Nazi-Skandal in Kanada: Russland fordert „Impfstoff“ gegen Unwissen über Faschismus

Justin Trudeau und Wolodymyr Selenskyj haben gemeinsam einen Kämpfer des Naziregimes als Held Kanadas und der Ukraine gefeiert. Nach dem Skandal und dem öffentlichen Rücktritt des Verantwortlichen meldet sich auch Russland zu Wort.
Titelbild
Der Kreml in Moskau, Russland.Foto: Natalia Kolesnikova/AFP via Getty Images
Von 2. Oktober 2023

Vor Kurzem wurde bekannt, dass ein ukrainischer Kriegsheld vom kanadischen Parlamentspräsidenten gelobt wurde – das einzige Problem war, dass der 98-jährige Ukrainer in der Waffen-SS gedient hatte.

Der kanadische Premierminister hat sich bereits entschuldigt und der Parlamentspräsident trat von seinem Amt zurück. Russland zufolge sei das aber noch lange nicht genug.

„Es reicht nicht, sich zu entschuldigen“

Eine Reihe von russischen Politikern hat ihre Unzufriedenheit mit der Reaktion des kanadischen Premierministers zum Ausdruck gebracht. Ein Zankapfel ist: Der kanadische Premierminister Justin Trudeau erwähnte die russischen Opfer der ukrainischen Nationalisten nicht, als er sich öffentlich für seinen parlamentarischen Gruß an Jaroslaw Hunka (früheres Mitglied der Waffen-SS) am vergangenen Freitag entschuldigte.

Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow erklärte am Donnerstag vor Reportern, dass Kanada aus dem Skandal seine „Lehren ziehen“ sollte:

Das Land möge mit den russischen Initiativen zur Verurteilung des Nazismus bei der UNO auch solidarisch sein.“

In einem Posting auf Telegram erinnerte Botschafter Dmitry Polansky zudem, dass Kanada „letztes Jahr gegen den russischen Resolutionsentwurf gestimmt hat, der die Verherrlichung des Nazismus verurteilt“.

 

Polansky betonte seine Hoffnung, dass „dieses Jahr ein ganz anderer Weg eingeschlagen wird“. Der Politiker arbeitet derzeit als stellvertretender Botschafter Russlands bei der Vereinten Nationen.

Kreml: Wissen über Faschismus sollte als „Impfstoff“ verwendet werden

Präsidentensprecher Peskow sagte, der Vorfall zeige, dass „Generationen in Kanada nichts über Faschismus wissen“. Diese Lücke sollte dringend geschlossen werden, so der Kreml-Sprecher. Dieses Wissen sei absolut lebensnotwendig. Peskow erklärte:

Das Wissen über den Nazismus sollte wie eine Impfung verabreicht werden, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.“

Das Wichtigste bestehe nicht darin, bei „wem sie sich entschuldigen, sondern ihnen bewusst zu machen, dass so etwas nie wieder geschehen darf“. Dem Kreml zufolge lautet die Frage also: Wie kann ein Land wie Kanada so schreckliche Phänomene wie den Nazismus und Faschismus ignorieren?

Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Putin, nimmt an einer Videokonferenz teil.

Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Putin, meint, dass es an der Zeit sei, Lehren über den Nazismus zu ziehen. Foto: Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Botschafter Konstantin Gavrilov, der Russland bei den Gesprächen über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle in Wien vertritt, gab ebenfalls eine Erklärung ab. Im Nachrichtensender „Rossiya 24“ kritisierte er Trudeau dafür, sich bei allen zu entschuldigen, „vielleicht sogar bei den Hunden, die im Krieg getötet wurden, aber nicht bei der russischen Bevölkerung“.

Russland überlegt, einen Auslieferungsantrag vorzulegen

Der russische Botschafter in Ottawa, Oleg Stepanow, bezeichnete Trudeaus Entschuldigung ebenfalls als unzureichend. Seine Meinung wurde in der ungarischen Wirtschaftszeitung „vg.hu“ veröffentlicht. Der Botschafter sagte, die kanadische Regierung und das Parlament sollten sich bei allen russischen Bürgern und der russischen Gemeinschaft in Kanada für den „beschämenden Vorfall, den die ganze Welt miterlebt hat“, entschuldigen.

Stepanow nannte Zahlen und wollte die kanadische Regierung an die Lektionen des Zweiten Weltkriegs erinnern.

Die Sowjetunion bezahlte den Sieg über Nazi-Deutschland mit dem Leben von 11 Millionen Soldaten. Außerdem fielen 16 Millionen Zivilisten dem Nazi-Regime zum Opfer.“

Um eine Parallele zu Kanada zu ziehen, entsprechen diese Zahlen heute der „Gesamtbevölkerung der kanadischen Provinzen Ontario, Quebec und British Columbia“.

Der Botschafter deutete laut der Zeitung auch an, dass die russischen Behörden ein Verfahren eingeleitet haben. Sie untersuchen den Fall von Hunka und könnten seine Auslieferung beantragen.

Warum schmerzt das Russland so sehr?

Nach Angaben des Organisation Friends of Simon Wiesenthal Center (FSCW) diente Hunka in der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS – auch bekannt als Waffen-SS-Division Galizien.

Hunka führte einen Blog, in dem er versuchte, seine Beweggründe und seine Lebensgeschichte durch Selbstbekenntnisse „zu klären“. In seinem Artikel „Meine Generation“, der „mit ukrainischem Nationalismus gewürzt war“, verglich er seine in der westlichen Welt verstreuten Mitüberlebenden, die einst in der SS dienten, „auf perverse Weise“ mit der jüdischen Diaspora, beschreibt ihn der Politologe Tamás Lánczi.

„Es war eine schwierige Mission, denn die Welt wusste wenig über uns, und was sie wusste, erfuhr sie von unseren Nachbarn, und zwar falsch. […] Langsam, durch persönliche Kontakte und kulturelle Arbeit, gewannen wir die allgemeine Unterstützung der westlichen Nationen für unsere eigene Wahrheit, unsere eigene Seite“, erzählt Hunka.

Neben seinem extremen Antisowjetismus schrieb Hunka auch offen darüber, wie er 1939 im Alter von vierzehn Jahren in Bereschowo aufwuchs und mit Ehrfurcht den „mythischen deutschen Rittern entgegensah, die die verhassten Polen totgeschlagen hatten“.

Keiner wurde in Nürnberg verurteilt

Die 14. SS-Galizien-Grenadier-Division selbst wurde im April 1943 größtenteils aus Ukrainern gebildet. Das Besondere an ihr ist, dass „kein einziges Mitglied der SS Galizien während des Nürnberger Prozesses verurteilt wurde, obwohl die Waffen-SS selbst als kriminelle Organisation eingestuft wurde“, erklärt der Russland-Experte Gábor Stier.

Möglicherweise war dies Stier zufolge auf sowjetischen Druck zurückzuführen, denn die offizielle sowjetische Darstellung lautet, dass „kein sowjetischer Bürger, einschließlich der Ukrainer, gegen die Sowjets gekämpft hat“.

Nach dem Krieg emigrierte eine beträchtliche Anzahl der Division nach Kanada. Stier weist zum besseren Verständnis auch darauf hin, dass heute in der Ukraine mehrere Straßen den Namen der Division tragen und mehrere Denkmäler zu Ehren ihres Heldentums errichtet wurden. „Die Abzeichen der Division, ein gelber Löwe auf blauem Grund und die beiden Kronen, finden sich an vielen Stellen, auch auf den Uniformen der heutigen ukrainischen Soldaten“.



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