Lieferung von S-400 ausgesetzt: Russland geht auf Distanz zu Chinas KP-Regime

Russland hat die für Juli vorgesehene zweite Lieferung von Raketenabwehrtechnologie des Typs S-400 an das Regime in China ausgesetzt. Dies berichten indische Medien. Sie sehen darin einen Ausdruck wachsenden Misstrauens gegenüber dem KP-Regime im Kreml.
Von 29. Juli 2020

Die Serie schlechter Nachrichten für Chinas KP-Regime reißt nicht ab: Bereits mehrere EU-Staaten verbannten nach wiederholten Warnungen aus den USA den staatsnahen Huawei-Konzern aus ihren Mobilfunknetzen. Australien arbeitet zusammen mit den USA, Japan und Indien an einer Allianz demokratischer Länder.

Nun scheint auch Russland, das zuletzt ein eher freundliches Verhältnis zu Peking gepflegt hatte, auf Distanz zu gehen. Das Aussetzen einer geplanten Lieferung von Komponenten des russischen Raketenabwehrsystems S-400 wird zumindest in indischen Medien als deutliche Botschaft interpretiert.

Wie das in Neu Delhi ansässige Portal WION berichtet, steht die Entscheidung im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen, die sich das KP-Regime in der Russischen Föderation eingehandelt hat. Im Juni wurde Anklage gegen Waleri Mitko, den Präsidenten der Arktischen Akademie für Sozialwissenschaften in St. Petersburg, erhoben. Ihm wird vorgeworfen, vertrauliches Material dem chinesischen Geheimdienst ausgehändigt zu haben.

Keine S-400 wegen Spionage-Affäre?

Es soll dabei auch Material „militärischer Natur“ den Besitz gewechselt haben, berichtet die News-Seite „Meduza“. Mitko soll aus „eigensüchtigen Motiven“ gehandelt haben – der Geheimdienst des KP-Regimes habe jedoch seinerseits bereitwillig zugegriffen.

Anfang Juli hatte es auch Unstimmigkeiten zwischen Russland und der Kommunistischen Partei Chinas gegeben, als die Russische Botschaft in Peking im sozialen Netzwerk Weibo das 140-jährige Zugehörigkeitsjubiläum der Hafenmetropole Wladiwostok zum russischen Staatsverband mit einem Eintrag würdigte.

Der Mitarbeiter des internationalen KPC-Propagandamediums CGTN, Shen Shiwei, erklärte daraufhin auf Twitter, die Weibo-Nachricht der Russischen Botschaft wäre dort „nicht so willkommen“.

Im Jahr 1860 hatte Russland dort einen Militärhafen errichtet. Davor, so Shiwei, habe es dort aber die Stadt Haishenwai als chinesisches Land gegeben, „bevor Russland es in dem ungleichen Vertrag von Peking annektiert“ habe. Auch ein Mitarbeiter der chinesischen Botschaft in Pakistan kritisierte den russischen Eintrag.

Signal an aufstrebendes Indien

Indische Medien werteten diese Äußerungen als Beweis für chinesischen Expansionismus und Revanchismus, WION zählte 20 Länder auf, gegenüber denen die KP-Führung territoriale Ansprüche stelle.

Zwar ist davon auszugehen, dass der Kreml eine solche eher unbedeutende Äußerung zum Anlass für ein diplomatisches Signal nehmen würde. Dass US-Präsident Donald Trump Russland als potenzielles Opfer chinesischer Aggressionen im Pazifik zum G7-Gipfel in Washington einladen will und es erst kürzlich den blutigen Zwischenfall an der Grenze zwischen Indien und China im Galwantal gegeben hatte, könnte den Kreml jedoch hellhörig gemacht haben.

Das eingeschränkte Vertrauen in Peking, das im Zusammenhang mit der Corona-Krise auch zu frühen Grenzschließungen vonseiten der Russischen Föderation geführt hatte, aber auch der Umstand, dass infolge der Pandemie Indien zu einer willkommenen Alternative aus China abziehender Investoren werden könnte, dürften Präsident Wladimir Putin die Entscheidung erleichtert haben, in Sachen S-400 auch ein Signal an Neu-Delhi gerichtet zu haben.

„Russland will China keine Umstände bereiten“

Das als extrem leistungsfähige geltende Abwehrsystem wurde bislang an die Türkei und an Peking geliefert – in einer ersten Tranche im Jahr 2018. Im Jahr 2014, als der Westen versuchte, Russland im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise zu isolieren, war Putin an das chinesische Regime herangerückt.

Nun will er sich möglicherweise Optionen offenhalten, zumal eine Reihe weiterer Staaten der Region Interesse an einem Ankauf signalisiert hatten. In China versucht man unterdessen bereits, die Entscheidung des Kreml herunterzuspielen.

Die „Hindustan Times“ zitiert das KP-Blatt Sohu mit den Worten, Russland habe die Entscheidung „im Interesse Chinas“ getroffen. Die Lieferung sei „kompliziert“ und beide Seiten müssten reichlich Personal dafür abstellen. Russland sei, so heißt es weiter, deshalb „besorgt, dass die Lieferung der S-400 zu diesem Zeitpunkt die Anti-Pandemie-Bemühungen der Volksbefreiungsarmee beeinträchtigen würde“ und deshalb wolle Moskau „China keine Umstände bereiten“.



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