der neu gewählte Präsident in seiner Siegesansprache so viel über Gott gesprochen hatte.

Offenbar soll das Reden von Gott etwas sein, was Menschen beunruhigt“, schreibt Araújo. „Das ist traurig. Aber dem Volk Brasiliens ist das egal. Bolsonaros Regierung, in der ich als Außenminister diene, kümmert sich nicht um die Befindlichkeiten von Kommentatoren; die haben von Gott keine Ahnung und auch nicht davon, was das brasilianische Volk ist und was es will. Ihre Sorgen sind die einer Elite, die ihre Macht verliert. Sie haben Angst, weil sie den öffentlichen Diskurs nicht länger beherrschen. Sie können weder dem Präsidenten noch sonst jemandem noch die Grenzen der freien Rede diktieren. Die letzte Grenze ist jetzt durchbrochen: Wir können jetzt wieder öffentlich über Gott reden. Wer hätte sich das vorstellen können?“

In jener Zeit, da Präsidenten noch nicht so offen über ihren tiefen Glauben gesprochen hatten, sei Brasilien zu einem Sumpf der Korruption und Hoffnungslosigkeit geworden. Araújo sieht darin durchaus einen kausalen Zusammenhang.

Drei Parteien errichteten ein bürokratisches Machtgeflecht

Über ein Drittel eines Jahrhunderts hinweg sei Brasilien einem politischen System unterworfen gewesen, in dem sich drei Parteien im Wesentlichen in konzertierter Weise das Land untereinander aufgeteilt hätten. Die Brasilianische Demokratische Bewegung (PMDB), die nach dem Ende der von 1964 bis 1985 andauernden „Militärrepublik“ als Mitte-Links-Opposition – allerdings teilweise linksextrem infiltriert – ans Ruder gekommen war, schrieb eine neue Verfassung und nahm die Geschicke in die Hand. Sie habe ein System der Bürokratie und der Gefälligkeiten aufgebaut, das ihr die Macht erhielt und ihren Günstlingen den Reichtum. Die Wirtschaft habe unter dem Joch ihres „Big Government“-Modells gelitten.

Die 1990er Jahre brachten anschließend den Aufstieg der Sozialdemokratischen Partei (PSDB), die sich von der PMDB abgespalten hatte und es besser verstanden hätte, Wähler mit mehr freiem Markt und einem moderaten Sozialstaat zu ködern, die sich nach anderthalb Jahrzehnten der Misswirtschaft und Hyperinflation nach Stabilität sehnten. Auf den von der PMDB installierten Bürokratenapparat griff man gerne zurück, makroökonomisch erwarb man sich seine Meriten, aber gleichzeitig verordnete die PSDB dem Land auch eine kulturliberale Agenda. Die Partei blieb von 1994 bis 2002 am Ruder.

Die 2000er Jahre schließlich brachten auch die dritte dominante Kraft der letzten Jahrzehnte ins Spiel, die „Arbeiterpartei“ (PT) – laut Araújo ein „orwellscher Name, da man in dieser Partei, die von marxistischen Intellektuellen, früheren linken Guerilleros und Mitgliedern der Gewerkschaftsbürokratie geführt wurde, selten einen wirklichen Arbeiter traf“. Luiz Inácio Lula da Silva, der sich als Volkstribun inszenierte und wenige Jahre nach der „bolivarischen Revolution“ in Venezuela auf der neuen linken Welle in Lateinamerika mitsurfte, hatte nach Einschätzung Araújos das Machtsystem von PMDB und PSDB schnell adaptiert und sogar perfektioniert. Auf der Basis der wechselseitigen Gefälligkeiten war der Zugriff der PT auf die Staatsmacht noch viel stärker als bei den anderen Parteien. Die PMDB fungierte als Juniorpartner in einer Koalition, die PSDB füllte die Rolle eine gezähmten Opposition aus, deren Aufgabe es war, alle vier Jahre einen Zählkandidaten gegen den programmierten Sieger aus der PT ins Rennen zu schicken.

