Libyen-Konferenz in Berlin: Macron fordert Stopp der Entsendung pro-türkischer syrischer Milizen nach Libyen

+++ Newsticker +++ Die Libyen-Konferenz hat in Berlin begonnen, es wurden Teile des Regierungsviertels abgeriegelt. Wladimir Putin, Emmanuel Macron, Mike Pompeo, Boris Johnson und Recep Tayyip Erdogan beraten mit Kanzler Merkel und weiteren Gästen aus Libyen über die weitere Entwicklung.
Titelbild
Kanzlerin Angela Merkel (CDU, R) begrüßt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Libyen-Konferenz am 19. Januar 2020 in Berlin.Foto: Adam Berry/Getty Images
Epoch Times19. Januar 2020

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Berliner Libyen-Konferenz einen Stopp der Entsendung pro-türkischer syrischer Milizen gefordert. Er sei „sehr besorgt“ angesichts der Ankunft „syrischer Milizen“ und anderer „ausländischer Kämpfer“ in Tripolis, sagte Macron am Sonntag laut Redemanuskript vor den Konferenzteilnehmern.

Eine solche ausländische Einmischung befeuere den Konflikt in dem nordafrikanischen Land weiter, kritisierte Macron. Die türkische Regierung erwähnte er nicht.

Libyen-Konferenz hat begonnen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister der Teilnehmerstaaten am Mittag im Bundeskanzleramt. Hauptziele des Zusammentreffens unter UN-Schirmherrschaft sind die Beendigung ausländischer Einmischung in Libyen sowie die Festigung einer seit Ende vergangener Woche geltenden Waffenruhe in Libyen. Im Vorfeld der Konferenz soll es in Libyen zu erneuten Kämpfen gekommen sein.

Unter anderem nehmen der russische Präsident Wladimir Putin, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, der britische Premier Boris Johnson sowie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teil. Die Vereinigten Staaten werden durch US-Außenminister Mike Pompeo vertreten. Auch die Anführer der libyschen Bürgerkriegsparteien, Premierminister Fayiz as-Sarradsch und General Chalifa Haftar, sind vor Ort.

UNHCR erwartet keine massive Flüchtlingswelle aus Libyen in die EU

Der Sonderbeauftragter des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR für den Mittelmeerraum, Vincent Cochetel, geht nicht davon aus, dass es zu einer neuen Flüchtlingskatastrophe in Europa kommen wird, falls der Bürgerkrieg in Libyen weiter eskaliert. „Ich glaube nicht, dass es einen massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen aus Libyen in Europa geben wird“, sagte er dem „Spiegel“. In Tunesien seien bereits mehr als eine Million Libyer.

„Sollte die Lage in Libyen eskalieren, werden viele Menschen eher nach Tunesien gehen, als in hoher Zahl auf Boote zu steigen.“ Dennoch verzeichne man aktuell einen „deutlichen Anstieg“ der Flüchtlingszahlen, so Cochetel weiter. „Das lässt sich nur durch die vorrückenden Truppen von General Haftar erklären.“

Denn die See sei in den ersten Tagen des Jahres rau gewesen, normalerweise legten bei dem Wetter weniger Boote ab. „Inzwischen verlassen auch Libyer ihr Land per Boot“, sagte der UNHCR-Vertreter. Das sei neu.

Johnson stellt britische Experten für den Waffenstillstand in Aussicht

Der britische Premierminister Boris Johnson hat die Entsendung britischer Experten zur Überwachung des Waffenstillstands in Libyen in Aussicht gestellt. Sollte es bei der Libyen-Konferenz in Berlin an diesem Sonntag zu einem Durchbruch kommen, sei seine Regierung „natürlich“ bereit, „Menschen und Experten“ zur Überwachung des Waffenstillstands in den nordafrikanischen Krisenstaat zu schicken, sagte Johnson nach seiner Ankunft in Berlin im Sender Sky News.

