Morawiecki: „EU muss sich von Grund auf erneuern – und die Wahlen werden es erzwingen“

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat Brüssel dazu aufgefordert, das Artikel-7-Verfahren gegen sein Land zu stoppen und stattdessen sich selbst zu reformieren. Die EU-Wahlen, so Morawiecki, würden einen Wandel erzwingen.
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Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Dezember 2017.Foto: Pawel Supernak/dpa
Von 8. Januar 2019

In einem Interview mit der „Financial Times“ hat Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki umfassende Reformen innerhalb der EU und eine tiefgreifende Veränderung des Gebarens Brüssels gegenüber Mitgliedstaaten angemahnt. Spätestens die EU-Wahlen, bei denen EU-kritischen Parteien deutliche Zugewinne prognostiziert werden, würden diesbezüglich Druck entfalten.

„Brüssel und die Europäische Kommission müssen ein sehr offenes Ohr entwickeln für das, was in den verschiedenen Ländern geschieht“, erklärt Morawiecki. „Die Stimme vieler Länder, insbesondere jener Mitteleuropas, muss viel deutlicher gehört werden.“

Die EU als Institution bedürfe einer grundlegenden Reform, betont der polnische Ministerpräsident weiter, „und wenn ich mit Regierungschefs anderer Länder spreche, stimmen die meisten von ihnen zu, dass es einer ernsthaften Erneuerung in den Abläufen und Institutionen bedarf, aber jeder wartet auf die Europawahlen.“

Letzte Justizreform in Polen geht auf Wendezeit zurück

Umfragen zufolge werden in zahlreichen Ländern der EU rechtskonservative und populistische Parteien mit deutlichen Zugewinnen bei den vom 23.-26. Mai stattfindenden Wahlen rechnen können, unter anderem die Lega Nord in Italien, der Rassemblement National in Frankreich, die Fidesz in Ungarn, die FPÖ in Österreich, die AfD in Deutschland oder VOX in Spanien. In Polen kann einer Ipsos-Umfrage vom Dezember zufolge Morawieckis regierende PiS damit rechnen, weiterhin stärkste Partei zu bleiben.

Der polnische Regierungschef forderte erneut ein Ende des EU-Verfahrens gegen Polen infolge der Justizreform im Land. Die Behauptungen aus Brüssel, schärfere Kontrollen gegen sogenannte „zivilgesellschaftliche Organisationen“ in Ungarn oder Justizreformen wie in Rumänien oder Polen selbst seien Ausdruck einer „autoritären Wende“, wies er als „völlig falsch“ zurück.

Es sei nun mal Fakt, dass die letzte Reform dieser Art in Polen etwa 30 Jahre zurückliege. Eines der Ziele der polnischen Umstrukturierungen im Rechtswesen sei es, personelle Altbestände abzubauen, die noch in die Ära des Sozialismus zurückreichten.

„Die Leute in Brüssel haben überhaupt keine Ahnung von der Situation in postkommunistischen Ländern“, sagte Morawiecki gegenüber der FT. Zudem operiere man mit doppelten Maßstäben. Dies zeige sich unter anderem mit Blick auf die Situation in Frankreich, wo Präsident Emmanuel Macron zum Teil mit erheblicher Gewalt gegen die Gelbwesten-Proteste vorgehe, ohne dass dies bislang Mahnungen aus Brüssel zur Folge gehabt hätte:

„Wenn ich mir ansehe, was in Frankreich passiert, würde ich jetzt nicht sagen, Frankreich hätte ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit, aber könnte man sich ausmalen, wie laut die Stimmen aus Brüssel wären, würde dieses brutale Vorgehen gegen Demonstranten in Polen stattfinden… oder gar aus Paris?“

Will Brüssel kommunistische Altlasten vor dem Vorruhestand retten?

Seit etwa drei Jahren erregt Polens Justizreform Kritik aus Brüssel. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof erzwang die EU im November des Vorjahres sogar die Wiedereinsetzung von zwei Verfassungsrichtern, die Warschau zuvor in den Vorruhestand geschickt hatte. Brüssel behauptet auch, Polen würde Bedenken ignorieren hinsichtlich personeller Umbesetzungen, unter anderem im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit und in dem Gremium, das Richterstellen im Land vergibt.

Brüssel betreibt zudem derzeit ein Artikel-7-Verfahren gegen Polen wegen des Verdachts auf angebliche Verletzung der „europäischen Grundwerte“. Theoretisch könnte dieses mit einem Stimmrechtsentzug für Warschau enden.

Morawiecki erklärt dazu, Polen habe alle Bedenken hinsichtlich der Reform ausgeräumt und die EU solle ihre Disziplinarverfahren beenden.

„Bislang haben nur wir uns bewegt“

„Es liegt jetzt an der Europäischen Kommission“, betont der Regierungschef. „zu zeigen, ob sie wirklich als ehrlicher Makler agieren will, denn bislang habe ich nicht den Eindruck, dass das der Fall ist. Sie sollten jetzt entscheidende positive Schritte setzen, um die Probleme, die sie haben, zu bereinigen, bislang haben nämlich nur wir viel unternommen.“

Versäume es die EU-Kommission jetzt, ihr Verfahren gegen Polen zu beenden, würde dies zeigen, dass die EU-Führung versuche, die Konfrontation mit seinem Land für politische Zwecke auszubeuten, meint Morawiecki.

„Wenn sie das weiter offen lassen, denke ich, dass es daran liegt, dass manche Leute das politisieren und sich als Argument für den Europawahlkampf erhalten wollen, und das ist sehr gefährlich.“

 



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