Strache-Video: Alt-BND-Chef geht von Ziel der Wahlbeeinflussung aus – Ex-Diplomat verdächtigt Mossad

Im Interview mit n-tv spricht Ex-BND-Chef August Hanning von einem „gravierenden Eingriff“ hinsichtlich der illegalen Videoaufnahmen österreichischer FPÖ-Politiker auf Ibiza. Ein früherer Diplomat pflichtet ihm bei, dass nur ein Geheimdienst dies getan haben könne – und versucht den Verdacht auf Israel zu lenken.
Titelbild
Der ehemalige BND-Chef August Hanning.Foto: MICHAEL KAPPELER/AFP/Getty Images
Von 21. Mai 2019

Von einem offenkundigen Versuch, wichtige Wahlen zu beeinflussen, spricht der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, mit Blick auf das sogenannte „Ibiza-Video“ mit dem langjährigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dessen Ex-Parteikollegen Johann Gudenus.

In einem Interview mit „n-tv“ erklärt Hanning zu den Aufnahmen:

Der ganze Vorgang wirft gravierende Fragen auf. Er ist offenbar entweder von einem Nachrichtendienst oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln in einer sehr aufwändigen Operation eine Falle gestellt worden.“

Journalisten als Werkzeuge missbraucht

Die Vorbereitung eines Lockvogels, das Anmieten eines Objekts, dessen Ausstattung mit versteckten Mikrofonen und Kameras – das setze eine erhebliche logistische Vorarbeit voraus und müsse von langer Hand vorbereitet worden sein. Wer immer dafür die Verantwortung trage, müsse entweder selbst einem geheimdienstlichen Umfeld zuzurechnen sein oder auf Personen zurückgegriffen haben, die in diesem Bereich über Erfahrung verfügen.

Dass zwei Jahre gewartet worden sei, um die Aufnahmen zu veröffentlichen, deute auf ein gezieltes Zuwarten hin, um wichtige Wahlen zu beeinflussen. Eine der Fragen, die sich im Zusammenhang mit den Aufnahmen stellen, ist, warum diese nicht schon im Vorfeld der Nationalratswahlen 2017 Verwendung gefunden hätten.

Offenbar war die Aussicht, einer bereits im Amt befindlichen schwarz-blauen Regierung in Österreich eine Woche vor den Europawahlen zu schaden, für die Verantwortlichen bedeutsamer als die Möglichkeit, deren Bildung zu unterminieren. Dies lässt darauf schließen, dass die Verantwortlichen Ziele verfolgten, die über die Beeinflussung der österreichischen Innenpolitik hinaus reichten.

Die Journalisten von „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“, die an der Veröffentlichung beteiligt waren, seien für diese Zwecke als Werkzeug benutzt worden.

Hanning: „Politische Kultur in Gefahr“

Seitdem in den USA versucht worden sei, mit nachrichtendienstlichen Mitteln Wahlen zu beeinflussen, sei es noch einmal deutlich geworden, dass es eine „ernste Angelegenheit“ sei, auf diese Weise in den demokratischen Willensbildungsprozess einzugreifen, erklärt Hanning.

Zur Legitimität der Veröffentlichung meint der frühere Geheimdienstchef, es sei ein „weitgehender Eingriff“, eine Wohnung mit Mikrofonen und Kameras auszustatten. Neben dem Umstand, dass „niemand über dem Gesetz stehen“ könne, sei gerade im Zusammenhang mit der Debatte um die Wohnraumüberwachung selbst im Fall des Verdachts schwerer Straftaten die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme in Zweifel gezogen worden.

Zudem solle man „an die politische Kultur“ denken, so Hanning, auf die es ungeahnte Auswirkungen hätte, wenn Politiker künftig Fallen dieser Art als Möglichkeit des politischen Meinungskampfes einkalkulieren müssten.

Auch Medienrechtsexperte Marcel Leeser erklärte gegenüber „n-tv“, das Anfertigen von Aufnahmen wie jenen der Politiker und der vermeintlichen russischen Oligarchennichte auf Ibiza sei „nach deutschem Recht eindeutig strafbar und damit auch zivilrechtlich unzulässig“. Allerdings sei im Wege einer Abwägung aus Sicht von Journalisten bei der Veröffentlichung der „potenzielle Amtsbezug“ der rein privaten Unterhaltung beachtlich und deshalb könne man von einer Zulässigkeit der Veröffentlichung ausgehen.