Johnson betonte zugleich, dass der Weg zu einem Waffenstillstand noch weit sei. „Ich sehe im Moment keine Waffenruhe. Dafür werden wir heute eintreten“, sagte der Premier mit Blick auf die Verhandlungen zwischen den libyschen Bürgerkriegsparteien und den internationalen Akteuren des Konflikts am Nachmittag.

Johnson forderte auch das Ende der ausländischen Einmischung in Libyen. „Stellvertreterkriege können nur beendet werden, wenn die externen Akteure entscheiden, dass sie sie beenden wollen“, sagte Johnson dem Sender. Ein von der UNO geleiteter politischer Prozess sei nötig, um den Konflikt in Libyen zu lösen.

Erdogan – Putin

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Kollege Wladimir Putin betonten bei einem bilateralen Treffen vor Beginn der Berliner Libyen-Konferenz die Bedeutung einer Waffenruhe in dem Bürgerkriegsland.

Erdogan forderte in einem live verlesenen Statement zudem ein Ende der „aggressiven Haltung“ des Generals Chalifa Haftar. Putin sagte, die Türkei und Russland hätten beide Konfliktseiten erfolgreich dazu aufgerufen, das Feuer einzustellen, und damit schon einen sehr guten Schritt unternommen.

Die Ankunft der Teilnehmer

Ziel des Gipfels ist unter anderem eine Durchsetzung des bestehenden UN-Waffenembargos. Langfristig soll ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht werden. Die Konferenz wird von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet.

Bilaterale Gespräche im Kanzleramt

Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) seien vor Konferenzbeginn sowohl mit al-Sarradsch als auch mit Haftar zu bilateralen Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen, teilte ein Regierungssprecher mit. Die Teilnahme beider libyscher Konfliktparteien hatte bis zuletzt als ungewiss gegolten. Zu Wochenbeginn von Russland und der Türkei geleitete Verhandlungen über die Einzelheiten der Waffenruhe waren gescheitert, nachdem Haftar die Unterzeichnung eines bereits von al-Sarradsch unterschriebenen Abkommens verweigert hatte.

Die Bundesregierung und die UNO hoffen, dass es in Berlin zu einer Einigung über eine Festigung der Waffenruhe kommt. Der Entwurf der Abschlusserklärung sieht außerdem eine Selbstverpflichtung der Konferenzteilnehmer vor, nicht in den Libyen-Konflikt und die inneren Angelegenheiten des Landes einzugreifen. Ein nach dem Sturz des langjährigen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 verhängtes Waffenembargo gegen Libyen sei bislang nicht ausreichend eingehalten worden, hatte Merkel im Vorfeld der Konferenz kritisiert.

Die Bürgerkriegsparteien in Libyen könnten sich nur bekämpfen, „weil sie von außen militärisch unterstützt werden“, betonte auch Maas am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Wir müssen das stoppen, damit Libyen nicht das neue Syrien wird“ schrieb der SPD-Politiker weiter.

Stärkung der Waffenruhe in Libyen

Andere Konferenzteilnehmer lenkten die Aufmerksamkeit vor allem auf die Stärkung der Waffenruhe. Die Berliner Konferenz könne ein „wichtiger Schritt“ hin zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einer „politischen Lösung“ in Libyen sein, sagte der türkische Präsident Erdogan vor seinem Abflug am Istanbuler Flughafen.

US-Außenminister Mike Pompeo erklärte bei Twitter, während eines „produktiven“ Treffens mit dem Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Sajed, im Vorfeld der Konferenz habe er die „Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands“ und das „Ende aller ausländischer Einmischungen“ in Libyen hervorgehoben.

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten gelten als wichtigste Unterstützer des abtrünnigen Generals Haftar, der einen Großteil des Ostens und Südens Libyens kontrolliert und die von der UNO anerkannte Einheitsregierung von Sarradsch bekämpft. Auch Russland wird regelmäßig vorgeworfen, den abtrünnigen General zu unterstützen, was die Regierung in Moskau jedoch bestreitet.

