Internationale Bedrohung: Wie geht es weiter mit der Wagner-Gruppe?

Zehntausende kriegserfahrene Söldner im weltweiten Einsatz für Russland. Mehr und mehr sieht man das als internationale militärische Bedrohung an. Ein Geheimtreffen von Diplomaten sollte erste Schritte gegen die Wagner-Gruppe erarbeiten. Wie kann man den Einfluss des Söldnerheeres einschränken?
Titelbild
Besucher in militärischer Tarnkleidung am Eingang des „PMC-Wagner-Zentrums“, das mit dem Gründer des privaten Militärkonzerns Wagner (PMC), Jewgeni Prigoschin, verbunden ist.Foto: OLGA MALTSEVA/AFP via Getty Images
Von 22. Februar 2023


Die von dem Jewgeni Prigoschin geleitete russische Söldnergruppe „Wagner“ operiert nicht nur in der Ukraine als Unterstützung der regulären russischen Truppen. Auch in Syrien und Libyen, in Mali, im Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik und anderen afrikanischen Staaten kommen die Söldner mehr oder weniger offen zum Einsatz.

Dieser Umstand beunruhigt den Westen zusehends. Offenbar hat sich nun jedoch eine westliche politische Front gegen die Wagner-Gruppe gebildet, die auch als „Putins Schattenarmee“ bekannt ist.

Seit 2017 schon steht die Söldnergruppe auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten. Im Januar 2023 stuften die USA die Wagner-Gruppe wegen ihrer „Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen“ als „transnationale kriminelle Organisation“ ein – eine Grundlage für weitere Sanktionen, die noch im selben Monat eingeführt wurden.

Geheimtreffen der Diplomaten

Diplomaten aus den USA, Europa und Afrika sollen bei geheimen Treffen in mehreren Hauptstädten der Welt beraten haben, wie man das Problem mit der Wagner-Gruppe lösen könnte. In Washington, Brüssel, Kiew, London und Lissabon, in Bangui und Kigali suche man nach Wegen, die Wagner-Gruppe einzuschränken.

Man geht davon aus, dass sich die Zehntausenden schlachtfelderprobten Söldner in den kommenden Jahren zu einer militärischen Bedrohung und ernsthaften globalen Herausforderung entwickeln könnten.

US-Beamte hätten sogar darüber debattieren, ob man die Wagner-Gruppe als internationale Terrororganisation bezeichnen sollte. Aus einem Bericht geht hervor, dass die Wagner-Gruppe in der Zentralafrikanischen Republik Kämpfer zur Kontrolle einer ehemaligen Goldmine entsandt hätten, um diese in einen weitläufigen Komplex umzuwandeln. Gegen diese Bestrebungen hätten die Diplomaten bereits einen strategischen Fahrplan erarbeitet, heißt es.

Expansion der Söldnerarmee?

Basierend auf Informationen aus vorliegenden Depeschen der US-Regierung und auf von Experten geprüften internen Dokumenten von Prigoschins Netzwerk, berichtet die US-Tageszeitung „Politico“ von Expansionsbestrebungen der Wagner-Gruppe in Europa und Afrika.

John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sagte einem „Politico“-Bericht nach bereits im Dezember, dass die Wagner-Gruppe aufgrund der Sanktionen und Exportkontrollen weltweit nach Partnern suche. Nordkorea habe demnach bereits eine erste Waffenlieferung abgeschlossen.

Arbeiter vor der Eröffnung des Bürogebäudes des „PMC Wagner Centre“ am Tag der nationalen Einheit in Sankt Petersburg (4. November 2022). Das Gebäude, das mit dem Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin, dem Gründer der Söldnergruppe Wagner PMC, verbunden ist, bietet kostenlos Räume für Erfinder, Projektentwickler, IT-Spezialisten, experimentelle Hersteller und Start-ups, die die Verteidigungsfähigkeit Russlands – auch in Bezug auf Informationen – verbessern sollen. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP via Getty Images

„Es gibt eine Handvoll verschiedener Bedenken, die wir haben, wenn wir sehen, dass sie an einem Ort wie Afrika operieren“, habe Catrina Doxsee erklärt, Stellvertretende Direktorin und Mitglied des Transnational Threats Project am Zentrum für strategische und internationale Studien. „Russlands Beziehungen in Afrika und der Aufbau eines Einflussbereichs, den es seit dem Ende des Kalten Krieges wirklich nicht mehr gegeben hat, stehen zunehmend im Fokus“, meinte Doxsee.

