Ibiza-Affäre: Wiener Anwalt soll bereits 2015 diffamierendes Material über Strache angeboten haben

Der mittlerweile aus der FPÖ ausgetretene Ex-Parlamentsklubchef Johann Gudenus sprach mit Medien über die Vorgeschichte des „Ibiza-Videos“, das in Österreich zu einer Regierungskrise führte. Neben der angeblichen russischen Oligarchennichte aus Lettland sollen ein Wiener Anwalt und ein Detektiv aus München eine zentrale Rolle spielen.
Titelbild
Johann Gudenus (links) und HC Strache.Foto: DIETER NAGL/AFP/Getty Images
Von 22. Mai 2019

Nur wenige Tage nach Veröffentlichung des so genannten „Ibiza-Videos“, das in Österreich eine Regierungskrise ausgelöst hatte, berichten Medien über erste Spuren, die in die Richtung möglicher Urheber weisen. Die Angaben stützen sich unter anderem auf Schilderungen des mittlerweile aus der FPÖ ausgetretenen Ex-Parlamentsklubchefs Johann Gudenus. Dessen Vorhaben, nach dem Tod seines Vaters, des Ex-FPÖ-Politikers John Gudenus, im September 2016 Grundstücke und Wälder im Waldviertel zu verkaufen, soll am Anfang der Geschäftsbeziehung gestanden haben.

Anwalt soll Ausweiskopie der vermeintlichen Oligarchennichte präsentiert haben

Wie die „Presse“ berichtet, soll eine mit der Familie Gudenus befreundete Immobilienmaklerin den Kontakt zu einer Wiener Anwaltskanzlei hergestellt haben. Dabei soll es sich um jene des in Teheran geborenen Ramin M. gehandelt haben, der eigenen Angaben zufolge die Betreuung von Immobilienprojekten und Bauvorhaben zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt.

Dieser soll anschließend erklärt haben, eine Lettin zu kennen, die sich für Grundstücke in der Region interessiere und plane, mit ihren Kindern nach Österreich zu ziehen. Die „Krone“ berichtet, die „Ibiza-Affäre“ solle am 24. März 2017 im Wiener Innenstadtlokal „Le Ciel“ ihren Anfang genommen haben. Dort sei neben Gudenus und seiner Frau der Anwalt anwesend gewesen. Die vermeintliche Interessentin sei in einem Mercedes Maybach samt Chauffeur vor dem Nobellokal vorgefahren.

Bei einer Zusammenkunft in seiner Kanzlei soll der Anwalt einen Pass der Lettin vorgelegt haben, der diese als „Aljona Makarowa“ identifizierte. Um die Zahlungsfähigkeit der vermeintlichen Interessentin und angeblichen „Nichte eines russischen Oligarchen“ zu unterstreichen, soll der Anwalt zudem einen Beleg dafür präsentiert haben, dass diese bereits eine höhere Teilsumme auf ein Treuhandkonto eingezahlt habe.

„Enormer Aufwand“ für die Inszenierung

Insgesamt, so hieß es, wolle die angebliche Kaufinteressentin 350.000 Euro investieren. Auch ein deutscher Kontaktmann sei bereits beim ersten Treffen dabei gewesen, die „Presse“ identifizierte die reale Person hinter dem mit Tarnnamen auftretenden „Julian Thaler“ als Inhaber einer Detektei in München, deren Homepage seit Ende 2018 offline sei.

Als die Rede auf die Vorliebe der Familie Gudenus für die Baleareninsel Ibiza kam und dass auch Heinz-Christian Strache sie dabei häufig begleite, erklärten „Thaler“ und die vermeintliche Oligarchennichte, dass auch sie beide für den bevorstehenden Sommer zufällig zum gleichen Zeitpunkt dort ihren Urlaub geplant hätten wie die FPÖ-Politiker.