Kulturelle Hegemonie als Machtinstrument

Die „Arbeiterpartei“ brachte die bürokratische Macht auf allen Ebenen an sich, beherrschte die Wirtschaft über staatliche Investmentbanken und öffentliche Unternehmen und schaffte einen umfassenden Mechanismus zum Machterhalt über Kriminalität und Korruption. Von der Politik und Kultur über das Bildungswesen bis zum Sport funktionierte, so Araújo, nichts mehr ohne Bestechung, politische Rückendeckung oder beides. Das System arbeitete so perfekt, dass sich andere linke Regime in Lateinamerika nun ihrerseits daran ein Vorbild nahmen.

Gleichzeitig begann der Siegeszug der linken Ideologie in der brasilianischen Gesellschaft – und die Regierung setzte alles daran, diesen zu forcieren. Araújo beschrieb die Mechanismen wie folgt:

Die Förderung der Gender-Ideologie; das künstliche Anstacheln von Rassenkonflikten; das Ersetzen der Eltern als Wertevermittler für die Kinder durch den Staat; die Infiltration der Medien; der Verschieben der ‚Mitte‘ in der öffentlichen Debatte nach weit links; die Demütigung der Christen und die Übernahme der Katholischen Kirche durch marxistische Ideologie (die am Ende selbst für Geburtenkontrolle eingetreten ist); die Irreleitung der Kunst durch Steuerung der öffentlichen Förderung usw. – das waren die Folgen der Politik der neuen Regierung.“

Die Dominanz der Linken, schildert Araújo, nahm fast totalitäre Züge an. Die einzige öffentliche Debatte drehte sich darum, wie das System am besten zu implementieren wäre, nicht ob überhaupt. Die PSDB durfte den „neoliberalen“ Buhmann hinsichtlich der Privatisierungswelle der 1990er Jahre spielen – an deren Ende immer noch 418 staatliche Großunternehmen übrig waren und eine Wirtschaft, die ohne Regierung nicht in der Lage war, größere Projekte zu finanzieren.

Musterbeispiel für Globalismus

Außenpolitisch erwies sich Lula als Einpeitscher des Globalismus. Er half mit, den Einfluss der USA und des Westens zu Gunsten der Volksrepublik China zu vermindern, er unterstützte den Iran und half mit, einen Eisernen Vorhang sozialistischer Regime und Parteien in ganz Lateinamerika über den Kontinent zu ziehen. Dabei konnte er sich der Rückendeckung durch Barack Obama sicher sein, der keinem sozialistischen oder islamistischen Regime auch nur ein Haar gekrümmt, stattdessen Lula als „seinen Mann“ bezeichnet habe.

Lula habe alle Ressourcen, die Brasilien in der Zeit des Rohstoffbooms erworben hatte – hunderte Milliarden Dollar – verschleudert, um Diktaturen zu helfen und sich selbst sowie seine Partei zu bereichern.

Brasilien war in der Tat ein wunderbares Musterbeispiel für Globalismus“, schreibt Araújo. „Angefangen mit dem traditionellen korporatistischen und oligarchischen System der späten 1980er Jahre durchlebte das Land in den 1990ern eine Phase des Pseudo-Wirtschaftsliberalismus, bis es unter der Herrschaft der PT im Globalismus endete: Kultureller Marxismus aus dem Inneren eines angeblich liberal-demokratischen Systems, bewirkt durch Korruption, Einschüchterung und Gedankenkontrolle.“

Olavo de Carvalho, „Operation Car Wash“ und Jair Bolsonaro

Das System saß so fest im Sattel, dass es sich nie von selbst reformiert hätte. Ein wirklicher Wechsel konnte deshalb nur von außen kommen – in Form eines spirituellen und intellektuellen Paradigmenwechsels.

Araújo sieht im Wesentlichen drei wesentliche Faktoren, die das System in die Knie zwangen: Den berühmten Denker Olavo de Carvalho, die „Operation Car Wash“ und Jair Bolsonaro.

Der Philosoph de Carvalho hatte seit Mitte der 1990er konsequent das im Entstehen begriffene atheistische und korrupte Regime analysiert und kritisiert. Er hat den Globalismus in seinem Wesen entschlüsselt und die kommunistische Strategie dahinter erkannt – in einer Zeit, da alle Welt dachte, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei der Kommunismus aus der Welt verschwunden. Die Ideen de Carvalhos waren so kraftvoll, dass sie schon vor dem Siegeszug des Internets tausende Menschen begeisterten und später über die sozialen Medien Menschen erreichten, die bislang nur die offiziellen Mantras kannten.