Die Türkei unterstützt in dem Konflikt dagegen al-Sarradschs Einheitsregierung. Nach dem Scheitern der Moskauer Verhandlungen hatte Erdogan Haftar mit einer „Lektion“ gedroht und die EU zu einer „angemessenen“ Unterstützung der Einheitsregierung in Tripolis aufgefordert. Um eine politische Lösung für Libyen zu erreichen, müsse „Haftars aggressive Haltung“ aufhören, betonte Erdogan laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntag erneut während eines Treffens mit Putin.

Nach Angaben der libyschen Einheitsregierung gab es unmittelbar vor Konferenzbeginn einen erneuten Verstoß gegen die Waffenruhe. Haftars Truppen hätten im Süden von Tripolis das Feuer auf Regierungseinheiten eröffnet, hieß es. Am Samstag hatten Haftars Truppen die Öl-Exporte an der ostlibyschen Küste blockiert.

Um 17:30 Uhr ist eine Pressekonferenz geplant. Es ist ein Livestream geplant:

Starke Polizeipräsenz

Wegen der Libyen-Konferenz sind Teile des Berliner Regierungsviertels abgeriegelt worden. An vielen Stellen stehen Polizisten mit Maschinenpistolen. Auch der Pariser Platz ist nur eingeschränkt zugänglich.

Die Polizei bewacht Hotels und Botschaften, in denen die Konferenz-Teilnehmer abgestiegen sind. Scharfschützen postierten sich auf umliegenden Dächern. Auf der Spree ist die Wasserschutzpolizei mit Booten präsent, im Regierungsviertel wurden die Brücken über den Fluss gesperrt. Im Rahmen der Konferenz sind rund 4500 Polizisten in Berlin im Einsatz.

Warnung an die Türkei

Vor der Libyen-Konferenz in Berlin hat die Europäische Union die Türkei vor widerrechtlicher Öl- und Gasförderung im östlichen Mittelmeer, insbesondere vor der Küste Zyperns, gewarnt. „Alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft müssen von Handlungen absehen, die der Stabilität und Sicherheit der Region schaden könnten“, erklärte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Samstag in Brüssel.

Die Pläne der Türkei „für neue Erkundungs- und Förderaktivitäten in der gesamten Region laufen dem unglücklicherweise zuwider“, hieß es in der Erklärung. Eine Liste zu möglichen Strafmaßnahmen wird nach Angaben von EU-Vertretern derzeit vorbereitet und könnte am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel diskutiert werden. Sie reichen von einem Einreiseverbot für die EU bis zum Einfrieren von Guthaben. Außerdem sollen die Betreffenden vom Erhalt von EU-Geldern ausgeschlossen werden.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der an der Libyen-Konferenz in Berlin teilnimmt, hat solche „Ultimaten“ der EU wiederholt zurückgewiesen. Er verwies darauf, dass sein Land vier Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien beherberge und mit einer Öffnung der Grenzen für sie eine Massenflucht in die EU auslösen könne.

Die Parteinahme der Türkei im Libyen-Konflikt scheint durch wirtschaftliche Interessen motiviert zu sein. Ankara unterstützt die international anerkannte libysche Regierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch und ließ sich im November von dieser im Gegenzug in einem umstrittenen Seeabkommen eine erhebliche Ausweitung des türkischen Seegebiets im östlichen Mittelmeer bestätigen.

Im Gegenzug schlug sich das EU-Mitglied Griechenland auf die Seite des abtrünnigen libyschen Generals Chalifa Haftar, der weite Teile des afrikanischen Landes kontrolliert. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf Griechenland am Samstag vor, mit seiner ausdrücklichen Unterstützung Haftars die Bemühungen um einen Frieden in Libyen zu sabotieren. (dpa/afp)



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