Moskau: Zehntausende demonstrieren für faire und freie Wahlen – UPDATE: 136 Festnahmen

Bis zum Abend gab es 136 Festnahmen ohne Angaben von Gründen. Begleitet von einem massiven Aufgebot der Polizei haben in Moskau Zehntausende Menschen gegen Polizeigewalt und für faire und freie Wahlen demonstriert. Erwartet wurden zu der von den russischen Behörden genehmigten Kundgebung bis zu 100 000 Teilnehmer.
Titelbild
Tausende Demonstranten am 10. August in Moskau auf der zentralen Andreya Sakharova Straße.Foto: YURI KADOBNOV/AFP/Getty Images
Epoch Times10. August 2019

+++ UPDATE: 19:50 Uhr +++

Am Rande einer großen Demonstration der Opposition hat es am Samstag in Moskau mindestens 136 Festnahmen gegeben. Das teilte die Polizei selbst am Abend mit. Genaue Details über die Gründe der Festsetzungen gab es zunächst nicht.

Laut Medienberichten erfolgten die Festnahmen, als Protestler den erlaubten Bereich verließen und sich vor einem Amtsgebäude versammelten. Die eigentliche Demonstration war offiziell angemeldet und genehmigt worden. Nach Augenzeugenberichten gingen dabei mindestens 50.000 Menschen auf die Straße, um für faire Wahlen zu demonstrieren, eine der größten Protestkundgebungen in der russischen Hauptstadt seit Jahren.

Selbst die Polizei sprach von mehreren Zehntausend Demonstranten. Die Teilnehmer protestierten dagegen, dass 57 Kandidaten der Opposition nicht zur Wahl des Moskauer Stadtparlaments am 8. September zugelassen worden waren. Nach Ansicht der Wahlkommission war ein Teil ihrer Unterstützerunterschriften nicht gültig. Insgesamt waren 233 Kandidaten registriert worden. (dts)

Demonstration für freie und faire Wahlen

In Moskau haben am Samstag bei regnerischem Wetter zehntausende Anhänger der Opposition für freie und faire Kommunalwahlen demonstriert. Die Nichtregierungsorganisation White Counter gab die Zahl der Teilnehmer der genehmigten Demonstration am Nachmittag mit 40.000 an. Selbst nach Angaben der Polizei waren bis zum frühen Nachmittag 20.000 Menschen auf der Straße. In den vergangenen Wochen waren bei nicht genehmigten Kundgebungen fast 2400 Menschen festgenommen worden; die Behörden ermitteln wegen „Massenunruhen“.

Vier Wochen vor der anstehenden Kommunalwahl versammelten sich die Kundgebungsteilnehmer auf der Andreja-Sacharowa-Straße im Zentrum von Moskau. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie „Gebt uns das Recht zu wählen!“ und „Ihr habt uns genug belogen!“ Der bekannte Rapper Oxxxymiron nahm an der Demonstration teil und trug ein T-Shirt mit einem Foto des inhaftierten Studenten Jegor Schukow.

Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ließ über soziale Medien einen Aufruf an die Demonstranten verbreiten, sie sollten nach der Kundgebung zu „Spaziergängen“ in Moskau aufbrechen. Die Polizei warnte vor derartigen Protestformen und drohte an, Teilnehmer von illegalen Aktionen festzunehmen.

Dpa-Reportern zufolge strömten viele Menschen selbst lange Zeit nach dem offiziellen Beginn zu der Kundgebung in der Hauptstadt. Sie folgten trotz Regens dem Aufruf der Opposition. Sie will erreichen, dass alle Kandidaten zur Stadtratswahl in vier Wochen zugelassen werden. Viele prominente Oppositionspolitiker sitzen in Haft.

Die Teilnehmer protestierten vor allem auch dagegen, dass 57 Kandidaten der Opposition nicht zur Wahl des Moskauer Stadtparlaments zugelassen wurden. Nach Ansicht der Wahlkommission war ein Teil ihrer Unterstützerunterschriften nicht echt.

Putin repräsentiert nicht alle Russen

Die USA und die EU hatten Russland für das brutale Vorgehen gegen Aktivisten bei den jüngsten Protesten kritisiert. Polizeikräfte waren mit Schlagstöcken auf die Aktivisten losgegangen. Nawalny war Ende Juli wegen des Aufrufs zu nicht genehmigten Demonstrationen festgenommen und zu 30 Tagen Haft verurteilt worden.

„Sie brauchen Blut“, schrieb die Kreml-treue „Komsomolskaja Prawda“ mit Blick auf die Kundgebung am Samstag. Die Tageszeitung „Wedomosti“ hingegen räumte ein, dass sich ein „Großteil der Gesellschaft“ durch das Regierungssystem unter Präsident Wladimir Putin „nicht repräsentiert“ sehe. Daher werde „Repression“ die Unzufriedenheit allenfalls „dämpfen“ können, aber nicht „das Problem an der Wurzel fassen“.

Die russischen Behörden hatten ihr Vorgehen gegen Nawalny zuletzt verschärft. Am Donnerstag wurden die Konten von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung sowie von einigen seiner Unterstützer eingefroren. Zudem durchsuchte die Polizei Wohnungen von Nawalny-Vertrauten.

„Was wir jetzt sehen, ist der bisher aggressivste Versuch, uns zum Schweigen zu bringen“, schrieb Nawalny daraufhin in seinem Blog. Die Nawalny-Vertraute Ljubow Sobol, die für die Stiftung als Anwältin arbeitet, befindet sich seit Wochen im Hungerstreik. Sie warf den Behörden am Freitag „politische Einschüchterung und Repression“ vor.

Nawalnys Stiftung löst regelmäßig Ermittlungen im Zusammenhang mit dem dekadenten Lebensstil und mit Korruptionsvorwürfen gegen die russische Elite aus. Während die öffentlich-rechtlichen Medien diese weitgehend ignorieren, ist die Stiftung in den sozialen Medien sehr präsent. Ihre Veröffentlichungen erreichen dort eine enorme Reichweite. Ein Beitrag, der den russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew als Kopf eines Immobilienimperiums anprangert, wurde auf Youtube 31,5 Millionen Mal angeklickt. (dts/afp)



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