Diese Ideen haben alle Dämme gebrochen“, erklärt Araújo, „und gingen konform mit der couragierten Haltung des einzigen wahrhaftigen nationalistischen Politikers Brasiliens in den letzten hundert Jahren, Jair Bolsonaro.“

Dies habe ihm eine noch nie zuvor gekannte Graswurzelbewegung zu seinen Gunsten eingebracht. Brasilien, in dem gleichzeitig die evangelikalen Gemeinden wie Pilze aus dem Boden wuchsen, hat plötzlich damit begonnen, sich als konservatives, anti-globalistisches, nationalistisches Land zu begreifen.

Gleichzeitig nahm die „Operation Car Wash“ an Fahrt auf, eine groß angelegte Korruptionsermittlung, die offenlegte, wie tief die Bestrebungen der PT reichten, das Land zu zerstören und sich absolute Macht zu sichern. Dies habe zur Demoralisierung der Linken beigetragen – und sogar die Verhaftung vieler ihrer Führer zur Folge gehabt.

Araújo glaubt an göttliche Intervention

Dass die Nation aber mit einem Handstreich Jahrzehnte der politischen Indoktrination und Political Correctness hinwegfegte und am Ende einen Präsidenten wählte, der führen könne und wisse, wohin er möchte, habe eine weitaus komplexere Vorgeschichte.

Die Widerstände gegen die Wiederauferstehung der Nation seien immens gewesen. Nichts habe darauf hingedeutet. Aber zu jeder Zeit seit den großen „Gegen-alles“-Protesten des Jahres 2013 hätten die Dinge begonnen, auf mysteriöse Weise Formen anzunehmen. Skandale traten zutage, die Regime-Träger begannen einander gegenseitig zu denunzieren, Spaltungen und neue Allianzen griffen Platz, immer neue Korruptionsfälle kamen auf und tausende andere kleine Puzzleteile fügten sich ineinander. Für Araújo ein Akt der „Divine Intervention“:

Das alles hat dem Land seine wiedergewonnene Freiheit geschenkt – mit all der Verantwortlichkeit, die sie mit sich bringt – mit Bolsonaros Sieg. War es göttliche Fügung, die Brasilien durch all diese Schritte hindurch begleitete, und die die Ideen Olavo de Carvalhos mit der Entschlossenheit und dem Patriotismus Bolsonaros vereinte? Ich denke, es war so.“

Dass Brasilien ein so schwerfälliges und korruptes System abschütteln konnte, dass die Nation die Enge des linken globalistischen Diskurses durchbrechen und nun so viele neue Möglichkeiten und Chancen für freie Rede, Glaubensfreiheit, freie Lebensgestaltung, wirtschaftliche Freiheit und Wohlstand erlangen konnte, sei ein Wunder, das nicht mit weltlichen Vorgängen alleine zu erklären sei.

„System psycho-politischer Kontrolle ist am Ende“

Meine Kritiker haben mich verrückt genannt, weil ich an Gott und an Gottes Wirken in der Geschichte glaube – aber mich kümmert das nicht. Gott ist zurück und die Nation ist zurück; eine Nation mit Gott, und Gott wirkt durch die Nation. In Brasilien wurde der Nationalismus zum Vehikel des Glaubens und der Glaube wurde zum Katalysator des Nationalismus, und beide haben zusammen eine unaufhaltsame Welle der Freiheit und der neuen Möglichkeiten auf den Weg gebracht.“

Nun könnten die Brasilianer in einer Welt leben, in der Kriminelle für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden, wo Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft die Chancen vorfinden, die sie verdient hätten und wo man Stolz auf die nationalen Symbole entfalten und den eigenen Glauben praktizieren könne. Das System psycho-politischer Kontrolle sei am Ende, und das sei nichts weniger als ein Wunder.

Im Gegensatz zum Ausspruch Alastair Campbells, des Sprechers von Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair, der einst sagte „Gott führen wir hier nicht“, habe Brasilien ihm seinen Platz zurückerkämpft.

 



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