Im April 2017 soll es ein weiteres Treffen gegeben haben. Gudenus zufolge habe im Laufe der über etwa ein halbes Jahr andauernden Anbahnungsphase der deutsche Verbindungsmann den Kontakt gehalten. Beide seien offenbar jeweils nach Wien „eingeflogen“ worden. Im Nachhinein gesehen, so Gudenus, sei „allein der schauspielerische Aufwand für diese Inszenierung“ enorm gewesen, erklärte Gudenus gegenüber dem „Kurier“.

Am 24. Juli 2017 kam es dann zu jener Zusammenkunft in der Luxusvilla auf Ibiza, in der auch das belastende Video angefertigt wurde. In der Zeit zwischen April und Juli hatten die Verantwortlichen offenbar minutiös die Falle vorbereitet.

Auftraggeber noch nicht identifiziert

Der Auftraggeber für die gesamte Aktion ist unterdessen immer noch unbekannt. Offenbar war das Video tatsächlich bereits zum Zwecke der Verbreitung vor den Nationalratswahlen 2017 angefertigt worden, schreiben mehrere österreichische Medien. Allerdings könnten, so die „Presse“, die Produzenten in finanzielle Engpässe geraten oder keinen Financier bzw. Abnehmer gefunden haben. „Süddeutsche“ und „Spiegel“ bestreiten bis dato, für das Video bezahlt zu haben. Bei der Zusammenarbeit mit den deutschen Medien soll wiederum der Wiener Anwalt eine Rolle gespielt haben.

Dieser sei, so die „Presse“, nicht zum ersten Mal in einen Versuch involviert gewesen, Strache zu diskreditieren. Bereits im Vorfeld der Wiener Gemeinderatswahl soll er mit Aufnahmen bei Kontaktleuten politischer Parteien hausieren gegangen sein, die Strache in einer Garage bei einer Bargeldübergabe zeigen. Zudem wollte er im Besitz von Beweisen für einen angeblichen Drogenkonsum Straches gewesen sein. Für die Aufnahmen soll er einen sechsstelligen Betrag gefordert haben.

Das Material wollte er von einem „frustrierten ehemaligen Parlamentsklubmitarbeiter der FPÖ“ erhalten haben, der sich von Strache an den Rand gedrängt gefühlt haben soll. Diesem Mitarbeiter solle der Geldbetrag auch zugutekommen. M. soll allerdings keinen Abnehmer gefunden haben.

Ramin M. und das SPÖ-Umfeld

Auf die Frage der „Presse“, warum der Anwalt versucht habe, solcherart Material zu verbreiten und offenbar auch die Kopie eines gefälschten Passes vorgelegt habe, berief dieser sich auf seine Verschwiegenheitsverpflichtung. Über mögliche straf- oder standesrechtliche Folgen ist noch nichts bekannt. Aus dem Umfeld der FPÖ gibt es bereits Ankündigungen, M. bei der zuständigen Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen.

Auch das konservative Onlinemagazin „EU-Infothek“ hat erklärt, über einen Anwalt die zuständigen Behörden über den Vorfall informiert zu haben. Es bestehe, so das Magazin, nicht nur der „Tatverdacht, österreichische gewählte Mandatare in der beschriebenen Art listig übervorteilt zu haben, sondern auch der dringende Verdacht einer groß angelegten Geldwäscheaktion, welche auch durch das Verhalten des Rechtsanwaltes dargestellt ist“.

Der Jurist selbst hatte sich politisch bis dato noch nicht erkennbar in der Öffentlichkeit exponiert. Allerdings war er Anfang der 2000er Jahre als Rechtsanwaltsanwärter in der Sozietät des eng mit der SPÖ verbundenen Anwalts Gabriel Lansky tätig. Dieser soll sich unter anderem für einen Verein engagiert haben, der vom kasachischen Geheimdienst KNB gesteuert werden soll.

Die Kanzlei Lanskys, der 2010 auch als möglicher Justizminister im Gespräch war, soll über eine PR-Agentur auch eine Kampagne gegen den in Ungnade gefallenen, ehemaligen kasachischen Botschafter in Österreich Rachat Shoraz (ehem. Alijew) beauftragt haben. Die Rechtsanwaltskanzlei vertritt zudem die Regierung von Aserbaidschan vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.



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