Nachfolger von Boris Johnson: Die Wahl zwischen Rishi Sunak und Liz Truss

Im Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson liefern sich die beiden Kontrahenten einen „unerbittlichen“ Wahlkampf. Rishi Sunak, Unterstützer der digitalen Zentralbankwährung, warb für einen „harten Kurs“ gegenüber China, während Liz Truss, Favoritin der Tory-Mitglieder, sich für Steuersenkungen und Deregulierung starkmacht.
Wer wird NAchfolger von Boris Johnson? Rishi Sunak, ehemaliger Finanzminister, und Liz Truss, Außenministerin von Großbritannien.
Rishi Sunak, ehemaliger Finanzminister, und Liz Truss, Außenministerin von Großbritannien.Foto: Pa/PA Wire/dpa
Von 25. Juli 2022

In einer Stichwahl müssen sich Großbritanniens Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss den mehr als 160.000 Mitgliedern der konservativen Partei stellen. Wer neuer Parteichef der Tories und damit auch Premier und Nachfolger von Boris Johnson wird, soll sich am 5. September herausstellen.

Rishi Sunak hat in allen Abstimmungsrunden bisher vorne gelegen. In der letzten Runde erhielt Sunak am vergangenen Mittwoch 137 Stimmen, für Truss votierten 113 Abgeordnete.

Pekings Wunschkandidat?

Zuspruch für seine Kandidatur bekam Sunak von der Global Times, das ausländische Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas (KPC). Das Staatsmedium lobte ihn als den einzigen Kandidaten mit einer „pragmatischen“ Haltung gegenüber China.

Dass Peking offenbar davon ausgeht, Sunak sei der freundlichste Premierminister gegenüber dem kommunistischen Regime, führt wohl auf frühere Äußerungen des ehemaligen Schatzkanzlers zurück. In seiner Rede im Masion House vergangenen Jahres warb Sunak für eine Zusammenarbeit mit China in „globalen Themen wie Gesundheit, Alterung, Klima und Biodiversität“. Auch forderte er Anfang des Jahres einen „völligen Wandel“, um die Beziehungen zwischen Großbritannien und China wiederzubeleben, berichtete „The Telegraph“.

Sunak auf Kurswechsel: China ist „größte Bedrohung“

Doch Chinas Drohgebärde gegenüber Taiwan, die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong sowie die massiven Menschenrechtsverletzungen haben die britische Regierung zuletzt dazu veranlasst, auf Distanz zu dem kommunistisch regierten Land zu gehen. Außenministerin Truss sendete Ende Juni deutliche Warnungen an China: Jeder Versuch Pekings, in Taiwan einzumarschieren, wäre eine „katastrophale Fehlkalkulation“. Großbritannien und andere Länder sollten ihre Handelsbeziehungen mit Ländern überdenken, die ihre wirtschaftliche Macht auf „zwanghafte“ Weise einsetzen. Darüber berichtete „The Guardian“.

Auch Sunak leitet nun einen Kurswechsel ein. Am Sonntag erklärte er China als die „größte Bedrohung“ für die innere und internationale Sicherheit. Sollte er Premierminister werden, werde er aktiv gegen den chinesischen Einfluss vorgehen.

Sunak warf China vor, „unsere Technologie zu stehlen und unsere Universitäten zu infiltrieren“. Die Regierung in Peking unterstütze außerdem Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen Krieg in der Ukraine und bedrohe Nachbarn wie Taiwan. „Sie foltern, inhaftieren und indoktrinieren ihre eigene Bevölkerung, in Xinjiang und Hongkong“, führte er aus.

„Genug ist genug. Zu lange haben die Politiker in Großbritannien und im gesamten Westen den roten Teppich ausgerollt und die Augen vor Chinas ruchlosen Aktivitäten und Ambitionen verschlossen.“ Als Premierminister werde er dies vom ersten Tag an ändern.

Konkret schlug der 42-Jährige vor, alle 30 Konfuzius-Institute in Großbritannien zu schließen. Gleichzeitig machte er Truss für die Eröffnung eines Drittels der britischen Konfuzius-Institute verantwortlich, als sie noch Bundesministerin gewesen war, berichtete die Zeitung „i“. Gegen chinesischen Einfluss an Hochschulen will Sunak nun vorgehen, indem die Einrichtungen etwa zur Offenlegung ausländischer Finanzierungen von mehr als 50.000 Pfund (rund 58.800 Euro) verpflichtet werden. Zudem soll der britische Inlandsgeheimdienst MI5 bei der Bekämpfung chinesischer Spionage eingesetzt werden.

Sunak unterstützt zentrales Projekt der WEF

„Bloomberg“ attestierte Sunak als „Boris Johnsons natürlicher Erbe, bis er sich gegen den Premierminister wandte, der ihn mit der Leitung der britischen Wirtschaft betraut hatte.“

Sunak, ein ehemaliger Banker von Goldman Sachs, war der britischen Öffentlichkeit kaum bekannt, als Johnson ihn nach nur fünf Jahren in der Politik im Februar 2020 zum Finanzminister Großbritanniens ernannte – eine Schlüsselposition inmitten der Corona-Krise. Der ehemalige Schatzkanzler trat Anfang Juli zurück – aus Protest gegen den Premier. Dies galt als Auftakt eines Massenrücktritts im Regierungslager und hatte entscheidend dazu beigetragen, dass Johnson seinen Machtverzicht verkünden musste.