Eigenwilliges Ausschlussverfahren

Hanning erklärte, die wichtigste Frage, die es derzeit zu klären gelte, sei, wer hinter dieser Aktion stehe. Eine eigenwillige These vertritt in diesem Zusammenhang der frühere deutsche Diplomat und ehemalige Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Rudolf Adam. Er verdächtigt auf Cicero den israelischen Mossad, hinter der Aktion zu stecken.

Da eine Privatperson ein mögliches Scheitern einer solchen Aktion nicht verantworten könne, so Adam, müsse ein staatlicher Dienst dahinterstehen. Im Ausschlussverfahren spricht er dem Iran und China das Interesse an einer solchen Aktion ab, die USA würden unter Trump eher mit Strache sympathisieren und für Russland gehöre die FPÖ zu den „nützlichen Idioten“.

Also bleibe nur Israel als Staat, der „die menschlichen und technischen Fähigkeiten zu einer derartigen Operation und ein eindeutiges Motiv“ habe. Israel habe „ein Überlebensinteresse daran, dass die EU eine Israel-freundliche Politik verfolgt“. Ein Triumph von politischen Parteien, die der FPÖ nahe stünden, könnte hier einen Umschwung einleiten und die EU insgesamt auf eine eher Israel-kritische Linie bringen – weil diese im Fall eines Konflikts Israels mit dem Iran aufseiten des Letzteren stünden. Zudem verkörperten Gudenus und Strache einen Kurs, der „tiefsitzenden Antisemitismus mit einer Bagatellisierung nationalsozialistischer Untaten“ verbinde.

Die Argumentation Adams trifft jedoch auf eine gegenläufige Faktenlage: Auch wenn es über die Jahrzehnte des Bestehens dieser Partei hinweg in der FPÖ tatsächlich immer wieder antisemitische Äußerungen und „braune Rülpser“ einzelner Parteifunktionäre gegeben hatte – dieses Phänomen also nicht neu ist –, war es gerade Heinz-Christian Strache, der seit seinem Amtsantritt als Parteichef im Jahr 2005 die Partei nachhaltig auf eine israelfreundliche Linie gebracht hat. Dies geschah sogar in Abkehr des früheren Langzeitchefs Jörg Haider, der Kontakte mehreren zu arabischen Potentaten pflegte.

Ruft Adam „Haltet den Dieb“?

Die anti-israelischen, proiranischen und Fatah- oder Hamas-freundlichen Schritte in der EU gingen ausschließlich von linksliberalen Regierungen wie jenen in Deutschland, Schweden oder Irland aus, weshalb von einer starken rechtspopulistischen Phalanx im Europäischen Parlament gerade keine Hinwendung zu israelkritischer Politik zu erwarten wäre – Verhältnis zu Russland hin oder her. Im Gegenteil: Die EU verfolgt in ihrem gegenwärtigen Zustand eine proiranische sowie USA- und israelkritische Linie, inklusive Einmischung in den israelischen Wahlkampf. Die populistische Rechte würde eher davon abkehren.

Adams Verdächtigungen gegenüber dem Mossad könnten der Taktik „Haltet den Dieb“ geschuldet sein, zumal er eine Urheberschaft europäischer Dienste mit der lapidaren Erklärung ausschließt: „Kein europäischer Dienst dürfte und könnte so etwas durchführen.“ Die Rolle des BND in der Abhöraffäre, die „Whistleblower“ Edward Snowden 2013 offenbart hatte, und diverse Verfassungsschutzskandale hingegen deuten eher darauf hin, dass es auch und gerade für europäische Geheimdienste weniger darum gehen könnte, was sie dürften und was nicht, sondern darum, sich nicht erwischen zu lassen.

Dass gerade im Vorfeld der Wahlen die linke Opposition und ihr nahe stehende Medien mehrfach berichtet hatten, dass Österreich wegen der Nähe der FPÖ und ihres Innenministers Herbert Kickl unter westlichen Geheimdiensten als „nicht vertrauenswürdig“ gelte, spricht neben der führenden Rolle deutscher Medien in der Ibiza-Affäre viel eher dafür, dass man bei der Suche nach den Verantwortlichen nicht allzu weit in die Ferne schweifen müsste.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion