Bolsonaros erste Rede an die Nation: „Wir werden Brasilien entfesseln“

Die Wahl des rechtskonservativen Kandidaten Jair Bolsonaro zum künftigen Präsidenten Brasiliens hat in linken und liberalen Medien weltweit Schnappatmung ausgelöst. In seiner ersten Rede an die Bevölkerung machte Bolsonaro jedoch deutlich, dass seine tatsächlichen politische Ziele nichts mit dem gerne präsentierten Zerrbild zu tun haben.
Titelbild
Unterstützer des Präsidentschaftskandidaten Jair Bolsonaro auf der Paulista Avenue, in Sao Paulo, Brasilien, 30. September 2018.Foto: MIGUEL SCHINCARIOL/AFP/Getty Images
Von 2. November 2018

Demut gegenüber Gott, Appelle an die Einheit der Nation und Bekenntnisse zu Freiheit und Prosperität kennzeichneten die erste öffentliche Rede des am Sonntag gewählten neuen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro. Nach einführenden Worten durch den früheren evangelikalen Pastor und heutigen Senator für Espírito Santo, Magno Malta, richtete Bolsonaro eine Rede an die brasilianische Nation, die sich in vielem von jenen unterschied, die man von seinen Amtsvorgängern gewöhnt war. Sie lässt erahnen, dass sich Brasilien nicht nur personell in einem Prozess des tiefgreifenden Wandels befindet.

„Zuallererst möchte ich Gott dafür danken, dass er mich mithilfe der Hände der Frauen und Männer im Santa-Casa-Krankenhaus in Juiz de Fora sowie im Albert-Einstein-Krankenhaus in São Paulo am Leben erhalten hat“, erklärte das künftige brasilianische Staatsoberhaupt. „Ich bin mir sicher, dass das eine Mission ist, die von Gott kommt, und wir sind bereit, sie zu erfüllen.“

Während des Wahlkampfes wurde ein Mordanschlag auf Bolsonaro verübt. Unter dem Verdacht, den konservativen Kandidaten mit einem Messer angegriffen zu haben, wurde der 40-jährige Adélio Bispo de Oliveira festgenommen, ein langjähriger Aktivist der linksextremen „Partei für Sozialismus und Freiheit“.

Seine Regierung, so betonte der künftige Präsident, werde die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen. Dies sei „kein Versprechen einer Partei oder leeres Menschenwort, sondern ein Eid vor Gott“ – und wie die Wahrheit das Land befreien werde, werde die Freiheit es verändern. Freiheit und Wahrheit würden zu den Faktoren werden, die ein neues Zeitalter für Brasilien einläuteten.

Politik für alle gesetzestreuen Bürger und Bekenntnis zur farbenblinden Gesellschaft

Bolsonaro richtete ein Versprechen an die Bürger des Landes, „auf eine anständige Weise“ zu regieren, die allein dem Land und dem Volk gelte. Es würden Menschen die Regierung bilden, deren Ziele die gleichen seien wie jene des Volkes: Brasilien in eine große, freie und florierende Nation zu verwandeln. Ein fundamentales Prinzip sei dabei die Freiheit, betonte Bolsonaro:

„Die Freiheit, überall in diesem Land zu kommen und zu gehen, unsere Straßen zu benutzen; politische und religiöse Freiheit; Freiheit, zu informieren und sich selbst zu informieren; Freiheit, Entscheidungen zu treffen und dafür respektiert zu werden.“

Entgegen weit verbreiteten Darstellungen in zahlreichen Medien, die Bolsonaro Ressentiments gegen Menschen anderer Hautfarbe oder anderer geschlechtlicher Neigung vorwerfen, machte der gewählte Präsident deutlich, dass sein Projekt für Wohlstand und Freiheit des Landes farbenblind sei. Brasilien sei ein Land für alle Brasilianer, ob sie es kraft Geburt oder mit dem Herzen seien – und ein Land unterschiedlicher Meinungen, Hautfarben und Orientierungen. Bolsonaro kündigte an, dass seine Regierung verfassungsmäßig und demokratisch agieren werde. Die Gesetze gelten für alle und seine Regierung werde die Rechte der Bürger verteidigen, die ihre Pflichten erfüllen und diese Gesetze achten.