Seit dem Ende der Corona-Beschränkungen war Sunak als Finanzminister zunehmend in den Fokus der Kritik der Öffentlichkeit geraten. Die Lebenshaltungskosten im Königreich steigen, die Inflation erreichte ein 40-Jahres-Hoch, viele Briten kommen nicht mehr über die Runden. Inmitten dieser Krise sorgten Enthüllungen für Entrüstung, dass Sunaks Frau Akshata Murty – Tochter eines indischen Milliardärs – ein legales Schlupfloch nutzte, um Millionen an Steuern zu sparen.

Sein Schwiegervater, N. R. Narayana Murty, ist Gründer des indischen Hightech-Unternehmens Infosys und ein börsenorientierter Partner des Weltwirtschaftsforum (WEF). Der IT-Dienstleister treibt weltweit digitale Transformationen voran, darunter Trackingsysteme in Banken und Unternehmen.

Sunak setzt sich stark für die Einführung digitaler Zentralbankwährungen (CBDC) ein. Bankkunden befürchten darin ein Ende ihrer Privatsphäre. Denn anders als die Kryptowährung wie etwa Bitcoin werden CBDCs von Zentralbanken hergestellt, ausgegeben und kontrolliert.

Der 42-Jährige tritt außerdem für eine sparsame Haushaltspolitik und „grüne Abgaben“ als Maßnahme gegen den Klimawandel ein. Er hatte sich anders als viele seiner Widersacher kritisch zu möglichen Steuersenkungen geäußert. Liz Truss hingegen schrieb am Mittwoch in einem Beitrag im „Daily Telegraph“, ihr Plan zur Wiederbelebung der Wirtschaft würde „auf Steuersenkungen, Deregulierung und harten Reformen“ beruhen.

Truss‘ Seitenwechsel im Brexit-Streit

Anders als Sunak hat seine Kontrahentin ihr Amt nicht aus Protest gegen Premierminister Johnson niedergelegt. Truss sagte in einem Interview mit BBC Radio „4‘s Today“ sie hätte Boris Johnson gerne weiter als Premierminister gesehen. „Bedauerlicherweise sind wir an einen Punkt gelangt, an dem er nicht mehr die Unterstützung der Parlamentsfraktion hat“.

Während die konservativen Wähler laut Umfragen Rishi Sunak vorziehen, favorisieren 62 Prozent der befragten Mitglieder der Tory-Partei Liz Truss. Die Parteimitglieder setzten ihre Priorität vor allem auf „Ehrlichkeit und Integrität“, so das Ergebnis einer YouGov-Umfrage. Demnach schätzten 63 Prozent der Toy-Mitglieder Truss als „vertrauenswürdig“ ein. Die Wahl des Johnson-Nachfolgers obliegt den rund 160.000 Parteimitgliedern, nicht den Wählern. „Vorteil Truss“, hieß es in der Zeitung „Telegraph“ am Donnerstag.

Doch auch die Spitzenkandidatin gilt als nicht unumstritten. Im Brexit-Streit hatte sich Truss zunächst für den Verbleib in der EU starkgemacht. Nach dem Votum für den Austritt aus der Europäischen Union wechselte sie ihre Position und wurde zu einer lautstarken Befürworterin der Handelsmöglichkeiten nach dem Brexit.

Kritiker bescheinigen Truss zudem mangelndes Charisma. Sunak müsse Truss in so viele TV-Duelle zwingen wie möglich, zitiert die Zeitung „Guardian“ einen Tory. „Je mehr die Leute von ihr sehen, desto mehr werden sie Rishi unterstützen.“

Tausende haben für Comeback Johnsons unterschrieben

Das Online-Magazin „Politico“ kommentierte den innerparteilichen Wahlkampf der beiden verbliebenen Kandidaten als „verletzend und unerbittlich“. Die offen zur Schau getragene Feindschaft sei ungewöhnlich für einen parteiinternen Wahlkampf. Auch die Zeitung „i“ beschrieb den Kampf als „toxisch“.

Gleichzeitig arbeiten einige Loyalisten des scheidenden Premiers Boris Johnson bereits an dessen Comeback: Eine Petition, die sich dafür einsetzt, die Parteimitglieder über eine mögliche Rückkehr Johnsons abstimmen zu lassen, habe bis zum Samstagabend bereits 10.000 Unterzeichner erreicht, hieß es im „Telegraph“.

Truss und Sunak zeigten sich hingegen zuversichtlich, dass sie Labour-Chef Keir Starmer und dessen Sozialdemokraten bei der nächsten Parlamentswahl besiegen können. Regulär steht im Jahr 2024 wieder eine Wahl an. In Umfragen liegt die größte Oppositionspartei Labour in Führung, selbst in ihren Hochburgen erlitten die Konservativen jüngst erhebliche Rückschläge.

(Mit Material von afp/dpa)



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