Leiterin des Hayek-Instituts warnt vor Sozialismus: „Freiheit ist das höchste Gut, das es stets zu verteidigen gilt“

Die Leiterin des Hayek-Instituts in Österreich - ein Wirtschaftsforum für marktwirtschaftliche Angelegenheiten - spricht mit der Epoch Times über die Lösungsansätze der "Österreichischen Schule" in der Wirtschaft.
Epoch Times27. September 2019

Dr. Barbara Kolm ist Vizepräsidentin des Nationalrats der Österreichischen Nationalbank, Mitglied im Aufsichtsrat der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), im Universitätsrat der Wirtschaftsuniversität Wien und auch die Leiterin des Hayek-Instituts in Wien.

Im Interview mit der Epoch Times (ET) spricht sie angesichts der schlechten Konjunktur und drohenden Rezession in Deutschland und Europa über die Bedeutung freier Marktwirtschaft und die damit verbundenen Herausforderungen für die Politik.

ET: In Deutschland sieht es wirtschaftlich gerade nicht ganz so rosig aus. Es könnte eventuell in Richtung einer Rezession gehen… Wie sieht es denn ihrer Ansicht nach in Österreich und vielleicht auch in Gesamteuropa aus ?

Dr. Barbara Kolm: Die gute Nachricht: In Österreich schaut es Gottseidank noch sehr gut aus. Wir hatten in der letzten Bundesregierung einige großartige Reformen begonnen. Die waren alle marktwirtschaftlicher Natur, wurden aber leider nicht zu Ende geführt. Dazu gehören die Steuerreform und die Reform des Gesundheitswesens. Diese wesentlichen Punkte wurden endlich nach mehr als 40, 50 Jahren Stillstand angepackt. Zuvor hatte der Sozialismus um sich gegriffen. Es wurden Steuern erhöht und das klassische Unternehmertum und der Mittelstand vollkommen vergessen. Die letzten Reformen waren für Österreich sehr gut. Unser Wirtschaftswachstum ist in den letzten Monaten immer weiter gestiegen, mehr als das unserer Nachbarn.

ET: Also sehen Sie hier einen Zusammenhang mit klassischen keynesianischen Mustern?

Dr. Barbara Kolm: Richtig, wenn man die Gesetze des Marktes ignoriert, und meint, Top-down an allen Dingen vorbeigehen zu müssen, wird man schwer Unternehmertum fördern. Unser und auch der deutsche Mittelstand leben ja davon, dass sie unternehmerisch denken und handeln. Man kann sie nicht ausquetschen wie die Zitronen. Ob es jetzt um die Lohnnebenkosten oder um das Arbeitsrecht geht. Das sind lauter Dinge, die das Leben von Unternehmern erschweren, die Risiko tragen und Arbeitsplätze schaffen. Wenn eine Bundesregierung die Steuern und die Belastungen permanent erhöht, sei es durch neue Regulierungen, sei es durch Anpassungen, ist das massiv unternehmerfeindlich. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch… Es geht sowohl um die Arbeitnehmer als auch um die Arbeitgeber. Der Gesetzgeber muss für beide denken; denn er ist es ja, der den Rahmen schafft. Wenn das nur zu Lasten des einen geht, gibt es eine massive Schieflage, und die führt natürlich auch zu Verwerfungen und zu reduziertem Wirtschaftswachstum.

ET: Früher hieß es immer, dass Österreich ganz stark vom deutschen Wirtschaftswachstum abhängig ist. Denken Sie, dass diese Rezession – wenn sie eine wird – oder Konjunkturdelle vielleicht mit Zeitverzögerung auch zu uns kommt? Oder kann das von den wirtschaftsliberaleren Zugängen, die die vorige Regierung geschaffen hat, abgefedert werden?

Dr. Barbara Kolm: Natürlich wird unsere Wirtschaft immer globaler, immer vernetzter und somit hängen wir natürlich auch mehr voneinander ab. Wenn es den Deutschen gut gegangen ist, ist es uns mit Verzögerungen auch immer gut gegangen. Wenn es Deutschland schlecht gegangen ist, ist es uns mit Verzögerung auch immer schlecht gegangen. Jetzt haben wir mit der letzten Bundesregierung und den marktwirtschaftlichen Reformen viel Glück gehabt. Damit haben wir uns ein Polster aufgebaut, sodass die Delle, die vielleicht kommt, nicht so schlimm sein wird.