Weniger Bürokratie und Gängelung

Die Zentralregierung werde größere Zurückhaltung üben und deshalb auch ihre Strukturen und ihre Bürokratie reduzieren, damit das Land durch seine Bürger wachsen könne. Es werde weniger Verschwendung geben und die Privilegien würden abgebaut.

„Unsere Regierung wird Paradigmen brechen: Wir werden den Menschen vertrauen. Wir werden Bürokratie reduzieren, wir werden Dinge vereinfachen und dem Bürger und dem Unternehmer mehr Freiheit erlauben, um etwas zu schaffen und eine Zukunft aufzubauen. Wir werden Brasilien entfesseln.“

Auch die Verwaltungsstrukturen sollen sich – getreu dem Motto „Mehr Brasilien, weniger Brasilia“ – auf drastische Weise ändern. Die Zentralregierung werde deutlich weniger selbst über die Verwendung von Bundesmitteln zu befinden haben, vielmehr würden diese an die Bundesstaaten und die Gemeinden gehen, wo die Menschen leben.

Bolsonaro wolle weg von einer Regierung, die nur auf akute Bedürfnisse reagiere. Stattdessen wolle man den Menschen selbst die Möglichkeit geben, etwas zu säen, was Brasilianer in Zukunft ernten könnten. Dazu sei es jedoch unabdingbar, das Recht auf Privateigentum zu schützen. Dieses auch von der Verfassung geschützte Recht müsse als einer der wichtigsten Pfeiler der demokratischen Nationen in der Welt respektiert und verteidigt werden.

180-Grad-Wende in der Haushaltspolitik

Bolsonaro kündigte zudem eine grundlegende Wende in der Fiskalpolitik an. Um dem Ziel, für alle Chancen und Arbeit zu schaffen, näherzukommen, werde man den Teufelskreis der Schuldenwirtschaft beenden und einen Kreislauf der Tugenden schaffen aus Senkung der Defizite, Verminderung der Schulden und niedrigeren Zinsen. So könnten Investitionen und Wachstum angeschoben werden und neue Arbeitsplätze entstehen. Ziel sei es, so schnell wie möglich das Defizit der öffentlichen Haushalte in einen Überschuss zu verwandeln.

An die jungen Menschen, die eine lange Phase der Unsicherheit und Stagnation durchleben mussten, richtete Bolsonaro ebenfalls das Versprechen, eine Wende zu bewirken:

„Wir werden regieren mit unseren Augen auf künftigen Generationen, nicht den nächsten Wahlen.“

Außenpolitisch will Bolsonaro ebenfalls eine Kehrtwende einleiten:

„Wir werden Brasilien und das Außenministerium von jener Außenpolitik mit ideologischer Schlagseite befreien, die uns in den letzten Jahren aufgezwungen worden war. Brasilien kann nicht länger von den weiter entwickelten Nationen abseitsstehen. Wir werden unsere bilateralen Beziehungen zu Ländern verbessern, die brasilianischen Produkten ökonomischen und technologischen Wert hinzufügen können. Wir werden unserem geliebten Brasilien wieder internationalen Respekt verschaffen.“

Viele Menschen im Land, so betonte der gewählte Präsident, hätten ihm während der gesamten vier Jahre, in denen er im ganzen Land Wahlkampf gemacht hätte, gesagt: „Bolsonaro, du bist unsere Hoffnung.“ Jede Umarmung, jeder Handschlag und jedes aufmunternde Wort habe, so Bolsonaro, seine Entschlossenheit und die seines Teams gestärkt, Brasilien dorthin zu führen, wo es hingehöre. Jeder, der dieses Ziel teile, sei eingeladen, mitzuarbeiten. 

Zum Ende seiner Ansprache wiederholte er sein Versprechen, eine anständige Regierung zu bilden, die ehrlich für alle Brasilianer arbeiten werde – auf der Grundlage des Mottos: „Brasilien über alles, Gott über allen!“



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