Doxsee erklärte zudem, dass der „Einsatz privater Militärunternehmen, insbesondere wie wir es in Ländern mit schwacher Regierungsführung, anhaltenden Sicherheitsherausforderungen und angereicherten natürlichen Ressourcen gesehen haben“, in die Lage versetze, entweder Sicherheitsvereinbarungen zu erfüllen oder zukünftige diplomatische Beziehungen mit diesen Ländern zu erleichtern. Denn Russland sei auf der Suche nach Zugang zu strategisch wichtigen Orten.

Laut „Politico“ sagte ein US-Beamter: „Prigoschin ist seit sehr langer Zeit ein Krimineller. Die Art seiner Aktivitäten hat sich nicht wirklich verändert. Es ist nur so, dass sie gewachsen sind.“ Ein anderer US-Beamter habe gesagt: „Wagner ist dieser relativ einzigartige Arm des Kremls. Putin benutzt ihn als eines seiner Werkzeuge in Afrika und auf der ganzen Welt.“ Für die USA sei es ein Problem, „wie Russland die Grenze zwischen verdeckter Aktion und militärischer Aktion und politischer Einflussnahme verwischt“.

Was wird aus der Wagner-Gruppe?

Doch auch in Moskau und im Kampfgebiet in der Ukraine ballt sich einiges gegen Prigoschin und seine Söldner zusammen.

Die in Frankreich lebende russische Politikwissenschaftlerin und Kreml-Expertin Tatiana Stanovaya erklärte in einem Beitrag der Washingtoner Denkfabrik „Carnegie Endowment for International Peace“, dass Prigoschins Beziehung zum Staat informell und daher fragil sei.

Das könnte ohne Vorwarnung enden, so die Expertin. Er sei Putin nie nahe genug gewesen, dass man ihm auf staatlicher Ebene irgendetwas anvertrauen hätte können. Putin habe den zwielichtigen Unternehmer auch nie als Ersatz oder Gegengewicht für offizielle Institutionen wie die Armee oder Sicherheitsdienste angesehen.

Stanovaya meinte auch, dass Prigoschins langjährige Beziehung zur Präsidialverwaltung zu bröckeln beginne. „Den innenpolitischen Aufsehern missfallen seine politische Demagogie, seine Angriffe auf offizielle Institutionen oder seine Versuche, Putins Stab mit der Drohung mit der Gründung einer politischen Partei zu trollen, was allen im Kreml Kopfzerbrechen bereiten würde.“

Putin halte Prigoschin allerdings immer noch für einen wahren Patrioten, der für die Zukunft des Mutterlandes kämpfe. Keine seiner derzeitigen Schwierigkeiten bedeuteten seinen bevorstehenden Untergang, so die Kreml-Expertin.

Vergangene Woche habe Prigoschin laut „Reuters“ angedeutet, dass er und seine Männer eines Tages so schnell verschwinden könnten, wie sie aufgetaucht sind. „Wenn wir nicht mehr gebraucht werden, packen wir unsere Sachen zusammen und gehen zurück nach Afrika.“

Ob Putin den Söldnerchef mit seinen Leuten sich aber so einfach wieder aus dem Staub machen lassen würde, bleibt abzuwarten.

Drohnen in einer Ausstellung im „PMC-Wagner-Zentrum“. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP via Getty Images

Gefahr einer neuen Terrorgruppe

Es gibt Stimmen, die vor der Söldnergruppe warnen, auch wenn irgendwann der Ukraine-Krieg vorbei sein sollte.

Werner Fasslabend, der frühere Verteidigungsminister Österreichs und heutige Präsident des Austrian Institute for European and Security Policy, verwies während einer Podiumsdiskussion zum Ukraine-Krieg auch auf eine zukünftige Gefahr durch die Wagner-Gruppe hin: „Was mir richtig Sorgen macht, das ist die Struktur der russischen militärischen Einheiten.“

Die Wagner-Gruppe von Prigoschin habe 50.000 Mann in Russland. „Was wird mit dieser Anzahl und dieser Ausbildung nach einem Ukraine-Krieg geschehen?“ Darüber müsse man sich heute schon Gedanken machen. Rein von der Anzahl her sei das schon mehr, als der Daesh (IS) und Al-Qaida je gehabt hätten.



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