Aber wir müssen aufpassen, dass wir den gesamteuropäischen Standort nicht vernachlässigen. Es geht ja nicht um einzelne Mitspieler wie Großbritannien oder Frankreich, die gegen den Rest der Welt stehen, sondern es geht wirklich um ein Europa, das gegen den Rest der Welt steht. Wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Wettbewerbsfähigkeit als Europäer ausbauen bzw. überhaupt einmal wieder aufbauen können, damit die Asiaten oder auch die Amerikaner nicht davonziehen. Das ist eine große Herausforderung für unsere Politiker. Das geht eben nur, wenn wir den Wettbewerb innerhalb Europas gestalten und fördern und nicht eine One-Size-All-Politik betreiben.

ET: Sieht das im Moment danach aus?

Dr. Barbara Kolm: Man wird sehen, wie sich jetzt die neue Kommission in Brüssel zusammensetzt, und wer welche Ressorts bekommt. Es ist die Frage, ob man statt der zentral gesteuerten Wirtschaftspolitik aus Brüssel das Rethink-Reset-Europe tatsächlich umsetzt und Reformen groß denkt. Es braucht Freiraum für Steuerwettbewerb innerhalb der Länder in Europa, aber auch generell die Wiederbelebung des Wettbewerbsgedankens. Es nützt nichts, wenn die Regierung sämtliche Regulierungen bis zum höchsten Maß ausschöpft und damit unsere Unternehmer und die Arbeitnehmer bestraft, sodass sie im Vergleich mit anderen Ländern der Welt nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

ET: Sie sind ja auch Leiterin des Hayek-Instituts und für Hayek ist die Freiheit immer ein wesentliches Thema gewesen. Er hat ja auch den „Weg zur Knechtschaft“ geschrieben, in dem es um den Sozialismus geht als vorherrschende Ideologie der Sklaverei. Was bedeutet denn für Sie Freiheit, vielleicht gesamtgesellschaftlich gesehen?

Dr. Barbara Kolm: Um auf Hayek zurückzukommen, den „Weg zur Knechtschaft“ hat er ja vor 75 Jahren publiziert. Er hat es ja den Sozialisten in allen Parteien gewidmet. Das ist ganz wichtig, das auch zu sagen. Denn jetzt wird das auch in konservativen Kreisen unter dem sogenannten „Gutmenschentum“ oft vergessen. Denn die Freiheit, insbesondere individuelle Freiheit ist ein ganz wesentlicher Aspekt unserer Gesellschaft. Wir haben das leider vergessen. Freiheit ist das höchste Gut, das es stets zu verteidigen gilt. Man merkt es meistens erst, wenn wir unfrei werden. Also wenn unsere Freiheit reduziert oder massiv eingeschränkt wird.

Wir haben das ja im letzten Jahrhundert gerade in Europa mehrfach erlebt. Gottseidank haben sich jene Länder, die sich vom Sozialismus befreien konnten, um 180 Grad gewendet. Sie haben versucht, ihre Gesellschaft wieder frei aufzubauen und den Freiheitsgedanken wieder zuzulassen und zu leben. Das hat auch der Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren gezeigt. Auch der Gedanke wieder für sein Handeln verantwortlich zu sein, ist in den Vordergrund getreten und nicht mehr dieses Kollektivistische „One Size Fits All“.

Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen, was Freiheit für mich bedeutet. Für mich ist es das höchste Gut, selbst Verantwortung zu übernehmen, freie Entscheidungen zu treffen und nicht gegängelt oder geknechtet zu werden. Natürlich spielt sich das alles in einer Gesellschaft ab… Hayek hat das sehr schön definiert, dass Freiheit solange gilt, wie man seine Nächsten nicht einschränkt oder belastet. Es ist ganz wichtig, dabei den respektvollen Umgang miteinander, aber auch die Verantwortung in der Familie oder in kleineren Verbänden sowie die unternehmerische Verantwortung mit zu berücksichtigen. Das beinhaltet alles der Begriff Freiheit.

Das Gespräch führte Florian Godovits.

Sowohl das schriftliche Interview als auch der Videobeitrag wurden leicht gekürzt und unterscheiden sich deshalb im Inhalt voneinander. Die schriftliche Bearbeitung des Interviews erfolgte durch nh. 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion